Kidnap Music / VÖ: 21. März 2025 / Punk
achteimerhuehnerherzen.info
Text: David Spring
Schön, wenn Bands Konsequenz beweisen und den Mut oder die Unbekümmertheit haben, ein begonnenes Konzept durchzuziehen – egal, was daraus wird. Das Berliner Nylonsaiten-Punktrio mit dem schicksten aller Namen – Acht Eimer Hühnerherzen – bringt uns ganz in diesem Sinne nun «Lieder», das neueste Album, das sich nach «Album» und «Musik» wunderbar in diese Reihe gar vorzüglicher Titel eingliedert.
Zum Glück bleibt bei Apocalypse Vega, Bene Diktator und Herrn Bottrop alles beim Alten: rasante Punksongs, wortgewandter Witz, clevere Kritik und eine Prise Kryptik, dazu sympathisch scheppernder Lo-Fi-Sound und haufenweise strapazierte Nylonsaiten. Und doch wird bald spürbar, dass die Welt der Hühnerherzen, genau wie die unsrige, auch schon rosiger aussah. «Es geht mir gut, ich sitz zuhause und spucke Blut», singt Vega im grossartigen «Durchlauferhitzer» und trifft dabei wie immer den Nagel auf den Kopf. Man nimmt Acht Eimer Hühnerherzen ihre Geschichten ab – wenn sie vom ganz Grossen und vom ganz Kleinen erzählen, wenn sie Ja sagen und doch Nein meinen, wenn die Zeit mit ihnen voranschreitet und doch alles unverändert bleibt.
«Lieder» ist, passend zum Titel, eine eher lose Sammlung von Musikstücken, die von verschiedenen Themen, Menschen und Gefühlen handeln, dabei aber inhaltlich kaum auf einen Nenner zu bringen sind. «In Italien warst du schöner» trauert einer verflossenen Beziehung nach, während «Ostkreuz» die Mittelmässigkeit selbst der bizarrsten Individuen in einer Grossstadt wie Berlin anprangert. Ob «Konny» die Belanglosigkeit unseres digitalen Lebens beklagt, «Nicht schlafen» eindringlich über Insomnie berichtet oder «Bescheid» einfach mal so richtig schlechte Laune zelebriert: Acht Eimer Hühnerherzen finden unverschämt treffsicher den richtigen Ton und das passende Wort.
Das Album wurde in bester Punkrock-Manier in Windeseile rudimentär auf einer 16-Spur-Bandmaschine aufgenommen und danach nur geringfügig ausproduziert. Dies kommt dem widerspenstigen, sturen Sound gerade recht. Mehr als ein gelegentliches Fuzz-Pedal an Effekten brauchst du nicht zu erwarten, und trotzdem gelingt es dem Trio, Songs mit Abwechslung, einzigartig lustvoller Melancholie und einer unerwarteten Geborgenheit zu erschaffen. Selbst dann, wenn es in einem Stück wie «Aktuell» plötzlich richtig düster wird, sobald Bene rastlos in die Felle haut, Herr Bottrop seinem Shortscale-Akustikbass die schönsten Läufe entlockt und Vega sich auf ihrer Nylonsaiten-Konzertgitarre um Kopf und Kragen schrammelt, fühlst du dich umarmt. Und wenn es einmal sogar ganz still wird und sich Vega in einer beeindruckenden Spoken-Word-Performance vor ihren weiblichen Idolen verneigt, läuft es dir kalt den Rücken runter.
«Lieder» ist kein Gute-Laune-Album. Doch zwischen Ironie, Nihilismus, Resignation und der typisch berlinerischen Schnoddrigkeit schwingt immer auch eine paradoxe Hoffnung mit – und definitiv eine ordentliche Portion Revolution. Die Platte ist bestimmt nicht etwas für alle, denn sie verlangt Konzentration, um nichts zu verpassen – schliesslich sind die Texte das Wichtigste. Aber Musik wie aus der Dose gibt es schon genug, und berieseln lassen kannst du dich anderswo. Darum lasst uns aufatmen und frohlocken, denn Acht Eimer Hühnerherzen sind wieder da.
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