The Hall – Dübendorf
Dienstag, 14. Februar 2023
Text: David Spring
Die Prog-Metal-Giganten von Dream Theater sind wieder auf grosser Welt-Tournee, was immer zu heissen Gemütern und lauten Meinungen in den Kommentarspalten führt. Ein grosser Teil der Fangemeinde scheint nichts lieber zu tun, als auf jedem neuen Ton der legendären Band herumzuhacken. Der Abgang von Mike Portnoy ist auch nach bald 12 (!) Jahren nicht verkraftet. Anyway, nach dem diesjährigen Valentinstags-Konzert in The Hall in Dübendorf kann ich beruhigt berichten, dass nicht alle Kritik völlig unberechtigt ist, aber auch, dass da immer noch viel Geniales drinsteckt.
Sind wir ehrlich: Dream Theater sind nicht mehr das, was sie einmal waren und die neuen Songs überzeugen nicht, wie die alten Hits – vor allem live. Bestes Beispiel war das 20-minütige „A View From The Top Of The World“, das wirklich mehr eine Aneinanderreihung vieler über-technischer Teile, als ein zusammenhängendes Stück ist. Dazu kommt einer Band dieses Kalibers schlicht unwürdiger Sound-Mix während der ersten paar Songs – matschig, dumpf und echt schlimm. Am mühsamsten war das grauenhaft klingende Schlagzeug und der manchmal sehr quietschige Gesang, aber auch die viel zu breiige Gitarre. Für den durchaus stolzen Eintrittspreis und eine derart renommierte Gruppe Elite-Musiker wirklich eher unakzeptabel.
Aber damit hat es sich mit Kritik. Denn trotz all dem war das Konzert richtig gut. Dream Theater sind immer noch eine Macht und Songs wie das fantastische „6:00“, das unsterbliche „Pull Me Under“ oder auch das richtig starke, etwas neuere „Bridges In The Sky“ belegten dies. Es bewiesen vor allem John Petrucci und Jordan Rudess, was für absolute Meister sie auf ihren Instrumenten sind. Wenn die beiden unisono ein ausgedehntes, durchtriebenes Solo spielen, in wahnwitzigem Tempo miteinander harmonisieren und die wildesten instrumentalen Kunststücke vollbringen, ist das jedes Mal wieder eine Freude.
Das wahre Highlight folgte, als James LaBrie ein paar Songs aus dem unsterblichen „Six Degrees Of Inner Turbulence“-Album ankündete. Dies allein führte zu grossem Jubel beim sonst sehr kritisch zurückgehaltenen Publikum. Und als „Solitary Shell“, „About To Crash“ und „Losing Time/Grand Finale“ folgten, kam massig Stimmung auf. Wundervoll und an schierem Musik-Orgasmus-Faktor kaum zu überbieten. Und Dream Theater wären nicht sie selbst, wenn sie sowas nicht noch übertrumpfen könnten. Denn als Zugabe folgte „The Count Of Tuscany“. Dieses fantastische 20-minütige Epos vereint alles, was die Band ausmacht: hervorragende Melodien, crazy Instrumental-Parts, ein wunderschöner Mittelteil, unglaublich geile, fette Metal-Riffs und perfektes Songwriting.
Bevor wir zum Ende kommen, muss unbedingt noch die Vorgruppe Arion erwähnt werden. Diese nämlich machten einen Riesenspass. Die fünf langhaarigen Finnen spielten astreinen Power Metal mit ordentlich Wumms und massig Energie. Mit tollen Gitarren- und Keyboard-Solos, grossen Melodien und wahnsinnig viel Talent, standen sie der Hauptband um nichts nach. Als Sänger Lassi Vääränen uns mit «Hallo Züri» begrüsste, ernteten die gutgelaunten Jungs ordentlich Sympathiepunkte. Mit dem tollen Closer «At The Break Of Dawn» schafften es Arion sogar, die Leute zum Mitsingen zu animieren – ziemlich beeindruckend für eine Dream-Theater-Vorgruppe.
Da haben wirs. Man kann Dream Theater einiges vorwerfen. Wie gut das neue Material gefällt, ist Geschmackssache, den teilweise grottigen Live-Sound hingegen kann auch mein Glas-bis-zum-Rand-Voll-Gemüt kaum verstehen. Man darf aber getrost auch sagen, dass die Band einfach unfassbar gute Songs hat, dass sie seit nunmehr 37 Jahren auf unerreicht hohem Level musizieren, sich dabei nie zu schade sind, sich weiterzuentwickeln und dass sie Tausende von Menschen dazu motivieren und inspirieren, selber ein Instrument in die Hand zu nehmen. Das soll ihnen erst mal jemand nachmachen. Waren Dream Theater 2023 live so gut wie früher? Mitnichten. War es trotzdem ein grandioses Konzerterlebnis mit vielen Highlights? Auf jeden Fall!
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- The Alien
- 6:00
- Sleeping Giant
- Bridges In The Sky
- Caught In A Web
- Answering The Call
- Solitary Shell
- About To Crash (Reprise)
- Losing Time/Grand Finale
- Pull Me Under
- A View From The Top Of The World
Zugaben
- The Count Of Tuscany