Uristier + Fuckadies + Tight Finks + The Monofones + Skaladdin + Failed Teachers
Reitschule – Bern
Freitag, 20. Oktober 2023
Text: David Spring / Bilder: Alain Schenk
Selten hat die Schweiz eine Punkrock-Show erleben dürfen, wie sie vergangenen Freitag im Dachstock und im Rössli der Reitschule Bern stattfand. Ganze sechs Bands beehrten ein ausverkauftes Haus, und dabei nicht einfach irgendwelche dahergelaufenen Gruppen, sondern das Beste, was die Punk-Szene von Bern und Umgebung in den letzten geschätzt 30 Jahren so hervorgebracht hat. Grund für die Sause war ein schlichter Aufruf von Reitschule-Legende Ruedi, dem man natürlich anstandslos Folge leistet. Mit dem passenden Titel «All My Friends Are In Bands» durfte Grosses erwartet werden.
Los ging es sowohl mit einer Legende wie auch einer Enttäuschung. Uristier, die Punklegenden aus Sigriswil eröffneten den Abend im winzig kleinen Rössli. Da heute aber der Dachstock ausverkauft war, hiess das, dass im Rössli nur ein Bruchteil der Leute Platz fanden. Der Rest musste draussen warten. Zugang nach oben wurde uns verwehrt, was aus sicherheitspolitischen Gründen sicher verständlich war, aber halt auch sehr schade, denn drinnen schien am frühen Abend schon eine wilde Party abzugehen. Vom Hören-Sagen kann berichtet werden, dass Uristier heftig rockten und eine tolle Show ablieferten – schade, aber auch selber schuld, wenn man zu spät ankommt.
Dann aber ging es rein und schnell wurde klar, wie viele Leute heute hier waren. Als auf der grossen Bühne die noch grösseren Fuckadies loslegten, war der Dachstock schon sehr gemütlich (an-)gefüllt und das Fest konnte starten. Der «buttsmacking rock’n’roll» der Band ging vorzüglich ab und es kam schnell Bewegung auf. Da auch diese Band schon seit Ewigkeiten ihr Unwesen treibt, gab es im Laufe der Zeit einige Besetzungswechsel. Für den aussergewöhnlichen Abend heute waren sich die Fuckadies darum nicht zu schade, sämtliche vergangenen Bandmitglieder aufzubieten, so dass immer mal wieder neue Gesichter auf der Bühne erschienen. Zum abschliessenden Misfits-Cover «Where Eagles Dare» spielten alle Sechs mit. Was für eine Freude und rückblickend mein heimliches Highlight des Abends – The Fuckadies, was für eine Band!
Zu erwähnen, dass nun eine weitere legendäre Schweizer Punkband an der Reihe war, ist eigentlich hinfällig. Doch auch die Tight Finks, die nun die Bühne enterten, gehören seit so vielen Jahren unabdingbar in unsere Szene, dass alles andere inadäquat wäre. Die drei Jungs haben offensichtlich in den 30 Jahren ihrer Karriere nichts verlernt und lieferten eine schnörkellos fette Show ab. Für mich waren die Drei auch das nostalgische Highlight des Abends, sah ich die Band doch bereits mit gefühlten, zarten 15 Jahren zum ersten Mal. Die Leute drehten beim schicken und überraschend fetten Pop-Punk der Tight Finks merklich durch. Passend zur Reitschule wurde irgendwann beim Mischpult eine Leuchtpetarde gezündet, die der Halle das letzte bisschen Sauerstoff entzog. Eine einzige Freude war es, so viele tanzende und durchdrehende Menschen auf einem Fleck zu haben.
Weiter ging es mit den wundervollen Monofones. Wenn man am heutigen Line-Up etwas bemängeln möchte, dann, dass fast ausschliesslich ältere Herren auf der Bühne standen. Zum Glück aber nur fast, denn Sängerin Miss O.O zeigte uns allen, wo der Hammer hängt. Das Trio ging mit ihrem rastlosen, schrammligen Punkrock wunderbar ab und machte ordentlich Spass. Mit wenig Gelabere, dafür umso mehr Abwechslung und Energie lieferten The Monofones ein weiteres Highlight ab, einfach vorzüglich, wie viele tolle Bands heute zugegen waren. Die ungestüme Bühnenpräsenz der Drei schwappte auf jeden Fall schnell auf das Publikum über, das auf Grund der bereits fortgeschrittenen Stunde ohnehin schon sehr gut angeheitert war und feierte, was das Zeug hielt.
Fertig war es zu bereits später Stunde noch lange nicht und es standen uns nach Mitternacht immer noch zwei Bands bevor. Als nächstes gab es einen wahrlich einzigartigen Auftritt, denn nun stand niemand Geringeres als die vielleicht grösste Schweizer Ska-Punkband aller Zeiten zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder auf der Bühne: Skaladdin! Ja und was soll man sagen? Die Jungs wussten noch immer, wie man die Leute fest im Griff hat und ordentlich abgeht. Dafür, dass es die Band wirklich schon lange nicht mehr gibt, klang das ordentlich solide und fett aus den Boxen, vor allem machten all die grossartigen Songs, mal rasant punkig, mal zurückgelehnt und cool, einen Heidenspass. Sogar die Bläser überzeugten, was im Ska-Punk ja auch nicht immer der Fall ist. Skaladdin machten alles richtig und liessen wohl den einen oder anderen Hoffnungsschimmer aufkommen, dass dieser Auftritt vielleicht doch wieder zu neuem Leben in der Band führen könnte. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Da bisher nur Bands aus Bern und Umland spielten, war klar, dass der Abschluss von einer Gruppe aus Luzern gemacht werden musste. Doch sind wir ehrlich, gibt es eine legendärere Kapelle in der Schweiz als die Failed Teachers? SRF-Ex-Oberlehrer Dominic Deville begrüsste uns freundlich mit den Worten «wir sind die einzige Band, die nicht aus Bern ist, darum seid ihr uns scheissegal». Das konnte heiter werden. Es folgte ein musikalisches Gemetzel der Extraklasse. Dass man diese beiden Wahnsinnigen um 02:00 Uhr morgens noch auf eine Bühne lässt, grenzt an mutwillige Körperverletzung, aber was für eine Freude es war. Die Lehrer bemerkten selbst, dass ihr Klassiker «Homosexual Hero» vielleicht nicht mehr ganz zeitgerecht sei, dafür zerstörten sie daraufhin den Evergreen «I Promised Myself» von Nick Kamen in einer katastrophalen Version, wie nur sie das können. Und natürlich durfte der Song, nach dem der ganze Abend benannt war, nicht fehlen: «All My Friends Are In Bands». Irgendwann meinte Benji dann, dass es wohl besser ist, wenn sie jetzt aufhören, woraufhin uns die Failed Teachers noch «Heavy Metal Rules» um die Ohren hauten und somit ein unfassbarer, wilder, lauter und absolut legendärer Abend zu Ende ging.
Es brauchte danach mehrere Tage, um sich von diesem Abend zu erholen, doch war es jede vernichtete Hirnzelle, jeden Piep Tinnitus und sämtliche schmerzenden Gliedmassen wert. Danke an Ruedi und alle Menschen der Reitschule für diesen unvergesslichen Abend, auch wenn man sich nur schwer daran erinnern kann. Es war eine Freude und die Schweizer Punk- und Rock-Szene bewies einmal mehr, dass sie einfach unschlagbar, vor allem aber unkaputtbar ist.