Aggressive Punk Produktionen / VÖ: 17. Januar 2025 / Punk
alarmsignal-punkrock.de
Text: David Spring
Es tut sich viel im Deutschen Punk. Die letzten Jahre haben haufenweise grossartige Bands hervorgebracht, die das Genre vorantreiben und immer wieder neu erfinden. Zwischen all diesen Neuankömmlingen gibt es aber auch ein paar Institutionen, die nicht nur nicht totzukriegen sind, sondern immer wieder verdammt geile, relevante Mukke abliefern. So zum Beispiel Alarmsignal!
Alarmsignal gehören zu den Besten, wenn es darum geht, genau die richtigen Worte für all die Scheisse, in der wir stecken, zu finden. Das ändert sich auch auf dem neunten Album «Insomnia» nicht. Schon der intensive Opener «You Will Be Safe To Rest Your Eyes» (featuring Sebastian Madsen) belegt dies: der eingängige Song erzählt von einem 15-jährigen, sehbeeinträchtigten Jungen und seiner Schwester, die ihn auf der Flucht aus Syrien mit ebendiesen Worten beruhigte. Harter Tobak gleich zu Beginn, was dann im folgenden «Scherbe / Licht» mit den resignierten Worten «Wer hier nicht aufgibt oder durchdreht, ist doch nicht normal.» schmerzlich treffend zusammengefasst wird. Das ganze Album ist in der Tat vollgepackt mit fantastischen Texten, was wohl bei dieser Band kaum jemanden überrascht.
Alarmsignal sind nicht unbedingt eine Band, die sich musikalisch all zu weit aus dem Fenster lehnt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Die Gitarren sind mächtig und druckvoll, Bass und Drums stampfen pogotauglich nach vorne und der oft mehrstimmige Gesang animiert zum Mitsingen und Faust-in-die-Luft-Recken. Dennoch fällt auf, dass sich der Vierer dieses Mal etwas gewagt hat. «Nichts sehen, nichts hören» wartet mit gemütlichen Ska-Klängen und grossartigem Text auf, doch am weitesten von der Norm abweichen tut «Neonlichter». Hier übernehmen Synthesizer den Lead und verleihen diesem experimentellen Song ein spannend modernes musikalisches Gewand. So interessant und abwechslungsreich solche Klänge sind, am besten sind Alarmsignal aber doch, wenn sie volle Pulle abrocken und wortgewaltig gegen die Missstände unserer Gesellschaft wettern.
Das beste Beispiel dafür ist «Deutsch mich nicht voll!», welches durch den engelsgleichen Gesang von Gastsänger Chris Kotze (Kotzreiz) erst richtig wütend gemacht wird. Ebenfalls wundervoll ist das angepisst exzellente und wortgewaltige Stelldichein von Beckx (Fucking Angry), die dem grossartigen, unverfroren feministischen «Manifest» ihr reibeisernes Stimmorgan leiht. Alarmsignal wissen genau, wenn ein Song durch ein passendes Feature noch einen Zacken geiler gemacht werden kann und scheuen sich darum nicht, allerlei talentierte Mitmusiker:innen ins Boot zu holen. So finden sich auf der Platte zudem Mel von Shirley Holmes für das ansteckende «D’accord» und Sarah Lesch für das unglaublich nahegehende «Kein Vaterland» ein, allesamt grossartige Features.
Es überrascht tatsächlich wenig, aber «Insomnia» ist ein unglaublich starkes Album. Alarmsignal gehören nach all den Jahren im Geschäft nicht ohne Grund zu den besten. Die Songs hauen rein, machen keine Gefangenen und tun immer gerade genügend weh, um nicht zu verzweifeln, aber auch nie zu vergessen, dass wir diesen Kampf für eine bessere Welt nur gemeinsam bestehen werden. Danke Alarmsignal, dass wir immer auf euch zählen dürfen!
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