blauespferd.ch
Angry Rabbit + Donots + Malewicz + Messed Up + Überyou + Fluffy Machine
Reitschule – Bern
Samstag, 27. Januar 2024
Text: David Spring / Bilder: Alain Schenk
Das Blaue Pferd 2024 startete am Freitagabend fulminant. Fünf hochkarätige Punkbands brachten die grosse Halle der Reitschule in Bern trotz eisiger Temperaturen zum Tanzen und Feiern. Umso grösser also die Vorfreude auf den zweiten Abend dieses schicken Festivals, denn abermals standen vorzügliche Gruppen aus der Welt des Punks und Hardcores auf dem Plan. Ein weiterer feucht-fröhlicher, wilder Abend war vorprogrammiert.
Den Auftakt machten die sympathischen Angry Rabbits. Zu Beginn waren zwar noch nicht viele Menschen in der unterkühlten Halle, doch die Band gab sofort alles. Ihr cooler Mix aus Punk und Garagen-Rock überzeugte schnell und ging wunderbar ab. Frontfrau, Gitarristin und Sängerin Melanie Curiger überzeugte mit ihrer fantastischen Stimme und ansteckender Leidenschaft. Das Set von Angry Rabbits machte Spass und überzeugte dank gehörig Attitüde und spielerischem Können. Auch Bassistin Fabienne Curiger sowie Gitarrist Roger Köppel durften je bei einem Song den Leadgesang übernehmen, was für viel Abwechslung sorgte. Echt stark, was diese Band hier zu früher Stunde ablieferte, ein hervorragender Start in den Abend.
Als nächstes ging es in die Westschweiz, denn nun waren Malewicz an der Reihe. Der rasante Faux-Punk der Band liess nichts anbrennen, zudem machten die sehr charmanten und witzigen Ansagen von Frontfrau Teo die Band augenblicklich sympathisch. Zurecht nicht ohne Stolz verkündete sie, dass ihr Deutsch dank Duolingo immer besser würde, und rüffelte sogleich ihre Bandkollegen, als diese sich auf Englisch mit uns unterhalten wollten. Noch viel witziger war allerdings das von Hand auf einen A4-Zettel gekritzelte Bandlogo, das an Stelle eines Backdrops hinter der Band hing, da man das richtige Banner zu Hause vergessen hatte. Doch trotz allem Humor waren es natürlich die grossartigen Songs von Malewicz, die vollends überzeugten und in der Reitschule immer mehr Bewegung aufkommen liessen. Zweifellos einer der geilsten und spannendsten Bands jenseits des Röstigrabens.
Mit Messed Up stand als nächstes die einzige komplett aus FLINTA-Menschen bestehende Band auf dem Programm. Das aus Belarus stammende Quartett legte mit extrem wütendem und aggressivem Sound heftig los. Musikalisch ist die Band feste im Riot-Grrrl-Punk zu Hause, jedoch durch die rabiaten Schreie von Sängerin Anastasiya «Nastya» Kapytok auch nahe am Hardcore dran. Und natürlich sind die Inhalte der Band keine leichte Kost, ist doch die politische Situation in ihrer Heimat so dermassen schwierig und gefährlich, dass die Band mittlerweile in Polen im Exil lebt. Diese Frustration und Wut spürte man der Band wahrhaftig an, an Intensität und Leidenschaft waren sie heute nicht zu überbieten. Nastya rannte wie wild über die Bühne und schrie sich die Seele aus dem Leib, ging mit der ersten Reihe auf Tuchfühlung und erinnerte nicht wenige in der Halle daran, wie gut wir alle es doch im Vergleich mit vielen Menschen auf dieser Welt haben. Entsprechend schnell kam Bewegung auf, denn zu den wundervoll lärmigen Songs und einer solch geballten Ladung Leidenschaft konnte man kaum stillstehen. Messed Up lieferten einen der wohl besten Auftritte des Festivals ab und hinterliessen einige offene Münder, genau, wie sich das gehört.
