Datum: 12. November 2015
Ort: Rote Fabrik – Zürich
Bands: Godspeed You! Black Emperor / Xarah Dion
Habt ihr das bemerkt? Das Flackern, die Geräusche? Eine Stunde ist vergangen oder waren es doch nur 10 Minuten? In der Roten Fabrik in Zürich ist das Raum-Zeit-Kontinuum für einen Abend aus den Fugen geraten. Die Welt stand still. Und Schuld daran hat die Post-Rock Formation von Godspeed You! Black Emperor oder kurz GY!BE.
Die Bühne ist vollgestellt mit Boxen und Instrumenten. Stühle und Equipment wurden in einem Halbrund angeordnet. In der Mitte ein riesiger Kabelsalat. Zwei Schlagzeuge stehen eine Reihe weiter hinten. Und über die ganze Front hinter Bühne ist eine blanke Leinwand gespannt.
Die Lichter gehen aus. Monotone, tiefe Klänge erklingen. Wiederholen sich. Immer wieder. Immer wieder. Was passiert? Nichts. Die Zuschauer warten. Einige davon lassen sich bereits treiben. Schliessen die Augen und schwanken leicht hin und her. Eine Minute, zwei Minuten, drei Minuten. Noch immer ertönen die gleichen Klänge. Kein Ende in Sicht. Dann tauchen aus der Dunkelheit die ersten zwei Musiker auf. Eine Geige und ein Kontrabass fügen sich in die Monotonie ein. Der Klang wird intensiver. Zwei Gitarrenspieler kommen dazu und setzen sich auf ihre Stühle. Es wird bedrohlicher, lauter. Eine dritte Gitarre, ein zweiter Bass und zwei Perkussionisten. Jetzt ist GY!BE vollständig auf der Bühne. Mächtig, bombastisch schallt es nun durch den Raum. Die Zeit dreht sich langsamer. Bleibt stehen.
GY!BE erschaffen Klanggewitter, die über den Hörer hereinbrechen. Zarte Gebilde blasen sich langsam aber stetig zu düsteren und gefährlichen Monstern auf. Euphorisch und bedrohlich zugleich. Repetition um Repetition. Hypnotisch zieht ein Sog alles in sich auf und nimmt jeden mit auf eine Reise. Eine Reise durch Raum und Zeit.
GY!BE untermalen ihren Ohrgasmus mit Bildern, die über vier Filmprojektoren auf die riesige Leinwand projiziert werden. So führen diese an verwunschene Orte, in dunkle Wälder. Irgendwohin, wo die Zeit keine Rolle spielt. Das Zusammenspiel von Musik und Film harmoniert perfekt.
Wie bei einem klassischen Orchester wirken alle Musiker_innen hoch konzentriert und in sich gekehrt. Es findet kein Dialog über Gesten oder Mimik zum Publikum statt. Sie verstecken sich im Schatten und kommunizieren einzig und alleine über ihre Musik. Nicht einmal zwischen den Liedern lassen GY!BE den Zuhörern Raum, dass sie applaudieren könnten. Nur ganz selten wird es so ruhig, dass das Publikum sich zu Klatschen und Jubeln hinreissen lässt. Niemand will diese wunderbaren Gebilde stören. Niemand will seinen eigenen Film verlassen.
Und plötzlich ist alles vorbei. Der Sekundenzeiger tickt wieder. Grossartig!
Text + Bilder: Nicole Imhof