28. März 2018
Dynamo – Zürich
Bands: Avatar / Hellzapoppin / Old Kerry McKee
Ladies und Gentlemen, willkommen in der Manege des Zirkus der etwas anderen Art! Zum ersten Mal als Headliner unterwegs, beehrten uns die Göteborger Jungs von Avatar auch in Zürich. Mit im Gepäck: Ein melancholischer Schwede und ein Zirkus voller Freaks.
Old Kerry McKee, so nannte sich der Auftakt des Abends. Wer hier einen Amerikaner aus den Südstaaten erwartete, der lag falsch. Joakim Malmborg, wie der kauzig aussehende Mann mit langen Haaren, schwarzem Hut und tätowierten Armen richtig heisst, stammt aus Schweden. Und er ist wahrlich kein energetischer Frontmann, geschweige denn eine Frohnatur. Doch wer sich von der unscheinbaren Gestalt des Musikers nicht beirren lässt, den nahm Old Kerry McKee mit seinem in düstere Schatten gehüllten Americana-Folk-Blues auf eine halbstündige Reise durch einsame Gegenden und staubige Landstrassen. Eine Gitarre, ein selbst gebautes Schlagzeug und eine Mundharmonika – mehr brauchte der Schwede mit seinem Ein-Mann-Orchester nicht dazu.
Nimmt man sein 2011 erschienenes Album „Black Birds“ zum Anlass, scheint das darauf abgebildete Megaphon wohl so etwas wie sein Markenzeichen zu sein. Zwischen den Songeinlagen begab sich der Musiker immer wieder zu seinem Plattenspieler und liess knisternde Lieder im Stile der alten amerikanischen Volksmusik von 1920 erklingen. Mit schwermütiger Stimme besang Old Kerry McKee sein Publikum durch Songs über Einsamkeit, unerwiderte Liebe und dem Tod. Wer an jenem Abend bereits unter Trennungsschmerz litt oder sich in sonstigen emotionalen Tieflagen befand, dem konnte es durchaus passieren, dass die angestauten Gefühle spätestens jetzt vollends ausbrachen. Old Kerry McKee: Ein unscheinbarer Kerl mit fesselnder Stimme, authentischen Americana-Folk-Blues-Songs – und einem ordentlichen Hang zur Melancholie.
Bühne frei für den zweiten Act des Abends: Hellzapoppin! Normalerweise erklärt man an dieser Stelle, wie die Band heisst oder welchen Musikstil sie macht, doch nicht dieses Mal. Denn Hellzapoppin ist keine Metalband, sondern die grösste reisende Zirkus-Freak-Show der Welt. Eröffnet wurde die etwas andere Manege von Zirkusdirektor Bryce „The Govna“ Graves, der mit einer Feuerschluck-Einlage von der ersten Minute an für begeistertes Jubeln im Zürcher Dynamo sorgte. Warum die 2008 im texanischen Dallas gegründeten Hellzapoppin auch als Freak-Show gelten, wurde dem Publikum spätestens nach der Performance des zweiten Artisten Ryan Stock klar, der sein Gesicht inklusive der unteren Augenlider mit einer Metallvorrichtung präparierte, um dann nach und nach eine weitere Kuhglocke und schliesslich sogar eine Bowlingkugel dranhängen zu lassen. Wie ein Gesicht aussieht, das von einem derartigen Gewicht nach unten gezogen wird, davon konnten sich die überaus begeisterten und teilweise schockierten Zuschauer gleich selbst überzeugen.
Klar, dass für eine derartige Darbietung die herkömmliche Zirkusmusik nicht ausreichte. Deswegen setzten Hellzapoppin auf härtere Elemente von Künstlern wie Marilyn Manson oder Pantera. Wie in jedem anderen Zirkus auch, durfte natürlich die Assistentin der Artisten nicht fehlen. Bei den verrückten Amerikanern war dies jedoch keine ganze Frau, sondern bloss eine halbe in Form eines langhaarigen Typen namens Mikey in sexy Unterhöschen, Strapsen und mit einem zur Hälfte rasierten Vollbart im Gesicht.
Neben den abwechselnden Darbietungen von Mikey, Ryan Stock und Bryce Graves machten auch der kleinwüchsige, als Black-Metaler geschminkter und gestylter Nik Sin, sowie ein halber Mann ohne Beine namens Short E. Dangerously, kurz Shorty, der Freak Show alle Ehren. Nik Sin, indem er einen Luftballon schluckte, der länger als er selbst war oder sich Kopfüber an der Decke hängend aus einer Zwangsjacke befreite. Shorty begeisterte die Menge, indem er mit blossen Händen auf brennende Glasscherben sprang. „Now before I step on this glass, I’m sure everybody here will agree with me, I can‘t afford to loose any more bodyparts, right“, sagte der als Miniausgabe des Motörhead-Sängers Lemmy Kilmister durchgehende Amerikaner ironisch und heimste sogleich das Gelächter des sichtlich amüsierten Publikums ein. Seinen Abschluss fand der Zirkus der etwas anderen Art mit der Darbietung von Ryan Stock, der einen Rasenmäher im Mund balancierte und dabei kräftige Unterstützung der johlenden Menge erhielt. Hellzapoppin – ein wahrlich gelungenes Spektakel aus Freaks, menschlichen Kuriositäten und einer ordentlichen Portion Humor.
