LouJon Records / VÖ: Digital: 13.10.2023 – Vinyl: 24.11.2023 / Rock
annwilson.com
Text: Peter Burckhardt
Während die ganze Welt mit dem neuen Rolling Stones Album beschäftigt war, schlich sich eine andere Rock-Grösse mit einer hervorragenden Veröffentlichung auf meinen Spotify-Account. Die Rede ist von Ann Wilson, der Frontfrau der legendären Band Heart, die mit über 35 Millionen verkauften Tonträgern, der Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame und einem Grammy Lifetime Achievement Award, eine der erfolgreichsten Rock Sängerinnen der Musikgeschichte ist. Aber: “That was then and this is now“, wie Ann Wilson im Song “This Is Now” so treffend singt. Konzentrieren wir uns also auf das Hier und Jetzt und das Album “Another Door”, welches am 13.10.23 digital erschienen ist. Wer es trotzdem noch ein wenig old-school mag, muss sich noch etwas gedulden und auf die Vinyl-Veröffentlichung am 24.11.2023 warten. Die physische Version mit dem unverkennbaren Artwork vom Designbüro Storm Studio (früher bekannt als Hipgnosis), welches u.A. auch durch Cover-Designs von Pink Floyd, Led Zeppelin oder Genesis bekannt wurde, macht sich auf jeden Fall gut in jeder Plattensammlung.
Zum ersten Mal seit den 70er Jahren hat Ann Wilson in Zusammenarbeit mit einer Band, in diesem Fall Tripsitter, ein Album geschrieben. Zu Tripsitter gehören Tony Lucido (Bass), Ryan Wariner (Gitarren), Sean T. Lane (Schlagzeug) und Paul Moak (Gitarren und Keyboards). Der Gitarrist und gefragte Sessionmusiker Tom Bukovac, welcher auf mehr als 1200 Studioalben zu hören ist, hat ebenfalls einen wichtigen Beitrag zu “Another Door” geleistet. Zum ersten Mal in ihrer langjährigen Karriere, hat Ann Wilson alle Texte für ein Album alleine geschrieben und gewährt uns damit während der 11 Songs einen intimen Einblick in ihre Gedanken-und Gefühlswelt.
“Another Door” startet unerwartet mit ruhigen, sphärischen und nachdenklichen Klängen. Erste Gitarren-Riffs gibts im dritten Song “Rain of Hell“ zu hören. Durchgehend und tragend im Vordergrund ist Ann Wilsons kräftige Stimme, die einen Umfang über drei Oktaven hat und deren Farbe im Laufe der Jahre etwas dunkler geworden ist. Die 73-jährige Sängerin ist in der Lage, in den Strophen ihre Geschichten zu erzählen und in den Refrains Melodien zu singen, die zwar oft ungewohnt sind, aber trotzdem im Gedächtnis haften bleiben. Apropos haften bleiben – „Another Door“ ist kein einfach zugängliches Werk, das den Hörer:innen mit vielen progressiven Parts, nicht alltäglichen Melodien und vielen musikalischen Einfällen einiges abverlangt. Progressive Rock Liebhaber:innen wird zum Beispiel bei “Ruler of the Night” das Herz aufgehen, welches dann postwendend durch die schöne Country Ballade “Still” abgelöst wird. Spürbar, aber unaufdringlich schwingt während der 11 Songs ein etwas schwermütiger 80ies New Wave-Geist mit. Oder um es bildlich auszudrücken: Etwas mehr Haargel als Fönfrisur.
“Another Door” von Ann Wilson ist der perfekte Herbst-Soundtrack für alle Musik-Nerds, 80ies-Hipster und Prog-Heads, bietet aber auch für “Greti und Pleti” seine Momente. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Stones mal kurz wegzurollen und neue, alte Musik aufzulegen.