Datum: 9. März 2015
Ort: X-TRA – Zürich
Bands: Archive
Eine Leinwand mitten auf der Bühne? Ahnungslose legten ihre Stirn in Runzeln, als sie das Zürcher X-TRA betraten. Wer sich im Vorfeld informierte, wusste: Die ersten 40 Minuten würden ohne die Anwesenheit von Archive über die Bühne gehen, denn im Vorfeld gab es „Axiom“ zu sehen. Sozusagen den Film zum gleichnamigen Album.
Eine beklemmend-beeindruckende, aber auch verstörende und nachdenklich machende Flut aus bewegten Schwarzweissbildern ergoss sich in den ausverkauften Konzertsaal. Die doch recht komplexe und wirre Handlung von „Axiom“ hier zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Konzertberichts sprengen. Wer sich den Film ansehen möchte, der kann dies via YouTube tun.
Jetzt aber zum Konzert: Um 21.00 Uhr betraten die acht Musiker von Archive die Bühne und die ersten Klänge des Openers „Feel It“ erklangen. Der Song eröffnet auch das neue Album „Restriction“. Gleich zu Beginn gaben Archive den Tarif durch: Heute Abend wird gerockt. Wer sich eher auf die sphärische und mystische Seite der Band freute, rieb sich verwundert die Ohren. Nachdem Sänger Dave Pen zum ersten Mal den Schlachtruf „Feel It“ in das Mikro stiess, türmten sich die Gitarrenwände auf und die Drums stürmten entschlossen vorwärts. Der Funke war längst übergesprungen und das Publikum wurde gnadenlos in den Klangstrudel der Londoner mitgerissen.
Beim zweiten Song, dem elektronisch geprägten „Kid Corner“ (ebenfalls vom aktuellen Album „Restriction“), trat erstmals die Sängerin Holly Martin ins Rampenlicht. Eine sympathische, zierliche Persönlichkeit, deren Stimme eine so grosse Kraft und Intensität besitzt, dass einem vor Staunen der Mund offen bleibt. Sie war es, die bei den ruhigeren Klängen des Abends angenehme Schauer über den Rücken jagte und sich jeweils schüchtern lächelnd über den grossen Applaus freute, der ihrer Präsenz entgegen schallte.
Weiter ging es mit dem frenetisch bejubelten „You Make Me Feel“ aus dem zweiten Album „Take My Head“ mit seinem charakteristischen Wechsel aus kurzen, harmonischen Gesangsfetzen und sich abermals aufbäumenden Drum- und Gitarrengebilden. In diesem wilden und doch auf die Note genau durchstrukturieren Getöse fällt zum ersten Mal auf, wie glasklar der Sound abgemischt ist. Ich habe selten ein Konzert gehört, bei dem vom leisesten bis zum lautesten Ton absolut alles so sauber rüberkam. Kompliment an dieser Stelle an den Mischer. Auch optisch wurde nicht an Qualität gespart. Auf drei Screens wechselten sich Filmeinspielungen und Liveschaltungen auf der Bühne ab und bildeten den perfekten, visuellen Rahmen zur Musik von Archive.
Bei „Dangervisit“ erschien dann auch der dritte Sänger im Bunde: Pollard Berrier. Seine Stimme bildete die perfekte Mitte zwischen Holly Martin und Dave Pen. Eingerahmt wurden die drei von den beiden Gründungsmitgliedern und Masterminds Darius Keeler und Danny Griffiths an den Keyboards. Während sich Danny Griffiths auf der rechten Seite sitzend besinnlich und unauffällig den Tastenklängen widmete, tobte sich auf der linken Seite Darius Keeler stehend aus, in dem er bei den schnellen Songs wie ein Dirigent seine Arme und Hände wild herumwirbelte. Irgendwie sinnbildlich für seine Rolle, denn immerhin haben wir ihm und Griffiths zu verdanken, dass wir seit gut 20 Jahren in den Klangkosmos aus Electronica, Prog-Rock, Pop, Indie, Post-Rock und Trip-Hop eintauchen können.
Neue Stücke wechselten sich mit etwas älteren ab. Nur an die ganz alten traute sich Archive dieses Mal nur vereinzelt. Umso schöner, dass sie das sonst eher selten gespielte „Nothing Else“ vom 1996er-Deütalbum „Londinium“ aus der Versenkung holten. Nicht enden wollenden Applaus erntete der Klassiker „Bullets“. Von diesen Klassikern hätte man sich zwischendurch gerne den einen oder anderen mehr gewünscht.
Aber Archive blieben weitgehend bei neueren Klängen, die allerdings live eine so grosse Intensität entfachten, dass man bald wieder vergass, dass man zu Beginn eigentlich noch auf Lieblinge wie „Again“ oder „Fuck You“ gehofft hatte. Es waren Momente wie beim treibenden „Crushed“ oder „Violently“, als Sänger Dave Pen die Drumsticks ergriff und zusätzlich zu den donnernden Drums auf seine Tomtom-Drums eindrosch, die das Publikum an den Rand der Ekstase trieben. Und es waren Klanggewitter wie jenes des letzten Stücks „Numb“, das live ausgiebig zelebriert wurde und eine Wucht entfachte, die auf Tonträger niemals diese Intensität erreicht.
Dann verliess die Band die Bühne. Doch es war allen klar, dass sie nochmals zurückkommen würde. Das tat sie dann auch mit dem fast 20-minütigen „Lights“, das den Fans nach fast zwei Stunden nochmals alles abverlangte und eindrücklich unterstrich, warum Archive nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne musikalisch in einer eigenen Liga spielen. Das nächste Mal werden sie dies im kommenden Sommer am Gurten Festival unter Beweis stellen.
Setlist:
01. Feel It
02. Kid Corner
03. You Make Me Feel
04. Dangervisit
05. Black And Blue
06. Nothing Else
07. The Feeling Of Losing Everything
08. Bridge Scene
09. Bullets
10. Ruination
11. Crushed
12. Conflict
13. Violently
14. End Of Our Days
15. Third Quarter Storm
16. Ride In Squares
17. Ladders
18. Numb
Encore
19. Lights (Edited Version)
[Quelle: setlist.fm]
Text: Daniel Zehnder
Bilder: Kathrin Hirzel