Datum: 10. Oktober 2014
Ort: Z7 – Pratteln
Bands: Flying Colors /John Wesley
Tatort Pratteln. Wie man der Presse am Montag entnehmen konnte, räumte am Sonntagabend die Krimiserie Tatort ganz schön ab und erntete Lob aus allen Richtungen. Fast könnte man meinen, dass man ein aussergewöhnliches TV-Erlebnis verpasst hatte, wenn man die Zeit anders verplante. Nun, das mag sicherlich stimmen, es sei denn, man entschloss sich am besagten Abend ins Z7 zu pilgern, um dort einem Auftritt von Flying Colors beizuwohnen. Um es vorweg zunehmen… Es hat sich mehr als nur gelohnt.
Opener war kein Geringerer als Porcupine Tree Gitarrist John Wesley, der dieses Jahr sein neues Solo-Album veröffentlichte (CD Review könnt ihr hier nachlesen). Über sein Album scheiden sich ein wenig die Geister. Die einen loben es in den Himmel, und ein paar Wenige finden es grottenschlecht. In der Tat hat das Album Luft und Potenzial nach oben und die Hoffnung war gross, dass es Wesley schaffen würde, seinen Songs wenigstens live die nötige Power zu verschaffen. Dass die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt erwies sich leider als wahr.
Die sympathische bescheidene Art Wesleys und seine Leidenschaft fürs Gitarrenspiel in Ehren, aber irgendwie schien der Funke nicht auf das Publikum überzuspringen. Das Dargebotene entsprach 1:1 der CD und diese war nicht wirklich ein Masterpiece. Entsprechend verhalten war auch der Applaus des Publikums, das den Auftritt Wesleys zwar goutierte, aber irgendwie kam es mehr als typische Schweizer Höflichkeit rüber, als pure Freude am Gesehenen. Unspektakulär gut aber zu mehr reichte es leider nicht.
Mittlerweile füllte sich das Z7 respektabel und zwischen 700 und 1000 Personen fanden den Weg nach Pratteln. Mit „Open Up Your Eyes“ vom aktuellen Album begann ein spektakulärer Abend und Flying Colors schafften es augenblicklich das Z7 zu begeistern. Mit seiner ersten Ansage sagte es Portnoy für einmal richtig, als er das Schweizer Publikum als ruhig und respektvoll betitelte. Leider schnallen das jeweils nicht alle und als Beispiel sei hier Russel Allen (Symphony X) genannt, der sich vor ein paar Jahren ziemlich darüber aufregte, dass die Swiss Audience nicht so ausflippte, wie er es sich gerne gewünscht hätte. Nun ja, vielleicht wäre es hilfreich gewesen nüchtern aufzutreten – aber lassen wir den Sarkasmus. Andere hingegen haben sich offensichtlich über die Schweizer Mentalität informiert und scheinen diese zu schätzen. Ok, als Schweizer fällt es einem schon ein wenig schwer zuzugeben, dass wir die frenetische Begeisterung nicht erfunden haben.
Mike Portnoy verriet dem Schweizer Publikum ein kleines Geheimnis. Man würde eine Blu-Ray aufnehmen, meinte er, und bat das Publikum heute ganz besonders wild zu sein. Na ja, dass der Gig aufgezeichnet wurde war ja eigentlich keine Top Secret Sache, schliesslich propagierte es das Z7 auf seiner Website und selbst einem Blinden wären die vielen Kameras aufgefallen, die da rumstanden. Doch genug gelästert! Man freute sich offensichtlich, dass die Band die Schweiz als Location für die Blu-Ray Produktion ausgewählt hatte und folgte Portnoys Aufforderung möglichst laut mitzumachen anstandslos. Aber auch ohne Aufforderung wäre Flying Colors der Applaus gewiss gewesen, denn was die Band dem Publikum im Z7 bot, war schon Extraklasse.
Nun, wundern sollte man sich definitiv nicht, denn unter all den Supergroups die es gibt, dürfte Flying Colors sehr wohl ein Podestplatz zustehen. Die Qualität der einzelnen Musiker darf getrost als hervorragend bezeichnet werden und zusammen ergibt sich dann eben diese Supergroup, die mittlerweile ihr zweites Album auf den Markt gebracht hat. Zudem sind Neal Morse und Mike Portnoy schon in anderen gemeinsamen Projekten involviert und kennen sich seit vielen Jahren. Das Schöne an Flying Colors ist die Tatsache, dass jeder einzelne der Protagonisten eigentlich schon ein Star ist, aber in der Band sind sie alle gleich. Gut, einer (MP) ist gleicher wie die anderen, aber das stört mittlerweile niemand mehr.
