Dynamo – Zürich
Montag, 20. März 2023
Text: David Spring / Bilder: Rey Schulthess
Du dachtest immer schon, deine Band rockt ganz ordentlich und bringt die Leute zum Hüpfen? Deine Songs haben die Energie und das gewisse Etwas, um die Bude garantiert zum Einsturz zu bringen? Nun, ich rate in diesem Fall, all das sofort zu vergessen, und schleunigst ein Bloodywood-Konzert zu besuchen. Denn was die sechs durchgedrehten Jungs aus Neu-Delhi letzten Montag im Dynamo veranstalteten, wird fortan als neuer Massstab gelten, wie sehr man ein Publikum durchrocken kann.
Aber von vorne, denn bereits die Vorgruppe Lake Malice aus Brighton machte keine halben Sachen. Das Dynamo war schon ordentlich gut gefüllt, doch augenscheinlich waren viele erst etwas überfordert mit dem modernen, aggressiven Sound der Band. Es gab Jubel und Applaus, doch an Bewegung fehlte es noch etwas. Es war ja noch früh, ausserdem Montagabend. Umso mehr Energie kam jedoch von der Bühne, Sängerin Alice Guala sprang wie ein Irrwisch über die Bretter und schrie sich die Seele aus dem Leib. Mit mehrheitlich ruhig gesungenen Strophen und umso ruppigeren Refrains, fett groovenden Riffs und kreativen Electro-Parts und -Samples erinnerte der Sound von Lake Malice an Blood Command, was ausserordentlich gut gefiel.
Meine einzige Kritik ist, dass sich die Band etwas zu sehr auf Samples verliess. Jeder Song hatte mehrstimmigen Background-Gesang, der komplett ab Tube kam, obwohl ja neben Alice noch drei andere Musiker auf der Bühne standen. Mich reisst sowas immer etwas aus der Live-Atmosphäre raus… Egal, denn Lake Malice gingen auch so extrem gut ab und boten mit tollen Songs und massig Energie eine verdammt starke Show. Nach einer halben Stunde war das eingangs noch etwas ruhige Publikum auf jeden Fall bestens aufgeheizt und in Feierlaune.
Doch was danach folgte, entzieht sich jeglicher Vorstellungskraft. Bloodywood-Drummer Vishesh Singh und Dhol-Spieler Sarthak Pahwa betraten die Bühne und gaben den Beat an. Das ganze Dynamo klatschte brav mit, bis der Rest der Band erschien, sobald dann aber die ersten Klänge von «Gaddaar» ertönten, gab es kein Halten mehr. Einen so durchgedrehten, wilden, ausgelassenen und feierlichen Moshpit habe ich noch nie erlebt. Unbeschreiblich und fürwahr next-level, wie hier wirklich alle in der Halle – von zuvorderst bis ganz nach hinten – unfassbar abgingen.
Die beiden Sänger Jayant Bhadula und Raoul Kerr hatten die Leute fest im Griff. Mit unglaublich sympathischen Ansagen und mehreren wundervollen politischen und aktivistischen Aufrufen sprachen sie uns direkt aus der Seele. Speziell die Ansage zum Thema Sexuelle Gewalt vor «Dana Dan» liess kalte Schauer den Rücken herunterlaufen und sämtliche Fäuste in die Höhe schnellen. Mit Songs wie dem glorreichen «Aaj», dem etwas ruhigeren «Zanjeero Se» oder dem genialen «Jee Veerey», bei dem Gitarrist und Mastermind der Band, Karan Katiyar, seine sechs Saiten gegen eine Flöte austauschte, folgte ein Hit auf den anderen.
Verschnaufpausen waren an diesem Abend Fehlanzeige, Bloodywood verlangten uns alles ab, und genau das wurde auch gegeben. Mit dem brutalen «Machi Bhasad», der ultimativen Diversity-Hymne «Ari Ari» und der Reprise vom anfänglichen «Gaddaar» als Zugabe ging eines der wildesten, erhabensten und schönsten Konzerte zu Ende, dem ich seit langen beiwohnen durfte. Es ist wundervoll zu sehen, dass eine Band, die nicht aus den üblichen Musik-Märkten stammt, eine solch frenetische und wundervolle Fangemeinde um sich sammeln kann, einmal mehr ein Beweis dafür, dass gute Musik sämtliche Grenzen einreissen kann. Bloodywood waren eine absolute Macht, ich hoffe sehr, dass es bis zum nächsten Mal nicht zu lange dauern wird. Schliessen wir mit den wundervollen Worten aus dem Song «Ari Ari»: Ve teri meri ek jindadi – trotz aller Differenzen sind wir Eins.
Setlist Bloodywood [Quelle: Setlist.fm]
- Gaddaar
- BSDK.exe
- Aaj
- Dana Dan
- Jee Veerey
- Zanjeero Se
- Machi Bhasad (Expect a Riot)
- Ari Ari
Zugabe
- Gaddaar (Alternate Version)