Dynamo – Zürich
Mittwoch, 6. Dezember 2023
Text: David Spring / Bilder: Berend Stettler
Rock’n’roll ist sexy. Eigentlich möchte man dies zwar kaum mehr glauben, wenn man sich die grossen Namen unserer Zeit heute so aus der Nähe anschaut, denn die Mick Jaggers und Slashes und Tommy Lees haben ihre besten Tage langsam aber sicher hinter sich. Doch gibt es zum Glück immer noch ein paar dieser Musiker, die nur eine Gitarre umhängen und sich auf eine Bühne stellen müssen, und automatisch allen Sexappeal dieser Welt verstrahlen. Zum Beispiel Danko Jones. Der bespielt zwar keine riesigen Stadien, doch wer vergangenen Mittwoch im Dynamo in Zürich war wird zustimmen, dass nicht viele den Rock noch immer so leidenschaftlich zelebrieren, wie es der sympathische Kanadier tut.
Die Vorgruppe Los Pepes musste auf Grund eines tragischen Todesfalls im Umfeld der Band leider kurzfristig absagen. Dafür sprang mit Seraina Telli ein mehr als hochkarätiger Ersatz ein. Der fette Rock der talentierten Sängerin und Gitarristin passte hervorragend zum heutigen Abend. Das Dynamo war von Beginn an gut gefüllt und Seraina und ihre beiden Mitmusiker:innen liessen nichts anbrennen. Gutgelaunt, äusserst cool und mit einem vorzüglichen Repertoire an geilen Rocksongs wurde uns ordentlich eingeheizt – oder zumindest vermeintlich. Denn irgendwann fiel auf, dass im Saal extrem viel gequatscht wurde. Augenscheinlich war es vom mehrheitlich männlichen Publikum immer noch zu viel verlangt, einer Frau auf der Bühne den nötigen Respekt zu zollen. Besonders offensichtlich wurde dies, als Seraina über die Förderung junger FLINTA-Menschen sprach, denen es genauso ermöglicht werden soll, auf einer Bühne abzurocken, wie Männer es seit Jahrzehnten tun. Die sehr verhaltene Reaktion des Publikums sprach Bände darüber, wie recht sie damit hat und wie wichtig es ist, dass wir Musikerinnen wie sie haben. Das Gejohle, als sie sich kurz darauf ihrer Jacke entledigte, war dann noch das Tüpfelchen auf dem sehr unangebrachten „i“.
Trotz diesem, etwas mühsamen, Beigeschmack aus dem Publikum liessen sich Seraina und ihre Band nichts anmerkten und gaben alles. Glorreiche Gitarrensolos, knackige Riffs, treibende Drums und grooviger Bass, die Band feuerte aus allen Rohren. Über allem stand Frau Tellis unglaubliche Stimme, mit ihrer beachtlichen Rockröhre könnte sie um ein Lockeres mit den Grossen im Geschäft mithalten. So zogen die drei während ca. 40 Minuten eine vorzügliche Show ab und bereiteten uns wundervoll auf das vor, was noch kommen sollte. Trotz allem gab es zum Schluss natürlich ordentlich verdienten Jubel und die Stimmung im Dynamo war bestens. Recht so, denn die Schweizer Rockszene darf sich geehrt fühlen, eine solch talentierte Künstlerin in unserer Mitte zu haben. Gerne wieder!
Und dann war es endlich so weit: Danko Jones und seine beiden Kumpanen betraten die Bühne ohne jegliches Brimborium und legten mit dem passenden «Guess Who’s Back» los. Wie nicht anders zu erwarten, machte das von der ersten Sekunde an unglaublich Spass. Der Sound war fett und druckvoll und auch im Publikum kam nun ordentlich Bewegung auf. Danko zeigte sich bald schon von seiner gesprächigen Seite und versprach uns bei der Begrüssung, dass er auch nächstes Jahr wieder hier spielen wolle. Am liebsten eigentlich jedes Jahr oder gar jeden Monat, solange wir ihn irgendwo auf eine Bühne lassen. «I’m In A Band» und das so grossartige wie simple «I Gotta Rock» forderten die Energie aller Beteiligten und trieben die Temperatur in die Höhe. Einfach unvergleichlich, wie diese Band abgeht und Spass macht.
Ein Song der auf keinem Danko Jones Konzert fehlen darf ist das fantastische «First Date». Hier drehten auf einmal wirklich alle durch und es ist jedes Mal wieder ein kleiner Gänsehautmoment, wenn 800 Menschen den legendären Refrain aus voller Kehle mitsingen. Um dem eingangs erwähnten Sexiness-Faktor gerecht zu werden, gab es darauf hin gleich noch das vorzüglich bekloppte «Legs», dem man natürlich einiges an fehlender Zeitgemässheit attestieren könnte, wäre es nicht so ein cooles Stück. Danko meinte davor sogar auch noch, dass sie das Lied schon lange nicht mehr gespielt haben und er darum ein paar Fehler nicht ausschliessen könne. Der gute Herr war heute bestens gelaunt und unterhielt uns köstlich. Die Lieder von Danko Jones eignen sich hervorragend um mitzusingen und die meist nicht sehr bedeutungsschwangeren Texte zu grölen. Wenn ein volles Dynamo unisono «I came here to fuck shit up» brüllt, dann macht das einfach Spass. Es folgte ein Brett nach dem anderen, ohne Verschnaufpause, ohne Rücksicht auf Verluste.
Mit «My Little RnR» war dann irgendwann das Ende erreicht und alle im Saal gaben zu diesem fantastischen Song nochmals jeden letzten Rest Energie. Natürlich folgten noch Zugaben, mit «Cadillac», «The Twisting Knife» und «Shake Your City» gleich drei deren, und Danko Jones bewiesen einmal mehr, dass sie unabdingbar zu den Besten ihres Fachs gehören. Augenscheinlich fühlen sich die drei auf Bühnen dieser Grösse am wohlsten mit einem verschwitzen, durchtanzten und glücklichen Knäuel Menschen vor ihnen, die ihnen aus der Hand fressen. Wer braucht schon die ganzen uralten Stadionpupser, wenn man sich von Danko Jones nach Strich und Faden durchrocken lassen kann? Dazu dann noch die grossartige Seraina Telli, die uns heute gekonnt einheizte. Und so war es einmal mehr ein wundervoller, lauter, schöner Konzertabend im Dynamo. Jederzeit gerne wieder!
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- Guess Who’s Back
- Get High?
- I’m In A Band
- I Gotta Rock
- Lipstick City
- First Date
- Legs
- Code Of The Road
- Good Time
- Sticky Situation
- Fists Up High
- Full Of Regret
- Had Enough
- Lovercall
- I Want You
- My Little RnR
Zugaben:
- Cadillac
- The Twisting Knife
- Shake Your City