Die Ärzte + Beatsteaks + Pascow
Stockhorn Arena – Thun
Samstag, 18. Juni 2022
Text: David Spring
Es gibt wenige Konzertveranstaltungen, die Vorfreude in dem Masse auslösen und gleichzeitig etwas nervös machen, wie es ein Konzert von Die Ärzte aus Berlin (aus Berlin!) tut. Ich, der ich schon seit Jahrzehnten riesiger Fan bin und mir bereits viele ihrer Konzerte zu Gemüte führen durfte, hoffe bei jedem weiteren Auftritt der Drei, dass es so gut wird, wie ich es in Erinnerung hatte. Letzten Samstag war es wieder so weit und die Beste Band Der Welt spielte im Rahmen ihrer „Buffalo Bill In Rom“-Tour in der Stockhorn Arena in Thun.
Los ging es mit Pascow. Das Stadion war noch nicht gefüllt und die meisten Leute krochen an den Seiten im Schatten herum, da die erdrückende Hitze in der Mitte der Arena zu viel des Guten war. Pascow lieferten eine starke Show ab, für ein Stadion-Konzert war es überraschend laut und trotz der Hitze kam bereits etwas Bewegung auf. Richtig schön, eine sympathische Punkband als Vorgruppe erleben zu dürfen. Nach knapp einer halben Stunde war der Spass bereits wieder vorbei und weiter ging es mit niemand geringerem als den Beatsteaks.
Kaum eine Band ist den sommerlich-heissen Temperaturen besser gewachsen als sie. Die Jungs um Sänger Arnim Teutoburg-Weiss besannen sich an diesem Abend vor allem auf ihre punkigen Wurzeln. Mit „Hey Joe“ und dem furiosen Fu Manchu-Cover „Frieda Und Die Bomben“ legten sie stark los und schnell merkte ich, wie lange es her war, seit ich die sympathischen Jungs zum letzten Mal live sah. Die Beatsteaks sind immer eine Macht und die gute Laune auf der Bühne breitete sich bald in die immer besser gefüllte Arena aus. Mit Hits wie „Jane Became Insane“, „I Don’t Care As Long As You Sing“ und dem unsterblichen „Hand In Hand“ machten die Herren viel Spass.
Dann war es soweit, die Beatsteaks verabschiedeten sich und ein grosser (sehr hässlicher) Vorhang wurde aufgezogen, bis das grandiose „Also sprach Zarathustra“-Intro der Portsmouth Sinfonia, deren Musiker:innen untereinander die gelernten Instrumente austauschen und das epische Lied somit unglaublich verhunzen, lief. Die Vorfreude stieg ins unermessliche, der Vorhang fiel und mit „Himmelblau“ waren sie da: Die Beste Band Der Welt! „Noise“ und das bescheidene „Wir Sind Die Besten“ eröffneten die Show, bevor wir freudig begrüsst wurden. Mit „Mr. Sexpistols“ vom Debütalbum „Debil“ gruben BelaFarinRod dann einen richtig alten Hut aus, der viele der Anwesenden erstmals komplett überforderte.
Das 2007er Album „Jazz Ist Anders“ bescherte der Band einen Haufen neuer Fans, und diese waren augenscheinlich mit den Songs vor dieser Zeit nicht so bewandert. Die Ärzte wären aber auch nicht sie selbst, wenn sie diese Tatsache nicht extra zelebrierten und ab und zu völlig obskure Song-Perlen wie das gehaltvolle „a-moll“ oder viel später am Abend ein Stück aus der Uralt-Klamottenkiste wie „Buddy Holly’s Brille“ ausgraben würden. Für die eingefleischten Fans waren solche Schmankerln ein Traum, ein Konzert der Die Ärzte bietet immer wieder die schönsten Überraschungen.
Natürlich kamen auch die Fans auf ihre Kosten, die noch nicht seit Ewigkeiten dabei sind. Hits wie „Lasse Reden“ oder „Deine Schuld“ wurden frenetisch bejubelt und auch die neusten Songs wie „Ich, Am Strand“, Rodrigo González’ Metalbrett „Morgens Pauken“ oder die unglaublich bescheuerte Oi!-Hymne „Alle Auf Brille“ passten perfekt in die abwechslungsreiche Setlist. Freilich gab es zwischen den Songs immer wieder das Die Ärzte-typische Gelabere. Zwar ist die Band merklich weniger infantil als früher, doch die Wortgefechte zwischen Farin Urlaub und Bela B, die Jodel-La-Olas und aufgrund von Lachanfällen ob des eigenen Unvermögens abgebrochenen Songs gehörten fest ins Programm.
Wer die Band kennt, wusste auch, dass die Ankündigung des letzten Liedes noch lange nicht das Ende bedeutete. Es folgten mehrere Zugabenblöcke, die so lange wie das gesamte Set vieler anderen Bands dauerten. Erst als nach gut zweieinhalb Stunden die Klänge des legendären Closers „Zu Spät“ erklangen, war klar, dass das Ende nah war. Immer für eine Überraschung gut, metzelten die Drei dieses wunderschöne Lied mit der sinnfreien Lärm-Hymne „Dauerwelle Vs. Minipli“. Perfekter könnte kein Die Ärzte-Konzert zu Ende gehen.
Da haben wir’s, die Drei Nulpen aus Berlin sind „live einfach noch besser als ab Platte“. Eine starke, abwechslungsreiche Setlist, tonnenweise Gequatsche, eine bestens gelaunte Band und ein frohes, feierwütiges Publikum machten den Abend unvergesslich. Das Chaos beim Verlassen des Stadions und am Bahnhof konnten die Stimmung nicht mehr trüben, Die Ärzte haben die Schweiz einmal mehr gerockt und bewiesen, dass den alten Knaben noch lange niemand das Wasser reichen wird. Oder um es in Rods unsterblichen Worten zu sagen: „Ihr seid die Besten der Besten der Allerbesten!“
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Himmelblau
2. Noise
3. Wir Sind Die Besten
4. Heulerei
5. Mr. Sexpistols
6. Lasse Redn
7. Fiasko
8. Angeber
9. Ist Das Noch Punkrock?
10. Doof
11. Hurra
12. Nichts In Der Welt
13. Las Vegas
14. Schunder-Song
15. Ich, Am Strand
16. 1/2 Lovesong
17. Morgens Pauken
18. Schrei
19. Manchmal Haben Frauen …
20. Wissen
21. Alle Auf Brille
22. A-Moll
23. Waldspaziergang Mit Folgen
24. Elektrobier
25. Unrockbar
26. Lied Vom Scheitern
27. Deine Schuld
Zugaben 1
28. Dinge Von Denen
29. Buddy Holly’s Brille
30. Ignorama
31. Wie Es Geht
Zugaben 2
32. Dunkel
33. Schrei Nach Liebe
34. Junge
35. Mach Die Augen Zu
36. Zu Spät
37. Dauerwelle Vs. Minipli
38. Gute Nacht