Destiny Records / VÖ: 27. März 2020 / Punk, Akustik
achteimerhuehnerherzen.de
Text: David Spring
„Album“, so heisst das neue, zweite Album der Band mit dem schönsten aller Namen, Acht Eimer Hühnerherzen. Ein sinnvoller Titel für ein Album, da weiss man auf jeden Fall gleich, was man erhält. Keine Single, keine EP, kein Pony, nein, ein Album. Es ist beruhigend zu wissen, dass man sich in dieser schnelllebigen Zeit noch auf das Nylon-Punk-Trio aus Berlin verlassen kann, sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Es erwarten uns auch in 2020 noch eine spanische Konzertgitarre, ein knatternder und mit Nylon-Saiten bestückter Bass und ein minimalistisches Schlagzeug, zusammen mit wunderschönen, kryptischen Texten und mehr Punk-Attitüde, als bei vielen bedeutend lauteren Bands.
Los geht es mit dem schwierig auszusprechenden „Somnambulismus“, was so viel wie „Schlafwandeln“ bedeutet. Das Lied beginnt mit einer fröhlichen Akkordfolge und sanftem Gesang, bis nach dem ersten Refrain der Rest der Band einsetzt. Acht Eimer Hühnerherzen haben einen unverkennbaren Lo-Fi-Sound, der Bass von Herrn Bottrop ist allgegenwärtig und steht weit vorne im Mix. Dazu wundervolle Harmonien von allen dreien und ein Refrain, der sofort ins Ohr geht. „Keine Ahnung, wenn man nicht weiss, was man macht und wann man aufwacht.“ Das darauffolgende „Hallo“ begrüsst uns nach diesem tiefgründigen Start etwas weniger nachdenklich, zumal der Text in dieser kurzen Schrammelnummer ausschliesslich aus dem titelgebenden „Hallo“ und den Namen der drei Bandmitglieder besteht. Sehr charmant, es muss nicht alles immer unglaublich gehaltvoll sein, ein nettes „Hallo“ reicht manchmal völlig aus.
„Album“ mag voll und ganz zu überzeugen. Die drei Berliner bestechen durch ein wundervolles Gespür für tolle, eingängige Melodien, weisen das nötige Mass an Humor und Selbstironie auf, und kümmern sich einen Deut um irgendwelche Normen oder Vorschriften der Punk-Polizei. Das „Album“ bleibt stets abwechslungsreich und unterhaltsam. Dominierend sind die interessanten Texte, mit denen man sich sofort identifizieren kann, ohne dabei wirklich zu verstehen, was überhaupt besungen wird. Vegas Stimmt macht viel aus, nie zu laut oder zu aggressiv, aber nie zu stark in sich selbst verloren. Acht Eimer Hühnerherzen sind musikalisch und inhaltlich so eigenartig und knapp ausserhalb von allem, was man sonst kennt, wie ihr Bandnamen anmuten lässt.
Lieder wie das gut gelaunte „Quittenbrause“, welches den wundersamen Balztanz von Frau und Mann beschreibt („Ich glaube es wird irgendwas mit nackig.“), oder das rasante „Gesellschaftstanz“, in welchem die Frage nach der Uhrzeit in Melancholie endet und mit Demagogie gleichgesetzt wird, beweisen, was für grossartige Texter die Damen und Herren Hühnerherzen sind. Mit „Endlich Fluchen“ kriegen wir einen interessanten Einblick in die Psyche von Frau Vega, die herauszufinden versucht, wie sie sich als moderne Frau von heute in dieser merkwürdigen Welt selbst definieren kann („Ich wär gerne Feministin mit Tourette, oder super schlau.“). Das abschliessende „Zement“ rechnet nochmals mit all den Ewiggestrigen und Nein-Sagern der Welt ab, die unsere Gesellschaft schon seit Menschengedenken zurückhalten („Und wer pennt kommt in Zement, weil er nicht das Ende von der Story kennt.“).
Die teils nicht einfach zu verstehenden Texte, sowie das unverkennbare Gespür für Melodien und dem Augenzwinkern, welches nie verloren geht, funktionieren perfekt. Klar, das Rad wird nicht neu erfunden, aber wer will das schon. „Album“ verfeinert und konkretisiert, was das selbstbetitelte Debüt sehr schön vormachte und wird Acht Eimer Hühnerherzen auf jeden Fall als ernstzunehmende Band etablieren. Ich bin gespannt darauf, wie die Songs live wirken werden und kann beruhigt sagen, dass die charmanten Acht Eimer Hühnerherzen in 2020 besser denn je sind. Eine sehr gelungene Platte einer einzigartigen Band, „Album“ wärmstens zu empfehlen.