Datum: 20. September 2014
Ort: Raumbar Kofmehl – Solothurn
Bands: Appearance Of Nothing / Clepsydra / Vanden Plas
Wenn wir den Blick zwanzig Jahre zurück schweifen lassen und die damalige Musikszene untersuchen, so stellen wir erschrocken fest, dass es da nicht viel zu untersuchen gab und eine Analyse relativ schnell abgeschlossen werden konnte. Mit anderen Worten: Der heimische Musikmarkt war eher überschaubar als berauschend und man überliess das Feld mehrheitlich US-amerikanischen englischen und auch deutschen Bands.
Inzwischen hat sich die Situation sehr verändert und die Schweiz kann auf ein respektables musikalisches Kulturgut blicken, das mittlerweile recht viel zu bieten hat. Und so kommt es, dass immer mehr Schweizer Bands an Festivals teilnehmen und sich die Bühne mit bekannten Acts teilen können.
Überhaupt verfügt die Schweiz über eine beachtliche Festival-Dichte. Doch viele, vor allem Open-Air-Festivals, buchen mittlerweile lieber Hip-Hop und andere populäre Musikrichtungen. Da freut es natürlich besonders, wenn es Veranstalter gibt, die sich auf Prog-Rock bzw. Prog-Metal ausrichten. Einer dieser Veranstalter ist Eleven-Rock, deren Gründer Andrea Gurtner und Patrick Becker zum dritten Mal ins ehrwürdige Kofmehl geladen hatten.
Als ein durchaus anspruchsvolles Genre kann der Progressive-Metal bezeichnet werden und entsprechend dünn gesät sind Bands, die in dieser Liga mitmischen wollen und vor allem können. Eine dieser Bands ist sicherlich Appearance Of Nothing aus Basel, die in der Szene schon lange als Geheimtipp gelten und das Klein-Festival Eleven-Rock eröffneten. Die Basler haben vor allem mit ihrem Album „All Gods Are Gone“ international viel Beachtung bekommen und anfangs Jahr mit „A New Beginning“ einen weiteren Longplayer veröffentlicht. Das Potenzial ist tatsächlich gross und so ist es nicht verwunderlich, dass Appearance Of Nothing letztes Jahr mit den Norwegern Circus Maximus auf Tour unterwegs waren. Dies darf man sicherlich als den untrüglichen Beweis anerkennen, dass sie gut mit dem europäischen Niveau mithalten können.
Appearance Of Nothing drückten von Beginn an ziemlich ab und gaben gleich mal die Marschrichtung an. Bemerkenswert war sicherlich, dass sich Gitarrist Pat Gerber den Gesang mit Bassist Omar Cuna teilt, was ja auch nicht unbedingt gang und gäbe ist. Aber auch sonst hat die Band viel zu bieten. Die Songs, mehrheitlich vom neuen Album, sind abwechslungsreich und rhythmisch anspruchsvoll. Schade, das der Sound nicht immer ideal war, denn zeitweise gingen die Gitarren-Riffs fast ein wenig unter und hätten wesentlich akzentuierter rüberkommen können. Und dennoch sah man es der Band an, dass sie grossen Spass hatten und diese Spielfreude spürte man eindeutig im Publikum, das den Auftritt berechtigt mit grossem Applaus goutierte.
Als zweiten Act durfte man auf Clepsydra gespannt sein, die den Retro-Prog und Prog-Rock Kennern sicherlich bekannt sein dürften. Jüngeren Musik-Fans, und vor allem Liebhabern der härteren Gangart, dürften die Tessiner vermutlich eher fremd gewesen sein. Clepsydra unterschieden sich doch sehr von der als erste aufgetretenen Kombo aus Basel, was sie schon mit den ersten Takten ihres Programms bewiesen. Es ging eindeutig gemächlicher zur Sache.
Wer zufälligerweise dieses Jahr am Night of the Prog Festival an der Loreley war, konnte die Tessiner schon mal live anschauen. Leider lief der Gig im Juli nicht optimal und die Leistung von Clepsydra kam nicht so zur Geltung, wie es die Süd-Schweizer eigentlich verdienten. Eines kann man schon vorweg nehmen – der Gig im Kofmehl war um Einiges besser und Clepsydra konnten zeigen, dass sie auch nach über 10 Jahren Abstinenz durchaus schaffen, das Publikum zu begeistern. Wie auch an der Loreley kam die Band ab und zu ein wenig holprig daher und man hatte das Gefühl, dass es wohl noch ein paar Gigs mehr braucht, bis die Tessiner wieder auf altem Niveau spielen. Doch darf man mit gutem Gewissen sagen, dass mit Clepsydra durchaus eine Bereicherung der Schweizer Musikszene sind und man darf sich definitiv auf weitere Auftritte oder Releases der Band freuen.