Doch egal wie unterhaltsam die Vorgruppen des Abends auch waren, der eigentliche Grund für das Erscheinen des Publikums war von royaler Bedeutung. Kein anderer als der König von Avatar Country, Jonas „Kungen“ Jarlsby, beehrte das Dynamo in Zürich mit seiner treuen Gefolgschaft, bestehend aus Sänger Johannes Eckerström, Gitarrist Tim Öhrström, Bassist Henrik Sandelin und Schlagzeuger John Alfredsson. Wie aufwändig es ist, ein Konzeptalbum richtig zu vermarkten, bewiesen die schwedischen Musiker von Avatar bereits mit der Veröffentlichung ihres neusten Werks „Avatar Country“, bei welcher sie aufwändig gestaltete Videos publizierten, in denen die florierende Wirtschaft des gleichnamigen, fiktiven Staates angepriesen wurde. Die Erhaltung dieser Illusion hielten sie auch bei ihrer Show in Zürich aufrecht. Dies in dem sie beispielsweise einen eigens konzipierten Staatsradio als Unterhaltung in der Umbauphase über die Lautsprecher verbreiten liessen. Natürlich ging es in den inszenierten Beiträgen hauptsächlich um die Verherrlichung des Königs.
Klar deshalb, dass dieser auch beim Auftakt der Show im Mittelpunkt stand. Nach pompösem Erklingen der Hymne von „Avatar Country“ fiel letztendlich auch der mit dem Landeswappen bedruckte Vorhang und gab den Blick auf den „einzig wahren König“, wie Sänger Johannes Eckerström zu sagen pflegte, frei. Auf einem goldenen Thron sitzend, hielt der König mit blonden Dreadlocks kein Zepter, dafür aber eine elektrische Gitarre in der Hand. Das Publikum jubelte und der Metalmonarch eröffnete die Show mit einem Solopart von „Legend of the King“. Nach und nach erschienen auch die übrigen Bandmitglieder und setzten mit ihren Instrumenten in das Lobeslied ein. Als schliesslich auch Fronter Johannes Eckerström mit seinem unverkennbar geschminkten Clown-Gesicht und der schwarzen Zirkusuniform die Bühne betrat, war die Manege des Wahnsinns komplett. Wie eine gewaltige Walze aus feinstem göteborgischen Melodic-Death-Metal, gepaart mit Heavy-Metal-Elementen, donnerte der Sound der fünf Schweden um die Ohren der Zuschauer. Avatar lieferten eine grandios durchdachte Bühnenperformance, die dank Sänger Johannes, der in Horror-Zirkus-Manier durch die Show führte, auf jeden Fall auch optisch etwas hergab. Klassiker wie „Bloody Angel“, „The Eagle Has Landed“, „Paint Me Red“ oder „Let it Burn“ sorgten dafür, dass es schlichtweg unmöglich schien, seinen Kopf nicht im treibenden Takt von Gitarre und Schlagzeug zu bangen.
Mit seinem energiegeladen Auftreten und der vielseitig einsetzbaren Stimme hatte Johannes Eckerström sein Publikum von Anfang an im Griff. Dies zeigte sich auch im lautstarken Mitbrüllen der Menge bei einzelnen Textpassagen von Hits wie „Hail the Apocalypse“ oder „Puppet Show“. Die Glaubwürdigkeit seines Auftretens unterstrich der theatralische Frontmann, indem er die Kommunikationssprache mit seinen Schweizer „Brüdern und Schwestern“ kurzerhand auf Deutsch wechselte. Dies jedoch nicht zur Freude all jener Leuten im Publikum, die kein Deutsch verstanden. „Mein Deutsch ist immer noch besser als euer Schwedisch“, kommentierte Eckerström den zynischen Kommentar einer Zuschauerin und sorgte damit für Gelächter.
So glorreich wie die Göteborger ihre Show begonnen hatten, so einzigartig wurde sie auch beendet. Im Zentrum stand dabei natürlich Seine Majestät, der König von „Avatar Country“, der mit seinem Daumen darüber richtete, ob das Publikum seine Liebe und Anerkennung verdient hat. Als der Daumen schliesslich nach oben zeigte, war der Jubel grenzenlos. In seinen roten Umhang gehüllt verabschiedete sich der König von seinem treuen Volk und verschwand hinter der Bühne. Auch die restlichen Bandmitglieder liessen es sich nicht nehmen, sich gebührend von ihren Zuschauern zu verabschieden.
Fazit: „Smells Like a Freakshow“ – und zwar eine, die es in sich hat! Die Metal-Combo aus Göteborg versteht ihr Handwerk und ihre Konzerte sind absolut sehenswert.
Text: Andrea Germann