27. Februar 2020
Bruch Brothers – Luzern
Bands: Arcaine / Alchemists
Ost und West stehen sich nicht selten unwohl gesinnt gegenüber, wie uns die Geschichte der Menschheit gelehrt hat. Für Anzeichen dafür muss man nicht einmal auf globaler Ebene suchen gehen, denn auch in der beschaulichen Schweiz ist dieser innere Konflikt allgegenwärtig, Die Unterschiede zwischen Ost und West sind in der Schweiz mannigfach. Seit jeher formt der bedrohliche Röstigraben einen vermeintlichen Bruch in der Einheit, welche die Helvetische Konföderation gerne darzustellen versucht. Das „Bourbine-Land“ gilt als organisiert, durchdacht, effizient und manchmal gar etwas engstirnig, das Welschland wiederum lebt und feiert die laissez-faire Attitüde, nimmt die Zeitplanung etwas lockerer, wähnt sich progressiv und wenn nicht sprachlich, dann doch kulturell offenherzig und weltgewannt.
Le rideau des Rösti, der Röstivorhang, wie unsere Landsleute im Westen den Kartoffel-Graben in leicht überspitzter Anlehnung an den Kalten Krieg, nennen, kann aber auch überwunden werden. So zum Beispiel, wenn sich auf zentral und neutral gelegenen Luzerner Boden zwei Bands auf einer winzigen Bühne treffen und da mit dem gemeinsamen Ziel, die Leute mit hochkarätigem, hochkomplexem Death Metal zu unterhalten, sämtliche Differenzen beiseitelegen. Mit Arcaine aus Chur und Alchemists aus Lausanne geschah an einem kühlen Donnerstagabend im Bruch Brothers genau das. Aus der Westschweiz wurde den musik-hungrigen Damen und Herren höchst komplizierter, Djent-lastiger Tech Death geboten, modern, verspielt und zerebral. Die Ostschweizer Abgeordneten wiederum führten dem Publikum traditionelleren Death Metal zu Gemüte, hart, leidenschaftlich und voller Spielfreude. Während die Lausanner mit achtsaitigen Gitarren und Bässen schier nicht nachvollziehbare Rhythmen und Akkordfolgen auf uns niederschmettern liessen, gab es von den Churern rasante Riffs, mehrstimmige Gitarren und schwer traktierte Nackenmuskeln.
Die Musik verband, denn die Freude daran, dem altehrwürdigen Genre des Death Metals neue Seiten und Facetten zu entlocken, brachte uns alle zusammen. Die Freude der Musiker auf der Bühne kannte keine Grenzen, dass beide Seiten das halbe Land durchquert hatten, um diese musikalische Volksverbindung im Herzen der Schweiz zu vollziehen, davon war keine Spur festzustellen. Und auch die Geniesser vor der kleinen Bühne goutierten diesen Effort stets durch artiges Jubeln, Kopfnicken und generelle Ausgelassenheit. Die Bündner riefen uns zum Durchdrehen auf, die Waadtländer brachten uns zum Staunen, Ost und West für einmal vereint. Und war der kartoffelne Vorhang manchmal gleichwohl ein wenig spürbar. Zum Beispiel, als die Lausanner schüchtern eingestanden, dass dies das erste Mal sei, dass sie auf der Bühne auf das alles verbindende Englisch ausweichen müssen, so standen die Gemeinsamkeiten bei weitem lauter, brachialer und intensiver im Vordergrund als alles andere.
Somit durften wir mit Alchemists und Arcaine zwei Bands bewundern, die aus verschiedenen Ecken des Landes stammen, die musikalisch an verschiedenen Punkten desselben Stils angesiedelt sind, die verschiedene Sprachen sprechen und die, trotz oder vielleicht auch gerade dank all dieser Unterschiede, nicht besser zueinander hätten passen können. Der Röstigraben war vergessen und überwunden, Ost und West kamen zusammen und die paar wenigen Menschen, die diesem schönen Abend in Luzern beiwohnten, durften am eigenen Leib, Herz und Gehör erfahren, dass wir am Ende des Tages alle dasselbe wollen. Denn miteinander ist es einfach schöner als gegeneinander.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
ARCAINE
1. As Life Decays
2. Still Alive
3. Relentless
4. Tyrants
5. Toxic Mankind
6. Rebuild
7. Dream
8. Void
ALCHEMISTS
1. Flamel
2. Frontiere
3. Oma trees
4. Osvominae
5. Satyre from Hubris
6. Arya
7. About Amber
Text: David Spring