Ungewöhnlich für die Festival Grösse des Eleven Rocks war sicher die Tatsache, dass der Headliner darauf bestand, die komplette Backline selbst zu stellen, also auch ein eigenes Drumset zu verwenden. Das mag auf der grossen Bühne des Kofmehls egal sein. Im wesentlich kleineren Club hingegen, kann man sich über Sinn und Unsinn eines solchen Umbau-Aufwandes streiten. So geschehen mit Vanden Plas aus Kaiserslautern, die durchaus einen respektablen Namen in der Prog-Szene haben, aber leider doch nicht in der aller ersten Liga mitmischen können. In Frankreich feiern Vanden Plas seit Jahren beachtliche Erfolge, in der Schweiz und selbst in Deutschland hingegen ist die Resonanz leider unverdient bescheiden. Nun, wer die Deutschen Ende 2012 in der Galery in Pratteln sah, erinnert sich vielleicht noch vage an einen nicht ganz optimalen, oder vielmehr lustlosen Auftritt vor nicht besonders viel Publikum.
Die verhältnismässig lange Umbaupause konnte man nützen, um sich am reichlich ausgestatteten Merchandise-Stand einzudecken, oder schnell einen Blick ins „grosse“ Kofmehl zu werfen, wo sich Mark Fox auf der Bühne abrackerte und seinen Fans eine gehörige Portion Rock entgegen ballerte. Und siehe da, auch Lokal-Matador Chris von Rohr (Krokus) liess sich blicken und hetzte sich zum Bühnenrand zu seinem Schützling. Doch zurück zum Eleven Rock.
Ohne die Leistung der vorangegangenen Bands zu schmälern, muss man neidlos anerkennen, dass mit Vanden Plas ein anderes Kaliber am Start war. 28 Jahre Bühnenerfahrung sprechen nun mal für sich und wer das Song-Material der Deutschen kennt, weiss, dass es eine Fülle von Top-Kompositionen beinhaltet, die mit jeder internationalen Konkurrenz mithalten können. Star-Allüren hin oder her, Vanden Plas klangen einfach phantastisch und man hätte vor allem den als Erste aufgetretenen Appearance Of Nothing gewünscht, sie hätten denselben glasklaren Sound gehabt.
Die Songauswahl kann man als durchaus gelungen bezeichnen, auch wenn man den einen oder anderen aus dem Album „The God Thing“ auch hätte spielen können. Aber eben, mit mittlerweile 8 Studioalben hat man letztendlich die Qual der Wahl und schliesslich will man ja das neueste Album „Chronicle Of The Immortals – Netherworld“ promoten. Immerhin 11 Songs die das Schaffen der Band sehr gut reflektierten und den Auftritt zu einer kurzweiligen und abwechslungsreichen Sache machten.
Hauptaugenmerk ist und bleibt Sänger Andy Kuntz, der mit seiner charakterstarken Stimme durchaus zu den Top-Sängern des Genres bezeichnet werden kann. Auch diesen Abend zeigte Andy mit seinen Vandies eine professionelle Leistung und entschädigte somit für den eingangs erwähnten missratenen Auftritt in der Galery. Es ist wirklich schade, dass Vanden Plas im deutschsprachigen Raum so wenig Zuspruch erhalten, denn der Auftritt im Kofmehl zeigte einmal mehr, dass sie als einer der Top-Act im Prog-Genre gelten.
Fazit: Schön zu sehen, dass Eleven-Rock im Gegensatz zum Vorjahr zulegen konnte und guten Gewissens kann man auch dieses Jahr den Veranstaltern, Andrea und Patrick, grosses Lob aussprechen. Die Location ist natürlich klein und beengend und gerade Bands mit grossem Lineup, müssen schon mit eingeschränkten Platzverhältnissen kämpfen. Man darf jedenfalls hoffen, dass 2015 vielleicht die grossen Räumlichkeiten des Kofmehls gebucht werden müssen.
Text: Daniel Baratte
Bilder: Kathrin Hirzel