
Aviana + The Gloom In The Corner + Diamond Construct + Atena
KIFF – Aarau
Sonntag, 23. November 2025
Text: Madeleine Fuhrer
Atena eröffneten den Abend im KIFF mit einer Intensität, die sofort klarstellte, dass der Sonntag alles andere als ein gemächlicher Ausklang werden sollte. Die Norweger, längst etabliert als Vorreiter eines elektronisch unterfütterten Metalcore-Sounds, verbanden Härte und Synth-Dramatik zu einer dichten, pulsierenden Einheit. Was auf Platte nach kontrolliertem Chaos klang, entfaltete sich live zu einer eigenen Dramaturgie: hart gezogene Breakdowns, dazwischen melodische Einsprengsel, alles getragen von einer unheimlichen Präzision.
Die Bühne blieb eher dunkel und genau in dieser Atmosphäre blühten Atena auf. Der Gesang wechselte mühelos zwischen harscher Direktheit und klaren Linien, während die Gitarren im Wechselspiel aus rhythmischer Wucht und feinen technischen Details das Fundament legten. Man spürte, dass Atena hier nicht bloss aufwärmten, sondern ganz bewusst ihren Ton setzten und ihre Haltung definierten. Wer gekommen war, um sich wachrütteln zu lassen, bekam bereits in den ersten Minuten, was er suchte. Es war ein Auftakt, der sauber zwischen wuchtiger Ernsthaftigkeit und moderner Klangästhetik balancierte. Atena bewiesen, dass sie auf europäischen Bühnen längst nicht mehr nur als Geheimtipp gelten sollten.
Diamond Construct übernahmen den Staffelstab und verschoben die Klanglandschaft des Abends spürbar Richtung Groove-Fokus und technischer Präzision. Die Australier wirkten von Beginn an wie ein kompaktes Kraftpaket, das weniger auf überbordende Dramatik setzte, dafür umso mehr auf eine dichte, schwer atmende Rhythmik. Ihr Mix aus modernem Metalcore, Djent-Elementen und elektronischen Akzenten entfaltete live eine enorme Power.
Die Australische Leichtigkeit drückte ebenfalls durch und betonte die Animation. Der Frontmann agierte fokussiert, fast kontrolliert aggressiv, was den Songs eine zusätzliche Ernsthaftigkeit verlieh. Besonders die abrupten Tempowechsel und die klar gesetzten Breaks liessen das Publikum immer wieder aufhorchen. Diamond Construct zeigten an diesem Abend, wie modern Metalcore klingen kann, wenn er seine Groove-DNA voll entfesselt. Es war ein Auftritt ohne Umwege und ohne unnötigen Ballast, eine präzise, pulsierende Demonstration dessen, was in diesem Genre möglich ist, wenn man Technik und Energie in perfektem Verhältnis mischt.
The Gloom In The Corner brachten danach eine völlig andere Schattierung in den Abend: cineastisch aufgeladener Metalcore, der sich zwischen erzählerischer Dunkelheit und brachialer Härte bewegte. Schon die ersten Klänge zeigten: Hier ging es nicht bloss um Riffs und Breakdown-Mechanik. The Gloom In The Corner arbeiteten mit Atmosphäre, mit Dramaturgie, mit überraschend melodischen Momenten, die sich wie kurze Lichtstrahlen durch die sonst massiv wirkenden Arrangements schnitten. Der Sänger etablierte sofort eine starke Bühnenpräsenz, mal klar und eindringlich, stets getragen von einer Band, die den Spagat zwischen Chaos und Struktur souverän meisterte.
Besonders auffällig war zudem, wie präzise die Band komplexe Songstrukturen live umsetzte – nichts zerfiel, nichts verschwamm. Ein Auftritt, der zeigte, dass Metalcore längst zur Kunstform geworden ist, wenn er so konsequent und atmosphärisch ausgeführt wird, wie hier.
Als Aviana die Bühne betraten, veränderte sich die Energie im KIFF erneut spürbar. Es wirkte, als hätte der Abend auf diesen Moment hingearbeitet: Göteborgs Modern-Metal-Genialität erschien im Halbschatten, umgeben von dichtem Nebel, und entfaltete sofort jene Mischung aus emotionaler Schwere und moderner Klarheit, für die die Band in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit erhalten hatte. Wo frühere Werke noch tiefer in djentige, progressive Strukturen eintauchten, präsentierte sich Aviana nun mit einem fokussierten, intensiven und atmosphärischen Sound, der live eine noch grössere Wirkung besass.
Bereits die ersten Songs wirkten wie ein Sog, der Publikum und Band gleichermassen erfasste. Die Produktionselemente, im Studio noch deutlich geprägt von Jeff Dunnes charakteristischer Handschrift, transformierten sich auf der Bühne in pure Körperlichkeit. Die Gitarren schnitten präzise durch den Raum, das Schlagzeug markierte jeden Übergang mit druckvoller Exaktheit und der Gesang – zwischen verletzlicher Klarheit und harscher Direktheit – trug die emotionale Last der Songs mit beeindruckender Präsenz.
Das Gesamtbild von Aviana war pure Faszination. Schlagzeuger, Gitarrist und Bassist waren in denselben Kleidern unterwegs und ihre Gesichter mit einer Maske verborgen, die Köpfe mit einer Kapuze abgedeckt. Die Lichtshow aus dem Hintergrund malte geniale Silhouetten und Bilder in den Raum. Definitiv ein Format, das nach mehr haschte. Die dynamischen Wechsel, die feine Balance aus Melodie und Härte, das Gespür für atmosphärische Räume – all das entfaltete sich live noch stärker, als es auf Platte bereits vermuten liess. Zwischen den Songs blieb die Band fokussiert, was ihre Wirkung nur verstärkte. Es war diese Mischung aus Distanz und emotionaler Offenheit, die den Auftritt so besonders machte. Die Musik sprach für sich. Modern Metalcore wurde hier nicht als Form, sondern als Ausdruck verstanden.
Aviana verstand es, Spannung zugleich aufzubauen und zu kontrollieren, und genau darin lag ihre Live-Stärke: Jeder Song erzählte eine Geschichte, jeder Ausbruch wirkte verdient, kein Breakdown war bloss Pflichtübung. Aviana liessen nichts anbrennen, blieben druckvoll bis zum letzten Ton und verabschiedeten sich ohne unnötige Inszenierung, denn die Musik hatte bereits alles gesagt. Der Auftritt hinterliess den Eindruck einer Band, die gerade erst begonnen hatte, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Aviana zeigten in Aarau nicht nur, wo sie klanglich standen, sondern wohin die Reise gehen wird. Ein Vorgeschmack auf die Zukunft, ein Kapitel, das man nicht überhören sollte.

