Acht Eimer Hühnerherzen + Snotty Cheekbones
Werk21 – Zürich
Samstag, 30. September 2023
Text: David Spring
Und ständig dieser Lärm… So viel Spass es auch macht, wild im Pogopit herumzutanzen und sich die Seele aus dem Leib zu brüllen, während uns auf der Bühne eine durchgeknallte Musikgruppe alles abverlangt, gut für die Ohren ist ein Punkkonzert auf keinen Fall. Doch Ausnahmen gibt es zum Glück, zum Beispiel die vorzügliche Band Acht Eimer Hühnerherzen. Diese nämlich sind feste im Punk zu Hause, bedienen aber ausschliesslich akustische Gitarren – eine wahre Freude für das geschundene Gehör.
Wie es der Zufall wollte, spielten die drei Berliner:innen vergangenen Samstag just im Werk 21 in Zürich, was man sich freilich nicht entgehen lassen durfte. Zum Auftakt gab es trotzdem noch ordentlich verzerrte Gitarren, laute Verstärker und tollen Punkrock, und zwar von niemand Geringerem als den Snotty Cheekbones. Die vier Jungs liefen gemütlich einer nach dem anderen aus dem Publikum auf die Bühne, gesellten sich an ihre Instrumente und los gings. Der Sound der Band erinnerte an US-Punkrockgrössen wie die Descendents – vielleicht einfach, weil der Sänger dem legendären Milo Aukerman nicht unähnlich sah. Mit viel Charme und rasanten Songs, die das Rad nicht neu erfanden, aber richtig gut abgingen, konnten die Winterthurer die bereits zahlreich anwesenden Fans im Werk 21 schnell überzeugen.
Ebenfalls sympathisch war die Ansage, dass es sich hier um einen Safe Space handle und dass wir bitte alle aufeinander aufpassen sollen. Solche kleinen Statements sind immens wichtig und helfen enorm, um das Konzert für alle zu einem Vergnügen werden zu lassen – da dürfte sich noch die eine oder andere Band eine Scheibe von den Snotty Cheekbones abschneiden. Die vierzig Minuten Set gingen wie im Flug dabei, es wurde ordentlich gefeiert und Songs wie der entspannteste Anti-Nazi-Song aller Zeiten, «Idiot Parade», oder das fette Hardcore-Brett «F.U.C.K.» machten richtig Laune. Einfach schön, wie viel tolle Musik es in unserem kleinen Land gibt.
Dann war es aber soweit und Bene Diktator, Herr Bottrop und Apocalypse Vega enterten die Bühne, um nach jedem der ersten paar Songs festzustellen, dass der Bühnensound mal so gar nicht ihren Ansprüchen genügte. Eine weniger charmante und redegewandte Band als Acht Eimer Hühnerherzen hätte sich hier wohl bereits einige Sympathiepunkte verspielt. Doch die Diskussionen, deren Auswirkungen für das Publikum freilich überhaupt nicht festzustellen waren, trugen viel zum allgemeinen Amüsement bei. Natürlich taten dies auch die hervorragenden, rasant vorgetragenen Songs der Band. Die so cleveren wie verbosen Texte der besonnenbrillten Apocalypse Vega, der rumplig, knackige Nylonsaiten-Bass von Herrn Bottrop und die rastlosen Punkdrums von Bene Diktator – das alles ging unfassbar geil ab. Und zugegeben, es ist ja schon lange nicht mehr so, dass man eine akustische Gitarre nur ganz ohne Effekte spielen kann, denn was Vega ihren sechs Saiten zum Teil für Geräusche entlockte, war eine wahre Freude.
Das Set umspannte alle drei der bisherigen Acht Eimer Hühnerherzen Alben und beinhaltete Hits wie «Somnambulismus», «Futur 25» oder das glorreiche «Zack Zack Zack». Dazu gesellten sich auch ein, zwei brandneue Songs wie «Nackt am Rand» oder «Aktuell». Herr Bottrop nahm dies jeweils zum Anlass, uns daran zu erinnern, dass sie einen Song heute zum allerersten Mal in Zürich spielen würden, wobei egal war, ob es wirklich ein neues Lied war oder einfach der Tatsache geschuldet, dass sie bisher noch nie in Zürich gespielt hatten. Genau der kuriose, aber extrem charmante Humor des wundervollen Herrn Bottrops. Den grössten Lacher allerdings verdiente er sich, als er in katastrophalem Englisch feststellte, dass sie ja best friends mit Motörhead seien.
Die Stimmung im Werk 21 war ausgelassen und wild, es wurde gepogt und mitgesungen, als ob es kein Morgen gäbe. Das machte tierisch Spass und auch der Band war anzumerken, dass sie sich auf der gemütlichen, kleinen Bühne sehr wohl fühlten. Nach ganzen vier Zugaben und insgesamt knapp dreissig Songs war irgendwann leider das Ende erreicht. Dass es nicht noch in alle Nacht weiterging, lag wohl nur daran, dass Apocalypse Vega sich eines Besseren besann und etwas auf ihre arme Stimme achten wollte. So war das Werk 21 um einen wundervollen, legendären Konzertabend reicher. Acht Eimer Hühnerherzen sind so genial, wie sie einzigartig sind. Mit grossartigen Songtexten, wundervollen Lied-Unikaten, grenzenloser Spielfreude und unvergleichlichem Humor gehen die Drei in die Geschichtsbücher ein. Was für ein Abend, was für eine Band.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- Sartre
- Patientenverfügung
- Somnambulismus
- Strasse der Gewalt
- Zement
- Endlich fluchen
- Händy
- Quittenbrause
- Gesellschaftstanz
- Nackt am Rand
- Futur 25
- Alles etwas übertrieben
- Zack Zack Zack
- Eisenhüttenstadt
- Zoni
- Aktuell
- Kerosin
- Zahlen
- Mittelmass
- Genug
- Hautproblem
- Nicht schlafen
- Kozmic Schlüsseldienst
Zugaben
- Requiem
- Sonntagslied
- Farben
- Tränengas