Datum: 13. Mai 2015
Ort: Z7 – Pratteln
Bands: Evergrey / Lesoir / Zonaria
Evergrey einzuordnen ist wahrlich nicht so einfach. Nimmt man sich Wikipedia als Referenz, so wird das Genre der Band mit Progressive Metal angegeben, was einerseits durchaus stimmt, anderseits ist Evergreys Musik mit einer Vielzahl von Einflüssen durchzogen, die eine Katalogisierung zur Herausforderung macht. Nun, wenn es einen Musikstil gäbe, der sich Ultrageil nennen würde, so wäre Evergrey sicherlich eine der herausragendendsten Vertreter dieses Genres.
Den Schweden eilt der Ruf voraus, eine unheimlich starke und präsente Live-Band zu sein. So wundert es trotzdem ein wenig, dass sie nicht auf der grossen Bühne des Z7 standen, sondern als Mini-Z7 Produktion präsentiert wurden. Schade, denn die 1993 gegründete Band hat inzwischen 10 durchaus hörenswerte Alben herausgebracht und geniesst in der Szene einen ausgesprochen guten Ruf. Wieso dann verhältnismässig wenig Leute, aber genug für das Mini-Z7, den Weg nach Pratteln gefunden haben, ist ein Rätsel.
Das hinderte die Schweden allerdings nicht daran fulminant zu starten – „Kings Of Errors“ war es dann auch, der gleich mal klar machte, wo der Hammer hängt. Gefolgt von „The Fire“, ebenfalls aus dem 2014 erschienenem Album und mit „Monday Morning Apocalypse“ aus dem gleichnamigen 2006er Album und nachfolgenden Nummern, bretterten die Herren der Langhaar- und Bart-Fraktion einen tollen Mix aus ihren Alben in das Publikum und so manch einer konnte nicht mehr still da stehen.
Einmal mehr komme ich zum Schluss, dass Headbanging mit Glatze eher bescheiden aussieht, aber was will man machen, wenn so viel Power von der Bühne kommt? Nichts, einfach nur Spass haben und das geniessen was uns alle verbindet – die Musik. Und davon gab es an diesem Abend wirklich nur das Allerfeinste und vor allem genug.
Frontmann Tom Englund gab wirklich sein Bestes. Und auch wenn nicht alle seiner Sprüche den erhofften Erfolg zeigten, konnte man ihn als durchaus unterhaltsam bezeichnen. Dennoch, als Entertainer besteht jedenfalls ausreichend Entwicklungspotenzial – als Sänger hingegen bewegt sich Englund nicht erst seit gestern an vorderster Front. Seine Stimme und seine Art zu singen haben einen extrem hohen Wiedererkennungswert und sind tragendes Element der Schweden. Auch wenn die Songstrukturen von Evergrey oft demselben Schema folgen, kam keine Sekunde Langeweile auf und trotz vornehmlicher Zurückhaltung konnte man auch eine gewisse Ehrfurcht im Publikum spüren.
Einmal mehr zeigte sich eine weitere Band ein wenig überrascht von der respektvollen Ruhe der anwesenden, mehrheitlich Schweizer Fans. So erstaunte es auch nicht, dass Englund dem Publikum erklärte, dass sie nicht in einer Kirche seien, weil es zwischen den Songs beängstigend still war. Vielleicht müsste man den Bands einfach vor Konzert ein Merkblatt abgeben, welches das Verhalten der Schweizer erklärt. Mike Portnoy hat es anlässlich des letzten Flying Colors Konzertes richtig gesagt, dass man die angenehme und respektvolle Art des Schweizer Publikums sehr schätze. Doch zurück zum Gig, der alles beinhaltete, was ein elektrisierendes Konzert ausmachen sollte. Ok, der Sound war sicherlich nicht schlecht, aber auch hier hätte man mehr rausholen können.
Evergrey sind als sehr Fan-nahe Band bekannt und so wunderte es nicht, dass sie ankündigten nach dem Konzert am Merch-Stand zu sein um zu signieren, sich fotografieren zu lassen oder sonst was auch immer zu tun. Sympathisch war auch die Aufforderung ebenfalls beim Merch-Mann Autogramme einzuholen, da es sich um Ex-Bassist Michael Håkansson handelte, der auf vier Alben der Band mitspielte. Ein weiteres Indiz für eine besondere Band die entsprechende Aufmerksamkeit verdient.
Apropos Ex-Musiker, Drummer Jonas Ekdahl und Gitarrist Henrik Danhage, haben nach ihrem Ausstieg 2010 nach vier Jahren glücklicherweise wieder zu Evergrey zurückgefunden, weshalb sich die Band in der „alten“ Formation präsentierte, und dies sicher nicht zum Nachteil.
Abschluss eines beeindruckenden Gigs bildete „The Grand Collapse“, der ideale Song um den Abend abzuschliessen. Den Blick ins Publikum richtend sah ich begeisterte Gesichter die gleichermassen beeindruckt waren. Immer wieder hörte ich Begriffe wie „geil, hammermässig“ oder auch „Wahnsinn“. Und ja, ich kann das bestätigen, jeder dieser Begriffe trifft voll zu. 17 Songs, die das musikalische Schaffen von Evergrey nicht besser hätten repräsentieren können. 17 Songs die so viel Power hatten, dass es einem schlichtweg umhaute. Was zu Geier will man mehr?
Fazit: Es ist diese gesunde Mischung aus aggressiven Riffs, düsteren Melodien und der Wechsel zwischen fast todbringender Härte und einer zum Träumen verführenden Sanftheit, die Evergrey zu einem unvergesslichen Live-Erlebnis machen. Noch immer hallt es „Came So Close, I“ in meinen Ohren und ich hoffe es bleibt auch noch eine Weile so.
Setlist:
01. King Of Errors
02. The Fire
03. Monday Morning Apocalypse
04. Black Undertow
05. The Masterplan
16. Mark Of The Triangle
07. Blinded
08. Solitude Within
09. Wake A Change
10. A New Dawn
11. I’m Sorry (Dilba Cover)
12. Missing You
Zugabe:
13. When The Walls Go Down
14. Recreation Day
15. Broken Wings
16. A Touch Of Blessing
17. The Grand Collapse
[Quelle: setlist.fm]
Text: Daniel Baratte
Bilder: Kathrin Hirzel