Eigenveröffentlichung / VÖ: 29. Januar 2025 / Punk, Noise
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Text: David Spring
Ich darf es kaum zugeben, viel zu sehr grenzt das an Punkverrat, doch die brachiale Londoner Punk/Noise-Band Be N!ce habe ich tatsächlich auf TikTok entdeckt. Schande auf mein Haupt, aber irgendwie cool ist es halt doch, wenn der vermaledeite Algorithmus einem sowas Geiles auf die verpestete FY-Page spült. Bühne frei also für Be N!ce und ihre Debüt-EP «Where Am I?»
Der Bandname ist so passend wie irreführend. Schaut man sich die schnuckligen Bandfotos an, mag man frischen, edgy Pop-Punk erwarten, doch weit gefehlt. Be N!ce sind sicherlich nette Menschen, doch wehe, du machst sie wütend. Der Opener «Get A Job» beginnt mit einem bedrohlichen Riff und wuchtigen Drums, bevor Pol Mills an den Vocals alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wer jemals das intensive Vergnügen hatte, von Ren Aldridge von Petrol Girls angeschrien zu werden, kann sich vorstellen, wie das hier abgeht. Furios, intensiv und eindringlich schreit they, dass man den Frust in jeder Silbe spürt. Dazu noch der wundervoll zynische Text über die heuchlerische «holier than thou»-Art vieler religiöser US-Amerikaner:innen, und fertig ist das Meisterwerk.
Wie man sich vorstellen kann, stehen die textlichen Inhalte bei Be N!ce an vorderster Stelle. Die Band stellt unmissverständlich klar, dass all die ewiggestrigen Macker, die xenophoben Tastaturkrieger und der ganze rechte Mob bei ihnen nichts verloren haben. «One Bad Apple», dass die traurige Gesetzeslage bei Fällen von sexueller Gewalt in Grossbritannien lamentiert, und das aggressive «Witch Hunt», in welchem hart mit privilegierten, misogynen Arschlöchern ins Geschütz gegangen wird, lassen keinen Zweifel daran, wie ernst der Band die Sache ist. Das abschliessende «Cambridge» geht mit einem der härtesten und unbequemsten Texte seit langem noch einen Schritt weiter. Der Song ist dermassen roh und heftig, dass jedes Wort zu nahe geht – verdammt harter Tobak.
Die EP ist unbequem und brutal ehrlich, wer sich jedoch mit diesen Themen schon einmal auseinandergesetzt hat, weiss, wie real und allgegenwärtig sie sind. Be N!ce existieren nicht, um irgendwen zu schockieren oder um grundlos anzuecken, sondern weil jeden Tag FLINTA*-Menschen ermordet, vergewaltigt und degradiert werden. Ihre Musik ist genau deshalb so wichtig, weil die grauen Eminenzen in den Parlamenten dieser Welt noch immer glauben, dass es wichtiger ist, mehr Geld in die eigene Tasche zu schaufeln, als Minderheiten zu schützen und misogyne Gewalt und Sexualverbrechen angemessen zu bestrafen.
Selbst ein etwas lockerer klingendes Stück wie das tanzbare «Bedtime» oder das beinahe funkige «Blow (Paranoia, Baby)» ändern nichts an der Tatsache, dass Be N!ce nicht unbedingt eine spassige Band sind. Zwar versuchen sie, trotzdem positiv zu bleiben und all dem irgendwas absurd Lustiges abzugewinnen. Doch die traurige Wahrheit ist und bleibt, dass es ein steiniger Weg ist. Nicht vorzustellen, wo wir ohne solch talentierte, einfühlsame und unermüdliche Menschen wie sie wären, die niemals aufgeben und für uns alle laut bleiben, solange Patriarchat, Kapitalismus und der ganze Mist weiterexistieren. Darum: danke, bleibt stark, bleibt laut und Be N!ce!
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