29. März 2017
Gaswerk – Winterthur
Bands: Foxing / Fog Lake
Als Winterthurer hat man ja immer wieder das Glück, dass grossartige Bands quasi direkt vor der eigenen Haustür spielen. An diesem Mittwoch finden sich aber auch Menschen im Gaswerk ein, die nicht dieses Glück besitzen und einen längeren Weg auf sich nehmen mussten. Nicht so lange jedoch wie der Weg, den die Musiker aus den Staaten und Kanada hinter sich haben.
Fog Lake aus Quebec machen den Anfang – und lassen einem bei den sphärischen und melodiösen Klängen vergessen, dass die Frühlingssonne soeben noch auf der Haut zu spüren war. Bei geschlossenen Augen lässt sich, mit ein bisschen Vorstellungskraft, tatsächlich ein von Nebelschwaden verhangener See erkennen, der jedoch gelegentlich von einigen Sonnenstrahlen gefunden wird, nur um kurz darauf wieder im Grau zu versinken. Fog Lake ist Aaron Powell, Singer-Songwriter, jedoch von einer Gruppe Musiker begleitet, die seine Ideen umzusetzen wissen und zu verstehen scheinen, wohin er seine Zuhörer entführen will. Live noch viel schöner als auf CD (oder gratis auf Bandcamp) werden die Instrumente miteinander verflochten und bieten der angenehmen Stimme des Sängers einen federnden Untergrund.
Foxing aus Missouri überbieten diese musikalische Leistung jedoch noch einmal gehörig. Die fünfköpfige Band, deren Musik zwischen Emo, Indie, Alternative und Post-Rock einzuordnen ist, scheinen sich über ihren ersten Besuch in der Schweiz zu freuen, auch wenn sich das in ihrer Musik nicht wiederspiegelt. Es ist Musik, die man mit geschlossenen Augen geniesst und dabei seine Gedanken ziehen lässt. Oder aber man richtet seine Augen auf das Fingergeschick der Gitarristen. Oder auf Sänger Conor Murphy, dessen Körper von den Emotionen der Songs, von Verzweiflung oder Resignation, eingenommen zu werden scheint. Murphy zeigt, dass er nicht nur seine Stimme als Instrument einzusetzen weiss, sondern auch mit Trompete, Akustikgitarre und Keyboard umgehen kann.
Das Verschmelzen der Töne, wobei jedes Feedback und jeder Nachhall präzise eingeplant wirkt, lassen den kleinen Raum am Stadtrand von Winterthur kurzzeitig zu einer wilden Hügellandschaft werden, Wind und nahender Regen kann man förmlich riechen. Diese Atmosphäre wurde auch auf ihrem ersten Studioalbum „The Albatross“ im 2013 eingefangen, auf der einige ihrer erfolgreichen Songs wie „Rory“ oder „The Medic“ zu finden sind. Darauf folgte 2015 das zweite Album „Dealer“. Conor Murphy erklärt, dass sie mitten im Schreibprozess für ein neues Album seien – und entschuldigte sich somit gleich im Vorneherein, dass es wohl eine Weile dauern werde, bis sie es zurück in die Schweiz schaffen werden – und diese Tour für sie gewissermassen eine Durchlüftungsphase sei, nach der sie ins Studio zurückkehren werden, um uns mit neuen Meisterwerken zu überraschen. Daraufhin werden auch zwei neue Stücke gespielt, die Vorfreude auf mehr erwecken. Es sind wunderschöne Songs, sanft, aufbauend, ausbrechend – wie man es von der Band aus St. Louis kennt.
Die Band holt sich einen grossen Pluspunkt, indem sie keine Zugabe einplant hat. Die Fünf bedanken sich, spielen ihren letzten Song („Rory“), bedanken sich noch einmal, und noch bevor sie von der Bühne verschwunden sind, wird es heller und aus den Boxen klingt Tom Jones’ „You Don’t Have To Be Rich“.
„Foxing“ hat, wider erwarten, nichts mit Füchsen zu tun, sondern bedeutet entweder „täuschend“ oder „stockfleckig“, wobei Stockflecken Schäden sind, die von Feuchtigkeit verursacht werden und auf Textilien, Papier oder Wänden gelblich-bräunliche Ränder hinterlassen. Ein Bandname, der nicht nur sehr clever gewählt, sondern auch sehr passend ist für eine Band, die auf ihrer Bandcamp-Seite schreibt: „Foxing is a band. Someday Foxing won’t be a band.“ Für die Konzertbesucher wird dieser Abend jedoch keine Stockflecken in der Erinnerung hinterlassen, sondern ein wohliges Gefühl im Herzen, getränkt von ein bisschen Wehmut und Melancholie.
Text: Sarah Rutschmann