Und damit war es bereits Zeit für den heutigen Headliner: die unvergleichlichen Donots. Auch sie liessen nichts an Energie vermissen und brachten die nun endlich gut gefüllte Halle vom ersten Ton an zum Kochen. Frontmann Ingo Knollmann heizte die Meute ordentlich auf, doch niemand dreht auf der Bühne ab, wie sein Bruder Guido. Dieser sprang wie vom Affen gebissen über die Bühne, riss wundervolle Grimassen und gab zudem immer wieder seine unvergleichliche Piraten-Stimme zum Besten. Die Band aus Ibbenbüren feiert dieses Jahr ihr 30-jähriges Bestehen und der heutige Auftritt markierte den ersten dieses Jubiläumsjahres, entsprechend gutgelaunt war die Band. Die gute Laune war natürlich auch im Publikum spürbar und bei so viel Energie liess ein erster, riesiger Circle Pit nicht lange auf sich warten. Das Set erstreckte sich von alten Klassikern bis hin zu Songs ihrer aktuellen Platte «Heut ist ein guter Tag» und bot für alle etwas. Die Donots machen einfach alles richtig, von leidenschaftlichen Danksagungen an all die anderen Bands und das Festival bis hin zu amüsanten Stories aus der bewegten Geschichte der Band. Als dann im Zugabenblock zum obligaten Twisted Sister-Cover «We’re Not Gonna Take It» und dem abschliessenden «So Long» angestimmt wurde, gab es kein Halten mehr. Die Donots sind einfach immer wieder ein Garant für grossartige Shows. Was für eine Band.
Doch Schluss war nach diesem Highlight noch lange nicht und mit Überyou stand eine weitere hochkarätige Band auf dem Plan. Scheinbar lag ihr Sänger Ian mit 40 Grad Fieber im Bett und ihr Gitarrist Tom wurde am Abend zuvor Vater (herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle!), so dass man mit Chäspu von Back East und Stefano von Ruined kurzerhand zwei Ersatzleute an der Gitarre engagierte und den Gesang einfach unter den restlichen Bandmitgliedern aufteilte. Das soll ihnen mal jemand nachmachen. Die Jungs boten wie immer ein Fest, der Vollgas-Punkrock der Zürcher schlug ein wie eine Bombe. Dank der fortgeschrittenen Stunde war das verbliebene Publikum schon reichlich angeheitert, was wie am Vorabend bereits zu vielen witzigen Momenten vor der Bühne führte. Viel zu schnell war es wieder vorbei, doch Überyou liessen uns nicht ohne Zugabe gehen: Mit dem unwiderstehlichen «Don’t Stop Believin’» von Journey im Punkrock-Gewand war der Auftritt perfekt.
Wer nun denkt, dass damit schon fertig Schluss und Feierabend war, macht die Rechnung ohne Fluffy Machine. Die frohgemuten Walliser sprangen kurzerhand für die Stage Bottles ein, die ihren Auftritt am Blaues Pferd Festival leider krankheitsbedingt absagen mussten. So enterten die vier farbenfrohen Jungs zu später Stunde die Bühne und liessen ihren mit viel Humor und Leichtigkeit angereicherten Schrammel-Punk auf uns niederprasseln. Als irgendjemand aus dem Publikum seine Schuheinlagen auf die Bühne warf und Bassist Nicolas sich diese kurzerhand versuchte als Hasenohren zu montieren, sorgte dies nicht nur für viel Gelächter, sondern auch für angewidertes Kopfschütteln von Seiten seiner Bandkumpanen. Jemand skandierte dann auch noch voller Inbrunst «Ich bin eine Kartoffel» und es gab keinen Zweifel daran, dass Fluffy Machine den perfekten Abschluss für dieses Festival darstellten. Es folgte Hit auf Hit und voller Spielfreude, Spass an der Sache und dem Herz am rechten Fleck hätte es kein besseres Ende geben können.
Und damit war dann endgültig Schicht im Schacht und das Blaues Pferd Festival 2024 Geschichte. Es war ein wundervolles Fest mit hervorragenden, abwechslungsreichen Bands und auf ganzer Linie wundervollen Menschen. Danke an alle, die mithalfen und diese zwei Abende zu solch schönen, erinnerungswürdigen Momenten machen. Wie es viele Bands auch erwähnten, Orte der Subkultur, wie die Reitschule in Bern, müssen wir uns bewahren, da können wir und unsere Szene auch zurecht stolz drauf sein. Darum freuen wir uns schon jetzt auf nächstes Jahr, wenn das Blaue Pferd wieder in die Grosse Halle ruft. In diesem Sinne: alerta antifascista, danke und bis zum nächsten Mal!