27. November 2015
Z7 – Pratteln
Bands: Europe / Dirty Thrills
Was für ein Aufgebot auf Schweizer Grund und Boden! Da viel es dem Hard Rock Fan an diesem Wochenende sicherlich schwer, sich nur auf einen Konzertbesuch zu fokussieren. Europe, Scorpions, Whitesnake – die meisten haben sich wohl gleich für das ganze Programm entschieden und liessen sich an beiden Tagen zurück in die 80er katapultieren. Ich habe mich auf Europe konzentriert, die überraschenderweise „nur“ mit einer Vorband den Abend bestritten. Die isländische Rockband The Vintage Caravan verschwand zu meinem Bedauern irgendwann wieder vom Billing und somit blieb Dirty-Thrills als einzige Vorband übrig.
Die Engländer betraten mit einem Tohuwabohu die Bühne, dass es einem schwindelig wurde und rockten von 0 auf 100 das fast ausverkaufte Z7 schon mit dem ersten Takt. Zunächst weckte der fulminante Start der Dirty-Thrills recht viel Hoffnung. Da musste man sich erst mal zurechtfinden und wusste zunächst mal gar nicht wo man zuerst hinschauen sollte. Mit scheinbar schmerzfreien Gelenkverbiegungen und überdurchschnittlich hohem Einsatz der Mimik, wirkten sie auf mich wie Blues Rocker auf Extasy. Genau davon lebte auch der ganze Auftritt: auffällige Kleidung und auffällige Typen. Schaute man weg von der Bühne und verfolgte die Show nicht weiter, plätscherte die Musik eher so vor sich hin.
Die Engländer konnten mir lediglich ein müdes Gähnen entlocken und wirkten auf mich wie eine preisgünstige Kopie von The Rivals Sons und The Darkness. Da half es auch nichts, dass Sänger Louis James, Sohn des Ex-Moody Blues Sängers Nicky James, sich noch so anstrengte, um auch nach der Show um Aufmerksamkeit zu buhlen. „Komm mit zum Merchandise Stand, wir unterschreiben dort unser Album“, motivierte er und seine Band die Leute, als er durch das Publikum marschierte. Für mich persönlich ein eher mässiger Start in den Abend.
Die Umbaupause – Aufregung machte sich unter dem hauptsächlich weiblichen Publikum breit. Aufgebrezelt mit Push-Ups, in hautengem Leder gekleidet, die Dekolletés bis zum Bauchnabel blossgelegt und die langen Haare in Form gebracht, drängten sich die Girls im stöckelschritt in die ersten Reihen. Eigentlich kein Wunder, denn Europe, wie auch schon Bon Jovi oder Mötley Crüe, zogen mit ihrem blühenden Charisma und den Knack-Ärschen die Frauen schon immer in ihren Bann. Ei, ei, dieser Hüftschwung – unter uns, ich schliesse mich da ganz und gar nicht aus.
Gespannt erwartete ich diesen Auftritt, denn Europe konnte ich das letzte Mal tatsächlich in den 80ern live sehen. Ich erinnere mich: Die Single „The Final Countdown“ erreichte in 26 Staaten Platz 1 der Hitparaden und mutierte in kürzester Zeit zu einer Hymne. Es gibt sie ja haufenweise, diese Bands die meinen, sie müssten ums Verrecken an die alten Erfolge anknüpfen, nochmals einen auf „jugendlich“ machen und peinlich berührt muss man dann feststellen: „Uh, hätten sie es nicht besser sein lassen?“
Und was machen Europe? Die „alten Schweden“ haben die Aussicht auf die Push-Ups in den ersten Reihen wohl verdient. Mit durchschnittlich 50 Jahren stehen die Herren in der Blüte ihres Lebens und das nicht nur optisch. Vor allem musikalisch haben sie sich besonders mit den letzten zwei Alben „Bag Of Bones“ und „War Of Kings“ regelrecht übertroffen und zwei aussergewöhnlich hochkarätige Rock-Alben vorgelegt. Mir blieb die Spucke weg, dass sie das auch noch live in hoher Qualität rüberbrachten. Sänger Joey Tempest schien in Hochform zu sein und musste an Charisma auch rein gar nichts einbüssen. Grossartige Stimmung, grossartige Rockmusik, die mit der Zeit gereift ist und Bands wie Bon Jovi den Angstschweiss auf die Stirn treiben sollte!
PS: Für die, sie sich wundern: Nackig hat sich keine gemacht, die Zeiten sind dann nun doch vorbei…
PPS: Leute, lasst doch die verdammten Smartphones in der Tasche!
Setlist:
1. War of Kings
2. Hole in My Pocket
3. Superstitious
4. Wasted Time
5. Last Look at Eden
6. Carrie
7. The Second Day
8. Firebox
9. Sign of the Times
10. Praise You
11. The Beast
12. Vasastan
13. Seventh Sign
14. Ready Or Not
15. Nothin‘ To Ya
16. Drum Solo
17. Let The Good Times Rock
18. Rock The Night
19. Days Of Rock ‚N‘ Roll
Zugabe:
20. The Final Countdown
[Quelle: setlist.fm]
Text: Liane Paasila
Bilder: Kathrin Hirzel