28. – 29. Juli 2018
Tanzbrunnen – Köln
Webseite: Amphi Festival
SAMSTAG
Die Festivalsaison nimmt auch in diesem Jahr ihren Lauf und so habe ich am 28. und 29. Juli 2018 die 14. Auflage des am Kölner Tanzbrunnen stattfindenden Amphi-Festivals besucht. Schon am Freitag vor der Veranstaltung konnte man sich beim Call The Ship To Port bestens auf das heisse Juli-Wochenende einstimmen mit Eisfabrik, Covenant und Suicide Commando. Wer an jenem Freitag nicht zu viel gefeiert hatte, schaffte es am Samstag auch pünktlich aufs Amphi-Gelände und konnte dort die ersten Bands genießen.
Als sich um die Mittagszeit an diesem Samstag die Türen zur Theaterstage öffneten, strömten schon die Fans von Future Lied To Us in die klimatisierten Räumlichkeiten, um Vasi Vallis (Frozen Plasma) und Tom Lescenski (:[SITD]:) zu lauschen. Der dritte im Bunde, Krischan Wesenberg (Rotersand), war leider verhindert. Dennoch bestritt die Electro-Supergroup ohne diesen, mit einer Mischung aus eingängigem Electro-Future- und Synthpop, einen fulminanten und fanbegeisternden Auftritt.
Weiter ging die musikalische Reise mit Kiew, die schon eine ganze Weile nicht mehr auf den grösseren Bühnen zu sehen waren. Coole 8-Bit-Mucke, die da präsentiert wurde und mich stark an das erinnerte, was damals aus meinem C=64 und später aus meinem Amiga kam. Genug der elektronischen Klänge, ab an die Mainstage zu Unzucht, die passend zum neuen Album dort live ihre Fans bespielten. Natürlich feierten selbige das am Vortag veröffentlichte fünfte Album «Akephalos» und die Live-Versionen von «Nela» und «Nur die halbe Wahrheit». Fünfzig Minuten Bühnenzeit waren für die Fans der Hannoveraner Kombo schnell um – alle anderen dürfte die Show an das erinnert haben, was die Band auch sonst abliefert. Kurzum: Kein überaus geschichtsträchtiger Unzucht-Auftritt, eben «das Übliche».
Früher Abend und der Weg führte mich nach einigen alkoholfreien Kaltgetränken (man musste bei der Hitze ja seinen Durst regelmässig löschen) wieder ins Theater. Diesmal zu Centhron, die an diesem Samstag ohne ihre Keyboarderin auskommen mussten. Aus persönlichen Gründen musste diese der Bühne fern bleiben und wurde durch einen männlichen Kollegen an den Tasten ersetzt. Harte Electrobeats luden zum Tanzen ein; das Publikum feierte. Einige konnten die Show leider nicht mit ansehen, da bereits zu dieser Zeit ein Einlassstopp verhängt werden musste. Schade für all jene, die nicht ins Theater konnten. Für mich war der Auftritt in Ordnung, musikalisch werden Centhron es aber nicht in meine persönliche Top-5-Liste schaffen.
Und schon sind wir bei – nicht nur meinem – persönlichen Tageshighlight angekommen: Aesthetic Perfection heisst die Band und sind stets ein Garant gut gelaunter Industrial Pop-Musik, bei der man einfach nicht stillstehend zuschauen kann. Mit Joe Letz an den Drums und Elliot Berlin am Keyboard rockte Daniel Graves über die Bühne und bezauberte vom ersten Beat an die Masse. Joe warf diesmal keine Drums um, vielleicht auch deswegen weil er in den vergangenen Tagen von einer Tageszeitung als weiblicher Drummer fehlbezeichnet wurde. Von «The Great Depression» bis hin zum N*Sync-Cover war auf der Setlist des sympathischen Amerikaners alles dabei was Partylaune macht.
Passend zur Albumveröffentlichung zeigten sich auch Mono Inc. im neuem Look auf der Amphi-Bühne. Karl Fornia war es dabei sichtlich heiss unter seiner Kutte. Von der ersten Reihe aus konnte man sehen wie ihm das Wasser scheinbar unter der Hutkrempe hinablief. Auch hier gibt es wenig besonderes zu berichten: Typischer Mono Inc.-Auftritt mit typischen Kata Mia-Refraingesängen. Summa sumarum: Ein solider, fanerquickender Auftritt der Band um Sänger Martin Engler.
Jugenderinnerungen wurden dann mit OMD wach, die auf der Mainstage alle Anwesenden im Nu verzauberten. Vom ersten Lied an ging die Menge total mit, es wurde getanzt, gesungen und man konnte auch hin und wieder ein Lächeln in den Gesichtern des Publikums entdecken. Gerne dürfen Andy McCluskey und Co. wieder in den Tanzbrunnen kommen. Das Glück war mir bei der Gruppeneinteilung hold, sodass ich noch schnell zu Midge Ure ins Theater hinüber laufen konnte, um dort seine Show zu erleben. Er lieferte eine wirklich riesige Show und hat sich damit Respekt verdient. So wie ich das sehe, können sich viele der aktuellen Stars noch eine Scheibe von ihm abschneiden. Natürlich durften auch die Klassiker von früheren Midge Ure-Bands Ultravox und Visage in der Setlist nicht fehlen.
