Datum: 28. Oktober 2015
Ort: Komplex 457 – Zürich
Bands: Apocalyptica / Tracer
Drei Cellos, ein Schlagzeug – und das kann tatsächlich Metal sein? Die Antwort lautet: Ja! Die Rede ist von der finnischen Cello-Rock/-Metal Band Apocalyptica. Auf ihrer „Shadowmaker“ Tour, benannt nach dem neuen Album, gastierten die Finnen am Mittwoch, 28.10.15 im Komplex 457 in Zürich. Mit dabei hatten sie nicht nur ihre aktuelle Scheibe, sondern auch den australischen Supportact Tracer.
Der Sound des Trios Tracer aus Adelaide, bestehend aus Sänger und Gitarrist Michael Brown, Bassist Jett Heysen Hicks und Drummer Andre Wise, lässt sich am ehesten als eine Mischung aus Grunge und Stoner Rock beschreiben. Tracer
gaben ordentlich Gas und Fronter Michael Brown versuchte immer wieder, die Zuschauer zum Mitmachen zu animieren. Ausser ein paar spärlichen Klatschern hie und da, sowie einigen müden Kopfbewegungen, konnte die Truppe dem Publikum leider nicht abgewinnen. Irgendwie schade, denn musikalisch gesehen waren die Jungs von Tracer wirklich gut und auch an der Bühnenperformance gab es nichts auszusetzen.
Nach sieben Songs war die Show der Australier vorbei und gesamthaft schien es zumindest so, als wurde mit Tracer ganz einfach die falsche Vorband für die Zuschauer von einer Band wie Apocalyptica gewählt.
Und dann „Lichter aus!“ Von Dunkelheit umhüllt hörte man nur das leise Plätschern von Regentropfen, welche den Auftritt des Hauptaktes ankündigten. Bühne frei für Apocalyptica! Das Licht im Saal verfärbte sich rot und schemenhaft erkannte man bereits die Gestalten der drei Cellisten Eicca Toppinen, Paavo Lötjönen und Pertu Kivilaasko, sowie dem Schlagzeuger Mikko Sirén. Lauter Begrüssungsjubel ergoss sich über die Finnen.
Der Abend wurde mit zwei Instrumentals „Reign Of Fear“ und „Grace“ gestartet. Die vier Finnen zeigten sich gut gelaunt und steckten damit umgehend auch das Publikum an. Paavo Lötjönen animierte die Zuschauer immer wieder mit vielversprechender Mimik, was teilweise gar etwas komisch wirkte aber dennoch seine Wirkung nicht zu verfehlen schien. Die Besucher und der Komplex wärmten sich kontinuierlich immer weiter auf und die zuvor schläfrige Stimmung schlug ziemlich rasant in das Gegenteil um.
Beim dritten Song des Abends „I’m Not Jesus“, welcher ursprünglich von Slipknot & Stone Sour Frontmann Corey Taylor eingesungen wurde, erhielt das Quartett erstmals Unterstützung durch den neuen Apocalyptica- Sänger Franky Perez. Das Zusammenspiel mit dem neuen Mann im Boot funktionierte tadellos. Franky beherrschte die neuen Texte genauso wie die alten und lieferte gesamthaft eine solide Performance ab. Mit dem Stück „House Of Chain“ aus dem neuen Album „Shadowmaker“ sowie dem nächsten, älteren Titel „Not Strong Enough“ ging es direkt weiter, ehe Franky wieder von der Bühne verschwand.
Mit „Master Of Puppets“ wurde dem Publikum wieder ein Instrumentalsong der Extraklasse geboten. Ein weiterer Instrumental Hit folgte mit „Inquisition Symphony“, der die Zuschauer aufjubeln liess. Bei den härteren Teilen der Songs schwangen Eicca und Pertu ihre langen Mähnen jeweils wild hin und her. Danach folgte eine kurze Umbauphase und als die Bühne wieder in schwachem Licht erstrahlte, befanden sich Pertu, Eicca und Paavo näher dem Bühnenrand. Die zarten Klänge ihrer Cellos liessen den Song „Bittersweet“ erkennen. Gekonnt strichen und zupften die drei Finnen an ihren Cellos, während die meisten Zuschauer gebannt an ihrem Bogen hingen. Gänsehautfeeling pur!
Während Apocalyptica den klassischen Hit zum Besten gaben, wurde im rechten Teil der Bühne ein kleines Schlagzeug aufgebaut. Als das nächste Stück „Harmaggedon“ angespielt wurde, befand sich Drummer Mikko an eben jenem kleineren Drumset, welches direkt neben den Stühlen der vier Cellisten stand. Pertu Kivilaasko legte sein Cello gegen Ende des nächsten Stückes, eines der ältesten der Band (Name leider nicht bekannt), auf den Boden um in Sägebewegungen darauf weiter zu spielen, ehe er sich ganz, mit dem Gesicht nach unten, hinlegte und die Zuschauer mit Daumenzeichen fragte, ob ihnen die Show denn gefällt. Mit lautem Jubel wurde diese Frage gleichauf bejaht.
