Datum: 9. November 2015
Ort: Hallenstadion – Zürich
Bands: Deep Purple / Rival Sons
Für einmal hat es sich gelohnt früh genug im Hallenstadion zu sein, sich an einem Stehtisch ein Bierchen zu genehmigen und die eintreffenden Leute zu beobachten. Und für einmal durfte ich mit Erschrecken oder doch vielleicht mit Freude feststellen, dass ich mit Abstand nicht der Älteste gewesen bin.
Opener für einen vielversprechenden Abend waren die US-Amerikaner Rival Sons, die einen vor allem in den letzten Jahren populär gewordenen Retro-Rock-Seventies-Style verfolgen. Doch wenn ich 70er Rock hören will, dann nehme ich Papas alte LPs hervor und gönne mir den wirklich guten Stoff. Nicht, dass Rival Sons nicht gut waren. Nein, die Band zeigte eine durchwegs gute Leistung und schienen auch motiviert zu sein für Deep Purple eröffnen zu dürfen.
Sänger Jay Buchanan in 70er Manier barfuss unterwegs, gestikulierte wie Joe Cocker und sang nebenbei mindestens so gut wie die Legende. Überhaupt ist man sich bei Buchanan nie sicher, ob er irgendwas eingeworfen hat oder einfach nur so rumtorkelt, weil es grad so hip ist. Keyboarder Todd E. Ögren-Brooks lässt sich dafür einen wirklich langen Bart wachsen und im Karo-Hemd folgt er einem anderen, mir unverständlichen Trend. Überhaupt waren Rival Sons visuell alles andere als Mainstream und auch wenn ihre Musik nicht Neues war, trafen sie am Montagabend den Nerv des Publikums.
Warum zum Geier fühlen sich einige Musiker dazu berufen ein Drum-Solo zu spielen? In diesem Fall ganz einfach – Schlagzeuger Mike Miley hatte Geburtstag und das Solo schien sein Geburtstaggeschenk zu sein. Schön für ihn, doch wenn man Drum-Solos von Portnoy und Konsorten gewöhnt ist, so kommt Mileys Geklopfe eher als ein laues Lüftchen rüber. Dem Publikum schien es trotzdem zu gefallen und wenn die Zuhörer zufrieden sind, so ist eigentlich alles in Butter.
Auch wenn Rival Sons mein Begeisterungs-Barometer immer noch nicht nach oben drücken konnten, hatten sie genug Druck um das Hallenstadion-Publikum zu begeistern – ergo, gibt ihnen der Erfolg Recht.
Es gibt musikalische Institutionen, es gibt Götter und es gibt Deep Purple. Unbestritten oder gerade logischerweise haben Deep Purple von allem etwas. Dreht man das Rad um Jahre zurück und betrachtet die erste Zeit ihres Schaffens bis zu Auflösung 1976, so muss man den Jungs schon ein Kränzchen binden. Die haben viel bewegt und Songs wie „Higway Star“, „Hush“, „Smoke On The Water“ oder auch „Black Night“ etc. sind und bleiben unvergessen und gehören in die Hall of Fame.
Soll man jetzt jubeln, weil auf der Bühne im Hallenstadion Legenden standen oder weil die Darbietung so unglaublich toll war? Man beachte: Gillan und Glover sind 2015 beide 70 geworden! Aber das alleine ist keine Leistung. 70 wurden unlängst auch meine Eltern, die zwar immer noch gewaltig abrocken, aber halt nicht so sehr wie die zwei Musiker auf der Bühne. Ich habe allergrössten Respekt vor Gillan, Paice, Glover, Morse und Airey und dabei gehören meine Gedanken auch dem 2002 verstorbenen Gründungsmitglied Jon Lord. Wenn Deep Purple in Rente gehen wollen, so wäre das ok für mich, denn die Darbietung war sicher schwer in Ordnung, aber jetzt nicht das Highlight meiner Konzertbesuche und auf die Gefahr hin, dass ich es mir mit ein paar Musik-Freunden verscherze, wage ich zu behaupten, dass Deep Purple, zumindest für ihren Gig in Zürich, eigentlich eher das Prädikat mässig-kraftvoll bekommen sollten.
Steve Morse brilliert nebenamtlich bei Flying Colors und seine Gitarren-Arbeit scheint wie geschaffen dafür zu sein. Bei Deep Purple jedoch wiederholten sich die Gitarren-Parts und das machte Morse’s Gitarrenspiel ein wenig voraussehbar. Ausgenommen war sein Gitarren-Solo, das sich deutlich vom üblichen Gefrickel abhob und sich als ein musikalischer Leckerbissen entpuppte. Auch Don Aireys Hammond-Künste sind unbestritten und er ist wirklich ein sehr würdiger Ersatz für John Lord. Sein Keyboard-Solo konzentrierte sich glücklicherweise nicht auf die Hammond, sondern zeigte sein gesamtes Spektrum als erfolgreicher Tastenmann. Doch auch seine Solo-Passagen waren irgendwann mal ein wenig „too much“. Apropos Solo – da liess sich auch Ian Paice nicht lumpen und gab dem Publikum auch noch eine Solo-Darbietung. Und da kam noch mehr…
Gillan überzeugte mit einer fast tadellosen Stimme, die ab und zu in ein Gekreische abdriftete aber dennoch begeisterte. Wie schon erwähnt, mit 70 Jahren eine solche Leistung zu erbringen, ist alles andere als selbstverständlich und verdient grosse Anerkennung. Und dennoch bleibt ein fahler Beigeschmack. Mit einer jungen Band würde man sicherlich härter ins Gericht gehen als mit den alten Herren. Deep Purple haben nunmal diesen Longtime-Status der Rock-Götter und so mancher musikalischer Fehltritt am Abend sei ihnen verziehen.
Die wichtigsten Songs wurden gespielt und sicher hätte der eine oder andere ebenfalls im Repertoire Platz gehabt, aber bei der grossen Auswahl hatte die Band wohl die Qual der Wahl und schliesslich will man ja auch neues Material zeigen und sich nicht auf den Lorbeeren vergangener Tage ausruhen. Der Mix zwischen alt und neu passte gut und die Reaktion des CH-Publikums sprach letztendlich Bände.
Klar, dass zuletzt auch ein Bass-Solo nicht fehlen durfte und so hatten alle Bandmembers ausser Gillan ihre 2 Minuten Ruhm als Solisten und man sollte es den alten Herren gönnen, auch wenn ich der Meinung bin, dass weniger manchmal mehr ist.
Fazit: Deep Purple, Black Sabbath und Led Zeppelin haben was gemeinsam. Sie sind Legenden, Wegbereiter, Rock-Götter und man muss sie mindestens einmal im Leben live gesehen haben. Wer es in den 70ern nicht schaffte sollte es unbedingt nachholen, denn alles ist endlich…
Setlist:
1. Highway Star
2. Bloodsucker
3. Hard Lovin‘ Man
4. Strange Kind of Woman
5. Vincent Price
6. Uncommon Man
7. The Well-Dressed Guitar
8. The Mule (with Ian Paice Solo)
9. Lazy
10. Demon’s Eye
11. Hell to Pay
12. Perfect Strangers
13. Space Truckin‘
14. Smoke on the Water
Zugabe:
15. Hush (Joe South cover)
16. Bass Solo
17. Black Night
[Quelle: setlist.fm]
Text: Daniel Baratte
Bilder: Kathrin Hirzel