Wo OMD und Midge Ure mich noch begeisterten, riss ASP mich nicht sonderlich vom Hocker. Vielleicht habe ich ihn auch einfach nur schon zu oft live erlebt. Für mich schwang hier auch wieder ein «Ach, das selbe wie immer» mit. Den Fans hat es zumindest gefallen und das was am Ende zählt. Zumindest der Einsatz von Pyrotechnik bei Lied 1 und 3 hat gefetzt.
SONNTAG
Guten Morgen Sonntag: Direkt nach einem guten Frühstück stand ich wieder rechtzeitig auf dem Konzertfeld. Den persönlichen Einstand machte die Heldmaschine. Die Band kann man wohl ruhigen Gewissens als Rammstein-Coverband mit eigenen Songs bezeichnen – und wie sie es machen, klingt es richtig gut. Das Set der Band endet regelmässig mit dem Song «Weiter» – und natürlich liess es sich der Sänger der Band, René Anlauff, auch diesmal nicht nehmen sich währenddessen auf den Händen der Fans weit hinaus über das Publikum tragen zu lassen. Anschliessend hiess es: Schnell rüber aufs Schiff, das wegen Niedrigwasser wieder weit entfernt stand und ich aufgrund der knappen Zeit, statt des regelmässig verkehrenden Pendelbusses, das Taxi nehmen musste. Die 9 Euro Taxigeld waren gut investiert, denn die dort aufspielenden Rroyce haben mir förmlich die Schuhe ausgezogen. Schade, dass die drei Jungs den frühen Opener-Slot und nicht eine spätere Zeit bekommen haben. Dennoch: Die Qualitäten der Bands scheint sich bereits herumgesprochen zu haben und so war das Boot bereits gut gefüllt. Die Band um Sänger Casi trat hier das erste mal Pyro-Effekten auf, an denen sich der Fronter sogar während der Performance leicht an der Hand verbrannte. Typisch im Konzertablauf von Rroyce begab sich Casi zu «Run,Run,Run» ins Publikum und führte selbiges vor und zurück. Das gab schon Gänsehaut, als sich das Boot in diesem Moment bewegte.
Elektronisch weiter ging der Tag auf dem Tanzbrunnen mit Solar Fake. Auch diese wussten vom ersten Moment an das Publikum zu bewegen. Der Stimme des sympathischen Sängers Sven Friedrich konnte man sich einfach nur schwer entziehen und André Feller an den Keys gab wiedereinmal alles.
Wow, das waren gleich drei sehr gute Bands am Stück und gleich zu Anfang.
Der Weg ins Theater war mir bereits jetzt schon aufgrund der sehr langen Warteschlange verbaut. So blieb ich an der Mainstage und sah mir Agonoize an. Chris L. hatte heute wohl nicht seinen besten Tag. Er kam schon ziemlich mies gelaunt auf die Bühne, zerstörte innerhalb der ersten Sekunden einen Baseballschläger an einer Tonne und kickte im Verlauf seines Sets mehrere dieser Tonnen durch die Gegend. Nach den ersten Songs zog er dann seine Weste aus. Darunter kam ein Shirt mit der Aufschrift «Sorry, no blood for you» zum Vorschein. Dennoch wurden einige Spritzer verteilt, was vom Publikum mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Man kann Agonoize das Blut verbieten, so wie fürs Amphi angedacht, aber Chris wird sicher immer einen Weg finden, doch ein wenig des roten Nass unter die Menge zu bringen. In dem Fall mussten die Oomph!-Fans, die sich schon vorzeitig in die vordersten Reihen geschoben haben, eben einfach mit durch.
Oomph! Ein sehr durchgestylter Dero begab sich auf die Bühne, lieferte eine solide Show ab, schlug auf seine beiden Trommeln, welche seit längerem fester Bestandteil einer jeden Show sind, und sang sich die Seele aus dem Leib. Wobei auch hier die Sache mit dem „zu oft gesehen“ oder „haben ewig nichts mehr an ihrer Show geändert“ zutrifft. Den Fans gefiel es sehr; den normale Zuschauer sah eine runde und solide Show.
Danach war Headlinerzeit: Wenig überraschend, weil bereits seit einem Jahr angekündigt, enterten And One die Bühne. Steve Naghavis Gerede und seine Zwischenkommentare hielten sich diesmal in Grenzen. Dennoch: Ein And One-Auftritt ohne Skandälchen ist kein And One-Auftritt. Und so tat er etwas, was er nach eigenen Worten schon immer mal machen wollte: Er liess das sich in Partystimmung befindende Publikum laut die Buchstaben A.D.O.L.F nachbuchstabieren. Dies sorgte direkt im Anschluss nicht nur für ungläubige Gesichter, sondern auch für eine sich anschliessende handfeste Social Media-Kontroverse. Abgesehen davon, war Herr Naghavi echt zahm, wirbelte wie üblich über die Bühne und beendete sein Set pünktlich. Die Menge hat die Songs sehr gefeiert, bei mir blieb das Headlinerfeeling leider an diesem Abend aus.
Text + Bilder: Dietmar Grabs
SAMSTAG
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