Czar Of Crickets + A Tree In A Field Records / VÖ: 19. Mai 2023 / Noise-Rock, Punk
Facebook
Text: David Spring
Unsere heimische Musik-Welt hat unglaublich viel zu bieten. Fernab vom Mainstream muss man manchmal etwas suchen, dafür gibt es Wundervolles zu entdecken. Zum Beispiel das grossartige Basler Noise-Rock-Trio Asbest. 2018 schlugen sie mit ihrem Debüt «Driven» hohe Wellen, ganze fünf Jahre hat es für den Nachfolger gedauert. Doch mit «Cyanide» steht nun endlich Platte Nummer zwei vor der Tür.
Wer die Band kennt, weiss, dass ihre Musik keine leichte Kost ist. Lärmig und grobschlächtig dreschen sie vernichtende Riffs in den Äther, die Stimme schmerzverzerrt, die Melodien verstörend und aufschürfend. Asbest haben nichts davon verlernt. Die neue Platte beginnt mit «Autodigestion», langsam und schleppend baut sich der Song zu alles einnehmender Grösse auf. Wenn Sängerin und Gitarristin Robyn Trachsel die Worte «we are trapped in a snake that is eating its own tail» aus sich rausschreit, fühlt man jede Silbe. «Dystopium» rechnet danach gnadenlos mit unserem ewigen Leistungsdrang ab, wütend und scheppernd zieht der Song nach vorne. Asbest machen sich keine Illusionen, wie kaputt unsere Gesellschaft ist.
«When everybody’s special, no one is special» heisst es im gewaltigen «Hubris», die brutalen Riffs und lärmigen Klänge untermalen die hoffnungslose und vor allem wütende Sicht der Band auf die Welt. Mit einem kurzen, instrumentalen Interlude entladen Asbest die Spannung ein Bisschen, doch nur, bis das unbequeme «Declaration Of Defenselessness» uns wieder winzig klein fühlen lässt. Die schonungslose Ehrlichkeit der Worte, die schmerzliche Darbietung und die schiere Gewalt des Songs sind beachtlich und beängstigend.
Im zerstörerisch dissonanten «Mutually Assured Reduction» und vor allem im rabiaten «Restraining Order» bringt auch Bassistin Judith Breitlinger ihre Banshee-artige Stimme zu effektivem Einsatz. Eine Kakophonie sondergleichen, so kalt und fremdartig wie faszinierend und betörend. Asbest feuern aus allen Rohren, die Worte werden rücksichtslos rausgekotzt, die gewaltigen Riffs und groovenden Beats walzen alles nieder. Das abschliessende «Cyanide For Breakfast» folgt einem zweiten, bizarren Interlude, um endgültig alles zu vernichten. Was für eine Gewalt, was für eine Band.
«Cyanide» zeigt das faszinierende Trio in Höchstform. Die Platte ist abstossend, brutal und traumatisch, genauso wie die Themen, die Asbest darauf besingen: unser ewiges Streben nach Perfektion, selbstzerstörerisches Verhalten, Selbstzweifel und allgegenwärtige soziale Zwänge, die zu immer mehr Desillusion und Entfremdung führen. Die Welt ist nicht schön, fast schon wünscht man sich das Zyanid selber. Besser ist es aber allemal, sich dieses grossartige Album laut zu geben, denn eine gesunde Portion Asbest tat selten so gut.