Garbage + Lucia & The Best Boys
Docks – Lausanne
Donnerstag, 27. Juni 2024
Text: David Spring
Es gibt so Bands, die kennt man irgendwie schon ewig, aber doch nicht so richtig. Die schwirren dann so im Kopf herum, tauchen immer mal wieder auf und jedesmal sagt man sich «die sind doch eigentlich richtig cool, warum kenn ich die nicht besser?» Und genau darum ging es vergangenen Donnerstag auf die beschwerliche Reise nach Lausanne, wo im schönen Docks genau so eine Band spielen sollte: Garbage!
Die schottisch-amerikanische Rockgruppe um Sängerin Shirley Manson ist seit 1993 unterwegs und hat schon den einen oder anderen Hit hervorgezaubert. Sie also in relativ kleinem Rahmen zu sehen, versprach ein besonderes Erlebnis zu werden. Den Auftakt an diesem viel zu heissen Abend machten jedoch Lucia & The Best Boys, ebenfalls aus Schottland. Die noch relativ junge Indie Rockgruppe aus Glasgow betrat gut gelaunt die Bühne und legte mit einem düsteren, elektronisch angehauchten Song los. Augenblicklich interessant, doch war es dann vor allem Sängerin Lucia Fairfull, die mit ihrer gewaltigen Stimme und überraschend vielen Fluchworten im Text auffiel. Der folgende Track lockerte die Stimmung dann um einiges auf und es folgte ein vorzüglicher Auftritt.
Lucia & The Best Boys waren zum ersten Mal in der Schweiz und freuten sich entsprechend, dass schon so viele Leute da waren. Sehr amüsant war auch, als uns Lucia fragte, ob wir uns auf Garbage freuen würden, was natürlich viel Jubel zur Folge hatte. Schmunzelnd meinte sie dann lakonisch «ihr glaubt, ihr habt Glück? Ich seh die jetzt 16 Mal in Folge!» Doch auch musikalisch überzeugte die Band auf allen Ebenen. Insbesondere « Angels Cry Too» und der noch unveröffentlichte Track «Picking Petals» vom im September erscheinenden Album überzeugten extrem und machten Laune. Lucia & The Best Boys bewiesen sich mit ihrer sympathischen Art, tollen, abwechslungsreichen Songs und fulminantem Sound als perfekter Opener. Schön, wieder einmal eine richtig coole, neue Band zu entdecken.
Doch dann war es endlich soweit und Garbage betraten die Bühne unter tosendem Applaus. Mit «#1 Crush» ging es ziemlich düster und bedrohlich los, was die Leute in den ausverkauften Docks erstmal etwas verwirrt dastehen liess. Doch der intensive Song war die perfekte Plattform für die legendäre Frontfrau Shirley Manson, die in flauschigem Kleid über die Bühne stolzierte und ihre fantastische Stimme aufblühen liess. Dass heute keine halbe Sachen gemacht werden, bewies das furiose Elektro-Punkbrett «Godhead» sogleich, der harte Track verwirrte das Publikum augenscheinlich noch mehr. Erst der grossartige Hit «I Think I’m Paranoid» liess den Funken dann in der ganzen Halle überspringen und brachte alle zum Durchdrehen. Ab da an war es eine einzige Freude, mit dieser wundervollen Band abzufeiern.
Shirley begrüsste uns alsbald auf Französisch, was natürlich für euphorischen Jubel sorgte. Wie schon bei Lucia zuvor, stach ihre charmante Schottische Art aber durch, sobald sie ins Englische wechselte und wie ein Rohrspatz zu fluchen begann. «I hate all fucking politicians, especially that orange beast in the USA!» skandierte sie aufgebracht, womit klar war, dass als nächstes das glorreiche «The Men Who Rule The World» folgen würde. Garbage waren offensichtlich in Spiellaune, aber auch ziemlich angepisst und über die aktuelle Weltlage besorgt. Dies bemerkte man nicht nur an den vielen, ausschweifenden Ansagen, sondern auch an der durchaus heftigen Setlist. Songs wie «Run Baby Run», «Hammering In My Head» und natürlich das epische «No Gods, No Masters» liessen keinen Zweifel daran, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist. Doch natürlich kamen auch die poppigeren Fan-Favourites wie «Cherry Lips (Go Baby Go!)» oder das unsterbliche «Stupid Girl» nicht zu kurz und wurden frenetisch mitgesungen.
Garbage waren laut eigener Aussage 1995 zum ersten Mal in der Schweiz, das letzte Mal aber noch vor der Pandemie. Umso grösser war die Freude, endlich wieder durch Europa touren zu dürfen. Die Stimmung war auf der Bühne so ausgelassen, wie davor. Ein grosses Highlight war das immens wichtige «Bleed Like Me». Mitten im Song setzte Shirley einmal mit einem falschen Part ein, was den Rest der Band kurz ziemlich verwirrte, dank ihrem charmant lakonischen «wow, I really fucked this up!» aber vor allem für viel Gelächter sorgte. Sehr sympathisch, dass selbst einer solch eingespielten und erfahrenen Band mal ein Malheur passieren kann. Das Konzert war eine wahre Freude, was man zu fortgeschrittener Stunde auch den immer tropischer werdenden Temperaturen in der Halle anmerkte. Doch alle guten Dinge müssen irgendwann zu Ende gehen…
Mit dem energiegeladenen «Push It», dem grossartigen Siouxsie And The Banshees Cover «Cities In Dust» und dem fulminanten «Why Do You Love Me» ging es dem Ende zu, bis uns «Vow» ein letztes Mal alles abverlangte. Doch der grösste Hit fehlte noch, denn Garbage dürfen nicht ohne «Only Happy When It Rains» von der Bühne. Als Zugabe folgte erst noch das träumerische «Milk» bevor der Song, auf den alle gewartet haben, fulminant zum Besten gegeben wurde. Was für ein Fest, was für eine Band! Damit war nach knapp zwei Stunden endgültig fertig und wir durften draussen endlich wieder frische Luft schnappen.
Garbage sind live ein wahres Erlebnis. Die fantastischen Songs, die unvergleichlich geniale Shirley Manson, die tolle Atmosphäre – es hat alles gestimmt! Dazu mit Lucia & The Best Boys eine grossartige Vorgruppe und der Konzertabend war perfekt. So schlimm die Welt auch geworden ist, solange wir wundervolle, legendäre Bands wie Garbage noch haben, ist lange nicht aller Tage Abend.