Mit dem nächsten Song wird auch Franky Perez wieder auf die Bühne geboten und „Hope“ wird den Besuchern souverän, wie jeder Song bis anhin, präsentiert. Anschliessend verschwanden Eicca, Pertu, Paavo und Franky von der Bühne und es folgte das gekonnte Drumsolo von Mikko. Das Schlagzeug befand sich derweilen immer noch auf der rechten Seite der Bühne. Mit schnellen Rhythmen lockte er die Zuschauer aus der letzten Reserve, die Stimmung im Komplex 457 war bombastisch genial! Durch eifriges Mitklatschen signalisierten die Konzertbesucher Mikka ihre volle Unterstützung. Anschliessend folgte eine minimale Pause, in welcher das kleinere Drumset geräumt wurde. Als die Bühne wieder in warmes Licht getaucht war, befanden sich die Cellisten sowie Franky oberhalb des Schlagzeuges und dieser hielt eine kurze Dankensrede.
Gleich darauf folgten bereits die nächsten Stücke „Riot Lights“ und „Shadowmaker“ und der Schmuse-Song „Hole In My Soul“ lieferte eine gehörige Portion an Kuschelrock. Mit dem Metallica-Klassiker „Seek And Destroy“ heizten die vier Finnen die Stimmung weiter an. Gegen Ende des Songs stellte sich Eicca Toppinen kurzerhand vor das Schlagzeug und drosch mit seinem Cello-bogen unaufhörlich in die Felle.
Nun sollte der Hit „In The Hall Of The Mountain King“ folgen, die Cellisten lockten schrille Töne aus ihren Instrumenten, ehe sich Pertu vor die Menge stellte und in Englisch mit finnischem Akzent die folgenden Worte sprach: „In Switzerland you have this certain song when you wash, you know, your below part.“ Gekicher im Saal. „I should perform it to you!“ Gespannt blickten die Besucher zur Bühne, sich fragend was jetzt wohl kommen würde. Diese Frage wurde sogleich geklärt, als Pertu mit seinem Cello die Schweizer Nationalhymne zum Besten gab. Dieser Moment sorgte mit Sicherheit für die lautesten Lacher des gestrigen Abends. Zögerlich begannen die Schweizer ihre Nationalhymne zu singen und es schien, dass der Text bei den Wenigsten von ihnen wirklich sass. Paavo schien davon ziemlich überrascht und versuchte die Menge mit Handzeichen zum stolzeren Singen zu animieren, was aber nicht wirklich Früchte trug. Nach dieser kurzen Extraeinlage spielten die Finnen schliesslich das zuvor angestimmte Lied „In The Hall Of The Mountain King“ mit Bravour zu Ende.
Als Zugabe zum Schluss, folgten noch die beiden Hits „I Don’t Care“, ursprünglich vom ehemaligen Three Days Grace Sänger Adam Gontier eingesungen, sowie die Krönung des Abends „Dead Mans Eyes“. Das Publikum bedankte sich mit lautem Applaus, Jubel und Teufelshörner bei den Jungs von Apocalyptica für die geniale Show. Diese verbeugten sich kurzerhand vor ihren Fans, nicht ohne dem Versprechen, bald wieder in die Schweiz zurückzukehren und verliessen daraufhin die Bühne.
Apocalyptica bewiesen eindrücklich, wie individuell und genre-übergreifend Musik sein kann und bescherten den Konzertbesuchern eine Show der Meisterklasse. Die drei Cellisten, Eicca, Pertu und Paavo sowie Drummer Micca und Sänger Franky bezeugten klar, welch geniale Musiker sie wirklich sind. Auch der Vorband Tracer muss man viel Lob aussprechen, denn die drei Australier rockten die Show wirklich professionell, obschon das Publikum schwer zu begeistern war.
Setlist:
01. Reign of Fear
02. Grace
03. I’m Not Jesus
04. House of Chains
05. Not Strong Enough
06. Master Of Puppets (Metallica Cover)
07. Inquisition Symphony (Sepultura Cover)
08. Bittersweet
09. Harmageddon
10. Hope, Vol. 2
11. Riot Lights
12. Shadowmaker (mit Schlagzeug Solo)
13. Hole in My Soul
14. Ludwig – Wonderland
15. Refuse/Resist (Sepultura Cover)
16. Seek And Destroy (Metallica Cover)
17. In The Hall Of The Mountain King (Edward Grieg Cover)
18. I Don’t Care
19. Dead Man’s Eyes
Text: Andrea Germann
Bilder: Kathrin Hirzel