Volkshaus – Zürich
Freitag, 27. Oktober 2023
Text: Adrian Portmann / Bilder: Manuela Haltiner
Es dauerte wahrlich eine lange Zeit, bis das englische Künstlerkollektiv wieder eine neue Tour bekanntgab. Nach der Pandemie war es dann endlich soweit und wir erhielten mit «Call to Arms & Angels» eine Platte vollgepackt mit Stücken, welche den bisherigen Alben mit nichts nachstanden. Doch die Vorfreude auf die kommende Tour von Archive wurde kurz vor dem Start getrübt, denn aus gesundheitlichen Gründen seitens Darius Keeler musste diese um ein Jahr verschoben werden. Kein Wunder also, dass die Vorfreude auf das Konzert am letzten Freitag gross war.
Doch zuerst war JoyCut aus Bologna dran, um eine würdige Einleitung zur Hauptband zu gestalten. Dies gelang auf ganzer Linie. Etwa 30 Minuten lang kamen die Besucher in den Genuss einer Verschmelzung natürlicher und synthetischer Klänge, die zum Träumen anregte. So gab es Momente, wo der Sound klang, als wäre er der futuristischen Welt von Ridley Scotts Film «Blade Runner» entsprungen. Manchmal vermischten sich Töne ähnlich rauschenden Regenfällen mit den verschiedensten elektronischen Nebengeräuschen zusammen. Der gezielte Einsatz verschiedenster Perkussionselemente war dabei besonders interessant anzuhören. Es war fast unmöglich stillzustehen, denn der Drang zur Bewegung durch die mitreissenden Drum-Beats war zu gross. Das Set bestand hauptsächlich aus instrumentalen Stücken. In einigen Momente übernahm jedoch Pasquale Pezzillo das Mikrofon und seine helle Stimme erfüllte den gesamten Saal. Zum Schluss folgte ein Stück mit sehr epischem Charakter. Schritt für Schritt wurde der Song aufgebaut und es folgten immer mehr Klangschichten. Da das Set nicht lange dauerte, kann nur gehofft werden, dass die Band bald selbst durch Europa tourt. Einen Besuch eines Konzertes dieser Band kann ich auf jeden Fall empfehlen.
Kurze Zeit später nahm das Warten ein Ende und ganz in Schwarz gekleidet betraten Archive die Bühne. Zur Einstimmung begannen sie mit dem ruhigeren Stück «Mr. Daisy». Direkt im Anschluss wurde die Lautstärk sowie das Tempo erhöht und ein Song nach dem anderen sorgte für mehrere Gänsehautmomente. Dabei war erkennbar, dass die erste Show-Hälfte hauptsächlich aus Songs bestand, bei denen Pollard Berrier als Leadsänger agierte. Mit seiner unvergleichlichen Stimme zog er die Zuschauer in seinen Bann. Wenn man sich die Zeit nahm, die einzelnen Musiker genauer anzusehen, stach Darius Keeler am meisten hervor. Der Keyboarder war ständig in Bewegung und strahlte eine unglaubliche Freude aus, die auf uns übersprang. Wer die Band kennt, weiss, dass sie in der Regel auf umfangreiche Interaktionen mit dem Publikum verzichten. So wurden die Applausmomente jeweils nahtlos mit dem nächsten Stück fortgesetzt. Nach einiger Zeit folgten dann «Bullets» und eine gekürzte Version von «Lights». Beide Stücke faszinieren besonders aufgrund ihrer Struktur. Die Songs bauen sich mit der langen Dauer kontinuierlich weiter auf. Wenn sie sich dann nach einiger Zeit entladen, entsteht eine Intensität sondergleichen. Dieser Effekt verstärkt sich umso mehr, wenn man sich entscheidet, währenddessen die Augen zu schliessen und sich nur auf die immer in Bewegung bleibenden Klänge zu fokussieren. Auf den Song «Controlling Crowds», welcher ebenfalls unglaublich vielschichtig aufgebaut ist, wurde dieses Mal verzichtet. Stattdessen folgte dann jedoch das 15 Minuten dauernde Meisterwerk «Daytime Coma». Mein persönlicher Favorit des neusten Albums entfaltete sich im Raum und es entstand viel Energie. Bei den sehr stillen Momenten des Songs war die Anspannung des Publikums zu spüren und kein störendes Gespräch war hörbar. Für genau solche tiefgründigen Songs liebt man Archive. Die neuste Platte stand im Mittelpunkt der Show und so folgte eine breite Auswahl der neuesten Songs. Mehrmals stiess dabei die Sängerin Lisa Mottram hinzu. Aber auch Dave Pen war in der zweiten Hälfte gesanglich immer präsenter. Während allen Songs konnte auch die Lichtshow überzeugen und fügte sich angenehm mit der Energie des Sounds zusammen.
Mit «Fear There & Everywhere» folgte ein Song, der besonders aufgrund des mehrstimmigen Gesangs live wunderbar anzuhören war. Als dann einige Zeit später die letzten Töne des Songs «Gold» verklangen, war der Jubel des Publikums immens. Nach einer kurzen Verschnaufpause kehrte die Band auf die Bühne zurück, und ein letztes Mal kam man nun in den Genuss eines weiteren alten Klassikers. «Again» war die einzige Zugabe. Da das Werk jedoch ganze 16 Minuten dauert, war es eine zufriedenstellende Wahl. Es war an der Zeit, auf Wiedersehen zu sagen. In Scharen verliessen alle das Volkshaus, hinaus in die regnerische Kühle. Es ist erstaunlich, wie es dieser Band von Tour zu Tour gelingt, dermassen zu überzeugen und nie das Gefühl einer Sättigung entsteht. Mein mittlerweile fünftes Archive Konzert war erneut ein eindrückliches Erlebnis und nun startet wieder die Vorfreude auf die nächste Gelegenheit, dieses Kunstwerk live anzuhören.
Setlist Archive [Quelle: setlist.fm]
- Mr. Daisy
- Sane
- Bullets
- Vice
- Lights (gekürzt)
- Conflict
- Daytime Coma
- Surrounded By Ghosts
- The Skies Collapsing Onto Us
- Take My Head
- The Crown
- Fear There & Everywhere
- Enemy
- The Empty Bottle
- Gold
Zugabe:
- Again