15. Januar 2021
Lonely Eisenwerk – Frauenfeld
Website: eisenwerk.ch
Es war einer der raren Wintertage, als ich mich mit Jonathan Trüeb an diesem Abend im Eisenwerk in Frauenfeld traf. Unmittelbar vor uns eine Woche mit erneuten verschärften Corona-Einschränkungen, es war extrem still, obwohl erst 18 Uhr. Keine Menschenseele auf den Strassen. Als ich beim Gelände eintraf, sassen drei Jugendliche in der Winterbar und blickten mich leicht ertappt an, als ich durch den Schnee zum Eingang stapfte. Die Ruhe war gespenstisch. Ich fühlte mich wie einer der wenigen Überlebenden nach dem Armageddon.
Metal im Eisenwerk
Das Eisenwerk als ehemalige Schraubenfabrik ist alleine wegen seines Namens wie geschaffen für Metal-Konzerte. Heavy Metal, der sich im Laufe der 70er-Jahre aus dem Hard Rock zu einer eigenen Musikrichtung gemausert hatte, und durch Bands wie Iron Maiden, Saxon und Judas Priest populär wurde, war schon immer mit hartem Metall verbunden. Ob als Teil des Bandnamens oder als Synonym für eine Lebensart, fernab vom Mainstream. Schwere Maschinen und harte Jungs mit Tattoos und Lederjacken mögen der Anfang der Metal-Musik gewesen sein. Umso erstaunlicher ist es, wie sich der Heavy Metal in der Zwischenzeit in allen Gesellschaftsschichten etabliert hat. Weg von den Vorurteilen, mit welchen diese Szene behaftet war, direkt in die gute Stube oder, wie im konkreten Fall, in ein Kulturzentrum.
Frauenfeld als Mekka der Rockmusik
Die älteren Semester unter uns erinnern sich an die legendären 80er- / 90er-Jahre, als Frauenfeld mit dem „Out in the Green Festival“ wahre Legenden auf die Bühne zauberte. Kaum zu glauben, aber da tauchten im Line-Up Namen wie David Bowie, Simple Minds, Lenny Kravitz, The Prodigy, Robert Plant, Sting oder Oasis auf. Damals war das Open Air in Frauenfeld ein wahres Mekka für Rockfans. Dass im Eisenwerk auch unbedingt Rockmusik gespielt werden muss, drängt sich angesichts dieser Geschichte förmlich auf.
Ein lebendiges Kulturzentrum entsteht
Mitte der Achtzigerjahre wurde die Genossenschaft Eisenwerk mit dem Ziel gegründet, die einstige Schraubenfabrik zu erhalten und als Raum für Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit nutzbar zu machen. Die Fabrikanlage wurde 1986 umgebaut und ist heute nebst Wohn- und Arbeitszentrum auch ein bedeutendes kulturelles Lokal. Unter einem Dach befinden sich Konzertbetrieb, Theater, Kunstraum sowie ein Restaurant, Wohnungen und Gewerbebetriebe. 2014 hat der Verein „Kultur im Eisenwerk“ die Verantwortung für das kulturelle Programm im Eisenwerk übernommen. Im Saal werden jährlich etwa 15 bis 20 Konzerte aus den Bereichen Rock, Pop, Blues und World Music durchgeführt, neben bekannten Namen wird unter dem Label „local:now“ Nachwuchsförderung betrieben: Junge Bands aus der Region erhalten zweimal im Jahr die Chance, ein grosses Konzert zu geben. Dabei spielen jeweils drei Bands pro Abend, der Eintrittspreis wird mit 15 CHF bewusst tief gehalten, um auch jungen Leuten den Besuch zu ermöglichen. So trägt das Zentrum einen grossen Teil zur Erhaltung einer lebendigen und spannenden Musikszene, speziell in der Region Frauenfeld, aber auch in der ganzen Ostschweiz bei.
Attack:now
Die Programmgruppe „Sounds“ organisiert und veranstaltet die Konzerte im Eisenwerk. Was unter dem Label „now“ für Lokal „local:now“ oder Jazz „jazz:now“ begann, wurde durch Jonathan Trüeb als „attack:now“ auf den Metal-Bereich erweitert. Jonathan Trüeb, erfahrener Jugendtreffleiter und Jugendarbeiter, ist selbst begeisterter Metal-Fan. Die Art und Weise, wie er auf die eingangs erwähnten Jugendlichen in der Winterbar einging, lassen keinen Zweifel, dass er im Umgang mit jungen Menschen ein Naturtalent ist. Dieser Umstand und, dass er in der Region gut verwurzelt ist, bedeuten für das Kulturzentrum einen grossen Gewinn. Jonathan Trüeb organisierte im Jahr 2019 bereits zwei Metal-Abende unter dem Label „attack:now“ und hatte für 2020 erstmals ein Festival Weekend mit sieben harten Bands an zwei Abenden geplant. Auch er musste seinen geplanten Event nun um ein Jahr verschieben. Mit dabei sind nach heutigem Stand fast ausschliesslich Schweizer Metalbands. Was mir Jonathan bei unserem Gespräch sonst noch so alles verraten hat, lest ihr im Interview. Zweifellos wünschen wir Jonathan und seinen vielen ehrenamtlichen Helfern für das erste attack:now Festival einen grandiosen Erfolg.
Text und Bilder: Christian Wölbitsch