Fri-Son – Fribourg
Samstag, 27. Mai 2023
Text: David Spring
Die Welt der harten Musik scheint oft sehr Europa- und USA-zentrisch. Die meisten unserer Lieblingsgruppen stammen aus westlichen Gefilden, viel zu selten trauen wir uns mal ein Bisschen weiter weg. Schade, denn da gäbe es so viel zu entdecken. Zum Beispiel die Post-Black-Metaller von Asunojokei oder die durchgedrehten Avantgarde-Noise-Rocker von Boris. Beide Bands stammen aus Japan und beide spielten letzten Samstag (extrem) lautstark im schönen, jubilierenden Fri-Son auf.
Die heiligen Freiburger-Hallen waren schon ordentlich gut gefüllt, als ein sanftes Piano-Intro erklang und die fünf Jungs von Asunojokei die Bühne betraten. Lange währte die Ruhe nicht. Der Opener «Heavenward» haute uns ein unglaubliches Brett um die Ohren. Sänger Daiki Nuno keifte und schrie wie eine Furie. Unglaublich, was der kleine, schmächtige Typ seinen Stimmbändern abverlangt. Lustig anzusehen war, dass sie hochkonzentriert spielten, denn Bewegung gab es erst kaum. Doch bevor jemand sagen konnte, die Band sei zu verkopft, drehten sie beim zweiten Song «The Sweet Smile Of Vortex» plötzlich komplett durch. Was für eine Freude, so viel Emotion und gewaltige Klänge, die auf uns niederprasselten.
Der Sound von Asunojokei liegt irgendwo im Black Metal, aber ist dafür komischerweise fast zu fröhlich. Die Gitarren-Hooks und Melodien waren nicht selten äusserst erhaben und episch. Viele Parts wirkten sowohl progressiv wie auch in einem düsteren Anime-Soundtrack zu Hause. Doch die rasenden Blast Beats, das wilde Tremolo-Picking und die meist furchteinflössende Stimme stellten immer wieder sicher, dass das Haupthaar der Anwesenden ordentlich durchgeschüttelt wurde. Die Musik forderte einiges, zum Beispiel «Thunder», das gar mit einem Off-Beat-Rhythmus daherkam. Doch wichtiger als sämtliche Genre-Spagate war die Tatsache, dass Asunojokei eine unglaubliche Show ablieferten. Man kam nicht umhin, mit solch erhabenen, frohgemuten, tiefschwarzen und durchgeknallten Songs mächtig Spass zu haben.
45 glorreiche Minuten später war Schicht im Schacht und es erklangen bald schon völlig andere Töne. Die legendären Boris haben in ihrer nunmehr über dreissigjährigen Karriere schon so viele Platten veröffentlicht (2022 gleich drei Alben: «W», «Fade» und «Heavy Rocks»), die alle unterschiedlicher nicht sein könnten. Schnell zeigte sich, dass die Zeichen ganz im Sinne des Rock’n’Rolls standen. Die ersten Songs «Anti-Gone», «Non Blood Lore» und «She Is Burning» hauten unglaublich rein. In bester Motörhead-Manier rumpelte die Band – auf dieser Tour zu viert unterwegs, mit Drummer und Mastermind Atsuo als Frontmann und Sänger – mit gnadenloser Lautstärke und ohne Rücksicht auf Verluste durch ihr Set.
Dass Boris auch anders können, als ungehemmt nach vorne dreschen, zeigte sich erstmal bei «Question 1» und erst recht bei «Nosferatou», die beide unter Einsatz von unwahrscheinlich viel Trockeneis vor sich hin dröhnten, langsam und vernichtend heavy. Dass eine Band so dermassen abrocken kann und dann kurz darauf zehnminütige Drone- und Noise-Klangbilder fabriziert, ist schier unglaublich. Doch ob es die fremdartigen Tänze von Atsuo waren, das crazy Doppelhals-Gitarre/Bass-Monster von Takeshi oder die dämonisch laut jaulenden Gitarrenverstärker von Riffmeisterin Wata. Boris lieferten eine grossartige und völlig durchgeknallte Show ab, wie man sie wahrlich nicht alle Tage erlebt.
Nach dem rastlos rockenden «Fundamental Error» und dem so lauten wie grossartigen «Loveless» waren wir mit «(Not) Last Song» nach etwas über einer Stunde am Ende angelangt. Dieser letzte Song ist harter Tobak, besteht er doch mehrheitlich aus monotonem Piano und schwer-verdaulichem Gejaule, bevor eine gefühlte 1000db-Drone-Walze alles vernichtet. Und weil es scheinbar nicht laut genug ist, wenn auch die innersten Eingeweide vibrieren, drehte die Zugabe «Farewell» während fast acht Minuten alle Regler noch weiter über die Grenze des Zumutbaren hinaus. Die Worte fehlen, unfassbar.
So ging ein mehr als denkwürdiger Abend zu Ende. Boris sind unvergleichlich, sowas habe ich selten erlebt. Stellenweise vielleicht etwas zu laut und chaotisch, doch der schiere Wahnsinn, den die Vier im Fri-Son versprühten, vermischt mit grosser Spielfreude und einem unverkennbaren Händchen für faszinierende Musik, machte dies zu einem Konzert für die Geschichtsbücher. Dazu noch die hervorragenden Asunojokei, deren etwas geradlinigere Show und grossartige Musikalität ebenfalls extrem überzeugten. Vielleicht ist in Japan alles tatsächlich etwas anders. Am Ende bleibt einmal mehr, dass uns Menschen nichts so sehr verbindet, wie guter Rock.
Setlist Asunojokei [Quelle: Setlist.fm]
- A Flower Is Not A Flower
- Heavenward
- The Sweet Smile Of Vortex
- Gaze
- Footprints
- The Forgotten Ones
- Diva Under The Blue Sky
- Thunder
- Chimera
Setlist Boris [Quelle: Setlist.fm]
- Anti-Gone
- Non Blood Lore
- She Is Burning
- My Name Is blank
- Cramper
- Question 1
- Nosferatou
- Blood Red
- HxCxHxC
- Kikinoue
- Fundamental Error
- Loveless
- (Not) Last Song
Zugaben
- Farewell