Glaubensverkünder und Missionar Neal Morse gab sich zurückhaltend und glänzte mit grossartiger Professionalität nicht nur am Keyboard sondern, oder vor allem am Gesang. Zusammen mit Portnoy übernahm er die Backgroundvocals und verhielt sich sehr bescheiden und Band dienlich. Die Solos eines Steve Morse haben es in sich. Wenig Fingerakrobatik, dafür umso mehr Emotion. Es ist wie das Gitarrenspiel eines Steve Lukathers – man weiss er kann‘s und er schafft es dennoch mit den gefühlvollen Tonfolgen vollends oder erst recht zu überzeugen. Morses Leistung war einfach nur top und seine Bühnenpräsenz ist grossartig – Profi eben. Dieses Prädikat kann auch ein Dave LaRue für sich beanspruchen, der wieder mal allen zeigte, was man mit einem simplen 4-Saiter Bass alles zu Stande bringt.
Über einen Mike Portnoy gibt es nicht viel oder erst recht viel zu sagen. Folgt man seinen Äusserungen auf verschiedenen Social Media Plattformen, so sollte man wohl des Öfteren ein Auge zudrücken, denn er scheint kein Fettnäpfchen auszulassen. Folgt man ihm als Drummer, so sollte man den Mund irgendwie wieder schliessen können, denn unbestritten gehört der Mann zur Creme de la Creme der lebenden Schlagzeuger. Und schliesslich muss man neidlos anerkennen, dass sich Portnoys gesangliche Fähigkeiten in den letzten zwei Jahren erheblich verbessert haben, auch wenn es noch nicht für einen Lead-Vocalisten reicht.
Apropos Lead-Sänger. Die immerwährende Geschichte Portnoys, wie er auf den idealen Sänger für Flying Colors kam, durfte natürlich bei den Filmaufnahmen nicht fehlen. Und schliesslich hat man ja auch für eine solche Aufzeichnung ein Drehbuch, das einzuhalten ist. Umso schöner war nach Portnoys Einleitung der Solo-Auftritt von Casey McPherson, der nochmals mit aller Deutlichkeit bewies, dass er als Sänger keinen Vergleich mit anderen Vocalisten scheuen muss und er zu Recht der perfekte Frontmann für Flying Colors ist. Für mich war McPherson eindeutig das Highlight des Abends.
Klanglich war der Abend einfach überirdisch, auch wenn manchmal 106 Dezibel ein wenig zu viel waren, kamen Flying Colors mit unglaublichem Druck und Brillanz rüber. Dabei muss man zwischen den alten und den neuen Songs unterscheiden. Das alte Material hatte wesentlich mehr Power und rockte entschieden mehr. Das schien das Publikum weder zu stören noch sonst in einer Art und Weise zu irritieren, denn erstaunlicherweise ging es für Schweizer Verhältnisse ziemlich ab. Vielleicht hatten Portnoys einleitende Worte zur Blu-Ray Aufzeichnung tatsächlich Wirkung gezeigt – wer weiss? Aber auch ohne der eindeutigen Aufforderung aktiv mitzumachen, wäre die Stimmung grossartig gewesen. Die Fans waren sichtlich happy, was auch nicht verwunderlich war, denn was Flying Colors auf der Bühne zeigten, war einfach eine unglaublich tolle Show ohne Firlefanz, dafür perfekt gespielt.
Fazit: Am Ende des sonntäglichen Auftritts der fliegenden Farben waren alle zufrieden. Die Band dankte es mit grosser Spielfreude und Sympathie-Bekundungen zum Publikum und dieses zeigte seine Zufriedenheit mit anhaltendem ehrlichem Jubel. Wer braucht da noch einen Tatort?
Setlist:
01. Open Up Your Eyes
02. Bombs Away
03. Kayla
04. Shoulda Coulda Woulda
05. The Fury of My Love
06. A Place in Your World
07. Forever in a Daze
08. One Love Forever
09. Colder Months
10. Peaceful Harbor
11. The Storm
12. Cosmic Symphony
13. Mask Machine
Zugabe:
14. Infinite Fire
[Quelle: setlist.fm]
Text: Daniel Baratte
Bilder: Liane Paasila