8. Mai 2018
KIFF – Aarau
Bands: Amenra / Myrkur
Dienstagabend. Das Wetter ist warm und wäre durchaus verlockend für eine gemütliche Runde am Fluss mit Bier in der Hand. Doch halt, es gibt noch etwas, das mehr lockt als «dolce far niente». Im Schmelzofen-Saal des KIFF geben sich die beiden Metal-Top-Shots Amenra und Myrkur die Ehre. Der Abend verspricht ein Fest für Aug und Ohr zu werden.
Vor dem Eingang sammelt sich bereits zu früher Stunde eine grosse Anzahl an düster gekleidetem Volk. Myrkur scheint ihren Spot im Vorprogramm auch durch gute Besucherzahlen zu bestätigen. Mit im Gepäck hat die Dänin (Amalie Bruun mit bürgerlichem Namen) ihre beiden Longplayer und eine EP. Also doch so einiges an Material.
Das Konzert beginnt dunkel. Folkloristische Klänge hallen durch den Saal. Verhüllt durch Kapuze betritt die Instrumentalfraktion das Feld. Myrkur gesellt sich bald dazu, und so vollzieht die Truppe mit The Serpent ein erstes Mal den Spagat zwischen Folk und Black Metal.
Die Visualisierungen sind dezent, es bleibt fast das ganze Konzert hindurch zappenduster. Einzig die Armada an Strobos durchbricht die Finsternis gelegentlich. Mit engelsgleicher Stimme lockt sie mehrere hundert Besucher in ihren Bann. Odin, hol mich nach Hause. Nach anfänglicher Begeisterung schwindet die Publikumszahl gegen Mitte des Konzerts jedoch beträchtlich. Auch ich selbst werde von der Stimmung angesteckt. Die erwarteten Ausflüge in ihre alten Tage, in welchen der Black Metal auch einmal dominierte, werden nur marginal angeschnitten. Schade. So endet ein fulminant gestarteter Abend in einer Rauchpause vor den Toren von Walhalla.
Während der Qualm in die Lüfte steigt, kommt jedoch sofort Vorfreude auf die Belgier von Amenra auf. Der Eintritt in den Saal wird schon am hinteren Ende zum Geduldsspiel. Es wird klar, wer heute Abend das Sagen hat. Mit der Menschenmenge dicht aneinander spürt man auch ohne Musik bereits ein Knistern. Nach kurzem Besuch an der Theke wird sich unters Volk gemischt. Kaum am Platz, wummert Amenra mit einem Intro, welches nochmals zusätzliche Vorfreude beschert.
Die ersten beiden Songs werden stark von den Akustikparts dominiert, die Visualisierungen immer im Hintergrund. Noch bleibt der Wow-Effekt aus. Dies ändert sich allerdings mit dem vierten Track „Diaken“. Ein musikalisches Post-Metal-Gewitter wird dem Publikum entgegengeschleudert. Die Kinnlade fällt ein erstes Mal ins Bodenlose. Colin van Eeckhout schreit mit einer Intensität, die seinesgleichen sucht. Der Rest der Band zeigt Synchron-Headbangen in Perfektion. Bei Olympia wäre das die Goldmedaille. Stark.
Je länger das Konzert dauert, umso mehr bleiben die Augen geschlossen und umso mehr wird die Matte geschüttelt. Ein Fest für jeden Musikliebhaber. Zu keiner Zeit kehrt Langeweile ein, es wird zwischen brachial und träumerisch hin- und her geschraubt. Als mit „Golden Nail“ der letzte Punkt des Konzerts erreicht ist, möchte man am liebsten einfach stehen bleiben und in Ehrfurcht verharren. Die Band verschwindet typisch ohne Zugabe von der Bühne.
Ansagen? Nö, wieso auch? Es wurde alles gesagt. Nach intensivem Wildern am toll hergerichteten Merchandise-Stand begebe ich mich zum Ausgang. Es folgen ein intensiver Austausch und ein identisches Fazit. Amenra haben von A-Z überzeugt und verbleiben bei vielen mit Garantie noch eine ganze Weile im Gedächtnis.
Text: Gianluca Teofani