22.-23. Juli 2017
Amphi Festival – Köln
Webseite: Amphi Festival
Zum insgesamt zwölften Mal fand das Amphi Festival im Herzen Kölns statt. Nach einigen Schwierigkeiten bei der letztjährigen Rückkehr zum Tanzbrunnen drehten die Veranstalter an einigen Stellschrauben und lieferten ein wirklich tolles Festivalerlebnis für die Freunde der dunklen Szenemusik. Nachdem sich 2016 zahlreiche Leute über Zugangsstopps an der Theaterbühne beschwerten, wurde das Einlasskonzept überdacht – mit Erfolg: Probleme mit Überfüllung gab es nur bei Frozen Plasma, sonst lief organisatorisch alles glatt.
Was keine Selbstverständlichkeit war: Denn nun machte der niedrige Wasserstand am Kölner Rheinufer den Organisatoren einen Strich durch die Rechnung. Die MS RheinEnergie, Schauplatz der „Orbit Stage“ und damit der dritten regulären Bühne, musste aus Sicherheitsgründen auf die andere Rheinseite verlegt werden. Dies bedeutete mit 20 bis 25 Minuten einen deutlich längeren Weg zur Bühne als ursprünglich geplant. Kurzfristig organisierte Shuttlebusse sorgten für einen möglichst reibungslosen Transport der Besucher. An dieser Stelle ein grosses Lob an den Veranstalter dafür. Die Entfernung zwischen Tanzbrunnen und Schiff war Fluch und Segen zugleich: Die Besucherzahlen an der Orbit Stage blieben meist überschaubar – allerdings waren bei den Konzerten auch nur diejenigen vor der Bühne, die an der Musik wirklich interessiert waren. So entstand unter anderem bei den Gigs der Post-Rocker Esben And The Witch, der Isländer Synth-Rock-Band Legend und den beiden Dark Wave-Legenden Kirlian Camera und Clan Of Xymox eine ganz spezielle, intime Atmosphäre. Die einwandfreie Akustik auf der MS RheinEnergie tat hierbei ihr Übriges. Den inoffiziellen Titel „Held des Wochenendes“ verdiente sich eindeutig Henric De La Cour, der trotz einer Blutvergiftung den Weg von Schweden nach Köln antrat und seine Fans nicht enttäuschte.
Das Herz des Festivals schlägt aber seit jeher am Tanzbrunnen. Und auch dort wurde einiges geboten. Newcomer und Szene-Grössen gaben sich die Klinke in die Hand. Stilistisch war das Programm einmal mehr extrem breit gefächert: Mitteralterliche Klänge von Tanzwut und Letzte Instanz, Electro-Industrial von Lucifer’s Aid und Hocico, Neue Deutsche Härte von Eisbrecher und Stahlmann, Apokalypse-Dark Ambient bei einem der raren Live-Auftritte von Near Earth Orbit und vieles mehr wurde geboten – und so richtig enttäuscht hatte eigentlich niemand.
Einige emotionale Highlights und spezielle Momente hatte das Amphi 2017 natürlich ebenfalls zu bieten: Bei seinem Headliner-Auftritt mit VNV Nation hörte Frontmann Ronan Harris einfach mittendrin plötzlich auf zu singen – nur um einige Fans vor der Bühne darauf aufmerksam zu machen, dem Rollstuhlfahrer hinter ihnen doch bitte freie Sicht zu ermöglichen. Des Weiteren ist es immer wieder schön, wenn Tausende Goths lautstark den NDW-Klassiker „Major Tom“ intonieren – dem tollen Cover von Apoptygma Berzerk sei Dank. Auch die Ansage von Torben Wendt von Diorama zum Tod des Sängers von Linkin Park sorgte für leichte Gänsehaut. So beschlossen sie auch einmal „andere Gefühle zu bedienen“ und nahmen spontan „Over“ mit in die Setlist auf. Wie sagte Torben so schön: „Musik hilft“.
Und eine echte „Familienzusammenführung“ gab es zum Festivalabschluss am Sonntagabend im Theater: Electro-Allrounder Daniel Myer scherte zahlreiche Sänger befreundeter Bands um sich und ließ so manch alten Haujobb- und Destroid-Klassiker von Größen wie Eskil Simonsson (Covenant), Sven Friedrich (Solar Fake), Jean-Luc De Meyer (Front 242), Boris May (Klangstabil) oder Andy LaPlegua (Combichrist) singen.
Das Amphi Festival 2017, welches an jenem Wochenende 12’500 Besucher anzog – einfach ein tolles Festival. Und der Termin für die nächste Ausgabe steht natürlich schon: Im nächsten Jahr werden Tanzbrunnen und MS RheinEnergie am 28. und 29. Juli erneut in Tiefschwarz erstrahlen.
Besucher:
Samstag:
Sonntag:
Text + Bilder: Dietmar Grabs