14. Oktober 2017
Hameln (D)
Webseite: Autumn Moon Festival
Tag zwei startete zu einer Uhrzeit, zu der ich noch gemütlich vorab zu Mittag essen konnte. Das ist der Vorteil, wenn die Shows venuebedingt bis so spät in die Nacht gehen können. So machte ich bei meiner Ankunft direkt einen Schlenker in die schon recht gut gefüllte Rattenfängerhalle – zu X-Rx. Ich muss gestehen, dass ich damals schon kein Fan von ihnen war – und ich bin es auch immer noch nicht, aber einses muss man ihnen lassen: Sie sorgten für gut Stimmung. So brach ich dann zeitig zur Sumpfblume auf. Hier bewies Heldmaschine, dass eine Rammstein-Coverband auch richtig cool abrocken kann und ohne grosse Effekte, von dem Laserrucksack mal abgesehen, weiss, wie man das Publikum schon vom ersten Song an so richtig mitreisst. Entsprechend gut gelaunt ging es wieder hinüber zur Halle, wo die Mannen der Letzten Instanz aufspielten – gewohnt routiniert und durchweg sympathisch spielten sie hier ein eher rockiges Set.
Future Lied To Us in der Sumpfblume war für mich ein kleiner Geheimtipp, musizierten hier doch drei erfahrene Musiker, die sonst alle drei in anderen erfolgreichen Bands beheimatet sind, zum ersten Mal gemeinsam live auf der Bühne. Viele andere sahen das wohl genauso, denn die Hütte war gerammelt voll. Der Nebelmann gab wieder mal alles und die Band tat es ihm gleich. Bei Suicide Commando war ich ein wenig überrascht: Es gab keine allzu grausamen Bilder, die diesmal an die Wand geworfen wurden. Die Darbietung war routiniert wie immer – eine runde Sache. Was der Nebelmann bei Future Lied To Us schon andeutete, zelebrierte er zu den Merciful Nuns in Perfektion. Ich wurde doch sehr an die Auftritte der Sisters erinnert, nur dass hier der Sound deutlich besser war. So hab ich mich einfach mal hingesetzt, die Augen geschlossen, da man eh kaum etwas sah, und gedanklich in alten Tagen geschwelgt.
Nach so viel Rauch hatte ich mir einen kleinen Spaziergang vorgenommen – nämlich den zum Hemingways, um Beborn Beton zu feiern. Nachdem ich in der Unterführung einmal falsch abgebogen war, fand ich noch rechtzeitig ins erste Obergeschoss des Lokals. Die Band gab wirklich ihr Bestes – und das meine ich auch so, denn schon vom zweiten Song an hatte der Sänger massiv gegen den Schweiss zu kämpfen, der ihm von der Stirn aus regelmässig in die Augen tropfte. Es war wirklich warm, stickig und eng. Als die Menge nach dem Konzert nach einer Zugabe verlangte, kam ein ehrliches und erschöpftes „Muss ich?“ von den Lippen des Sängers – trotzdem spielten sie noch ein Stück. Das nenne ich doch mal Einsatz. Ein herzliches Dankeschön dafür.
Ein herzliches Dankeschön geht ebenfalls an den Wirt des Hemingways, der scheinbar über den Programmpunkt „Lesung mit Christian von Aster“ nicht sehr erfreut war. Autor und die Zuhörer mussten somit spontan improvisieren und fanden ein romantisches Plätzchen unter Bäumen an einer nahegelegenen Statue im Schein der Kirche. Ohne technische Hilfsmittel gelang hier eine Aktion, die ich in einer anderen Szene als der schwarzen so nicht erwartet hätte.
Auf dem Weg zurück zur Rattenfängerhalle fiel mir wiederholt auf, dass in der Fussgängerunterführung zwar einige wirklich gelungene Konzertfotos aushingen. Diese verschmolzen leider eher mit der grauen Wand der Unterführung und wurden entsprechend wenig vom Fussvolk beachtet, was ich recht schade fand. Dabei war die Idee im Kern wirklich gut. In der Rattenfängerhalle spielten Faun beschwingt ein wahrlich bewegendes Konzert – das letzte, bevor sie für einige Termine in die USA und nach Russland fliegen werden, um im Dezember auf deutschlandweite Acoustic Tour zu gehen.
Peter Heppner wird heutzutage immer noch gern auf Wolfsheim reduziert. Dabei ist er immer wieder als Gastmusiker neben verschiedenen und auch bekannten Musikergrössen zu sehen und zu hören. Was er diesmal bot, war gesanglich nicht schlecht. Vielleicht hätte man ihm aber einen Stuhl auf die Bühne stellen sollen, damit er nicht die ganze Zeit hinter dem Mikrofonständer stehen musste. Perfekt wäre es gewesen, wenn auch die Halle bestuhlt gewesen wäre, sodass man sich einfach hätte hinsetzen, die Augen schliessen und geniessen können.
Nebenan in der sehr gut gefüllten Sumpfblume spielten die The Beauty Of Gemina aus der Schweiz ein Set, das ähnlich dem ihrer letzten Konzerte war: beschwingt und bewegend. Eines meiner persönlichen Highlights des Tages. Meinen Abschluss fand ich bei den Schweden von INVSN, einem Sideprojekt des Sängers Dennis Lyxzén von Refused und The (International) Noise Conspiracy, was eigentlich keines ist. INVSN ist eher gemässigter Punk-Rock – wenn man das so schreiben kann. Was dieser Mensch da auf der Bühne abfeuerte, war der schiere Wahnsinn. Gottseidank war die Bühnendecke hoch genug, sodass weder Sänger noch Mikrofon Schaden nahmen. Auch stellte er mal kurzerhand einen der Monitore um. Einen derartigen Bewegungsdrang habe ich selten bei einem Sänger erlebt. Aber auch gesanglich wusste er mich zu überzeugen. Für mich der perfekte Abschluss dieses Festivals. – Halt, nein, nicht ganz. Vasi Vallis legte noch zur Aftershowparty auf, und so blieb ich noch ein Weilchen, um den Abend tanzend zu beenden und morgens um vier Uhr erschöpft, aber glücklich in mein Hotelbett zu fallen. Danke, Autumn Moon. Wir sehen uns nächstes Jahr gewiss wieder.
Bands: Barbar’O’Rhum / X-Rx/ Heldmaschine / Christian von Aster / Letzte Instanz / Future Lied To Us / Suicide Commando / Merciful Nuns / Beborn Beton / Faun / Heppner / The Beauty of Gemina / INVSN
Text + Bilder: Dietmar Grabs