Band: Anti-Flag
Album: 20/20 Vision
Genre: Punk
Label: Spinefarm
VÖ: 17. Januar 2020
Webseite: anti-flag.com
Etwas über zwei Jahre ist es her, seit uns die unkaputtbaren Punk-Helden von Anti-Flag aus Pittsburgh, Pennsylvania mit ihrem elften Album „American Fall“ beglückten. Doch das Warten hat ein Ende, denn nun erscheint mit „20/20 Vision“ bereits das nächste Werk. Und diesmal wird nicht flächendeckend gegen sämtliche Missstände der Welt gewettert, sondern nur gegen einen, dafür umso heftiger.
Natürlich ist die Rede hier von niemand anderem als dem 45. US-Präsidenten Donald J. Trump. Anti-Flag waren nie dafür bekannt, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Aber zielten sie ihre musikalischen Schüsse bisher meist gegen allgemeinere Unschönheiten der (Politik-)Welt, so wurde dieses Mal ganz konkret entschieden, dass es nicht reicht. Jemand wie Trump und seine Konsorten sind ein solches Übel, dass man nicht irgendwann mit „Wo wart ihr denn damals, warum habt ihr dazu nichts gesagt?“, beschuldigt werden will.
Der Präsident eröffnet somit auch den ersten Track dieses Albums, „Hate Conquers All“. Eine Aufnahme von Trump erklingt, in der er sagt, dass in „the good old days“ mit Protestanten noch härter umgegangen worden wäre und diese dann auch nicht weiter rebellierten. Beängstigend, wie viele Parallelen zur Situation vor 75 Jahren einem in den Sinn kommen. Dann geht es Anti-Flag typisch los: schnell, rotzig, hart und gutgelaunt, auch wenn es noch so weh tut.
Es folgen Lieder wie „Un-American“, „A Nation Sleeps“, „It Went Off Like A Bomb“, „You Make Me Sick“ und das fantastische „Christian Nationalist“, die allesamt schon nur vom Titel her klar machen, wie der Hase hier läuft. Musikalisch bewegen wir uns genau in dem Feld, in dem man Anti-Flag kennt und liebt: schnelle Rhythmen, fette Gitarrenriffs, treibende Drums und der Stimmenwechsel zwischen Leadsänger Justin Sane und Bassist Chris#2. Einzig „Un-American“ fällt etwas aus der Reihe, handelt es sich hierbei um ein mehrheitlich akustisches Country-Stück, was aber der Abwechslung ganz und gar nicht schadet.
Ohne die Texte der Stücke nachlesen zu können, fällt es etwas schwer, diese genau beurteilen zu können, aber selbst so ist auf jeden Fall klar, dass es sich um mehr als nur „Trump = bad“ handelt. Anti-Flag leben seit bald vier Jahren unter Trump und seiner Vorstellung von Politik, sie haben mehr als genügend Erfahrung aus erster Hand, was für Auswirkungen dies auf das tägliche Leben hat, sowohl national wie international.
„20/20 Vision“ ist durch und durch gelungen. Man wünscht sich zwar, dass so etwas gar nicht nötig wäre, ein solches Album über Trump. Die Motivation dazu ist aber absolut nachvollziehbar: „Wir hoffen, dass in der postapokalyptischen Wüste jemand irgendwann dieses Album findet und dann immerhin sehen kann, dass es doch auch Menschen gab, die gegen all das angekämpft hatten.“ Dieses Zitat aus den Linernotes zeigt klar, wie fatal und ernst die Lage für die Jungs ist.
Ich persönlich habe nach mehrmaligem Hören etwas gemischte Gefühle. Auf der einen Seite klingt „20/20 Vision“ genau so, wie ich es mir von dieser Band wünsche, auf der anderen Seite stimmt einen die Materie wirklich nicht positiv, erst recht nicht im Jahr, in dem Mr. Trump zur Wiederwahl ansteht. Im Endeffekt ist es so, dass, wenn ich schon ein an Trump gerichtetes Album hören muss, dann soll es auf jeden Fall von Anti-Flag sein. Niemand sonst wäre in der Lage, ein solches Thema so differenziert, leidenschaftlich und professionell zu behandeln. Und darum kann ich getrost sagen, dass Anti-Flag auch mit „20/20 Vision“ einmal mehr beweisen, dass sie zur absoluten Spitze der Politpunk-Szene gehören.
Tracklist:
1. Hate Conquers All
2. It Went Off Like A Bomb
3. 20/20 Vision
4. Christian Nationalist
5. Don’t Let The Bastards Get You Down
6. Unbreakable
7. The Disease
8. A Nation Sleeps
9. You Make Me Sick
10. Un-American
11. Resistance Frequencies
Bandmitglieder:
Justin Sane – Gesang und Gitarre
Chris Head – Gitarre
Chris#2 – Bass
Pat Thetic – Schlagzeug
Gründung:
1988
Text: David Spring