20. Juni 2018
Halle 622 – Zürich
Bands: A Perfect Circle / Black Peaks
Da ist „Eat The Elephant„, das erste Studioalbum seit 14 Jahren. Mit dem wohl hässlichsten Cover der letzten 14 Jahre. Da ist ein Foto- und Filmverbot an Konzerten von A Perfect Circle, über das sich einige wundern. Warum eigentlich? Einer der besten Songs des neuen Albums heisst „Disillusioned“ und dessen Video zeigt unmissverständlich, welche Haltung Maynard James Keenan und Billy Howerdel gegenüber Smartphones haben. Da ist das ewige Warten auf Tool. Und wieder: Warum eigentlich? Es ist ja nicht so, dass es keine tollen neuen Bands gäbe. Vielleicht enttäuscht deshalb ein neues Album die immensen Erwartungen, die sich bei einigen aufgebaut haben. Das ändert jedoch nichts daran, dass „Eat The Elephant“ unter dem Strich ein ziemlich gelungenes Album ist.
Eröffnet wird der Abend vom englischen Support Black Peaks aus Brighton, die ihrem progressiven Posthardcore irrwitzige Dynamikwechsel zumuten und sich – genauso wie der Sound – zunehmend steigern. Sänger Will Gardner wechselt dabei gekonnt zwischen Gekeife und Kopfstimme und treibt sich selber permanent über die Bühne. Mehr als eine solide Vorband und das bereits zahlreich anwesende Publikum reagiert entsprechend. Keine Ungeduld, keine Zurückhaltung. Viele haben so lange auf ein Wiedersehen mit A Perfect Circle gewartet, dass es auf diese eine Stunde nicht mehr ankommt.
Deren Bühnenaufstellung ist denn auch keine Überraschung: Keenan bleibt mit Perücke verkleidet konsequent im Halbdunkeln, steht leicht erhöht auf einem Podium – seiner Präsenz tut das keinen Abbruch. Eher im Gegenteil. Manchmal hat man bei seinem Vortrag und seinen Texten tatsächlich das Gefühl, er habe sich längst zusammen mit den Delfinen vom Planeten Erde verabschiedet. Keenan ist ein sehr variabler, grossartiger Sänger und seine prägnanten und teilweise sehr direkten Texte sind eines der Kernelemente von A Perfect Circle. Ohne ihn funktioniert diese Band nicht. Das weiss Billy Howerdel und das weiss wohl auch fast jeder in der prall gefüllten Halle 622. Das Alternative-Revival zieht sehr viele Menschen an. Und irgendwann hört man auf, die gesichteten Tool-Shirts zu zählen.
Der glasklare Gesang von Keenan steht im Vordergrund, während dem schlecht abgemischten Schlagzeug zum Glück nur selten der Punch fehlt. Phasenweise klingen A Perfect Circle dadurch etwas wie mit angezogener Handbremse, beispielsweise im ansonsten grossartigen “The Outsider“. Das ist aber durchaus verkraftbar, da sich die Band vor allem auf Songs des neuen Albums konzentriert, unter anderem das für viele eher stossende “So Long, And Thanks For All The Fish“ spielt, das aber eigentlich nur eines ist: Ein verdammt guter Popsong mit ironisch-bösem Text und der eindeutigen Absicht zu polarisieren. Wie auch auf dem Album ist “TalkTalk“ das Highlight von “Eat The Elephant“, am meisten mitgesungen wird bei “The Hollow“ und A Perfect Circle können es sich sogar leisten, auf einige Klassiker wie “Judith“ oder “Orestes“ zu verzichten. Einziger Wermutstropfen: Anstatt “Pet“ spielen sie das weniger überzeugende “Counting Bodies Like Sheep To The Rhythm Of The War Drums“.
Aber auch das ändert nichts an einem tollen Konzertabend einer Band, die kaum etwas von dem eingebüsst hat, was sie bereits 2004 auszeichnete, selbst mit einer anderen Bandbesetzung und einem neuen Album, das vielleicht nicht zur Referenz wird, dessen Songs aber besonders live hervorragend funktionieren. Der für die Band eher untypische Song “Hourglass“ überzeugt auf der ganzen Linie und der wunderschöne, eher ruhige Abschluss “Feathers“ hallt noch während des ganzen Heimwegs nach. Das lange Warten hat sich gelohnt.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Eat The Elephant
2. Disillusioned
3. The Hollow
4. Weak And Powerless
5. So Long, And Thanks For All The Fish
6. Rose
7. Thomas
8. People Are People (Depeche Mode Cover)
9. Vanishing
10. The Noose
11. 3 Libras (All Main Courses Mix)
12. The Contrarian
13. TalkTalk
14. Hourglass
15. The Doomed
16. Counting Bodies Like Sheep To The Rhythm Of The War Drums
17. The Outsider
18. The Package
19. Feathers
Text: Michael Messerli
Bilder: Dietmar Grabs