Eigenveröffentlichung / VÖ: 9. Februar 2023 / Black Metal
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Text: David Spring
Es gibt unendlich viele Memes, die sich im Internet über die deutsche Sprache lustig machen. Harsch und klobig seien unsere schönen Worte, zu kompliziert und nicht so melodiös wie Französisch oder Italienisch. Selbst das oft kaum aussprechbare Englisch stichelt mit. Nun, dieses Album wird diesen Eindruck kaum aus der Welt schaffen, doch beweist die Post-Black-Metal-Band Abglanz aus Berlin einmal mehr, dass Deutsch eine hervorragende Sprache für harte Musik ist.
«Ruinen Einer Haltung» ist das komplett in Eigenregie geschaffene Erstlingswerk der Band. Abglanz schaffen darauf gar düstere und beängstigende Klänge, zu denen es einem regelmässig kalt den Rücken herunterläuft. Das Intro «Tagesgrauen» beginnt mit filigranem Piano, bevor ein Orchester einsetzt, um eine wunderschöne, bedrohliche Atmosphäre aufzubauen. Ziemlich beeindruckend. Mit «Oedland» geht es dann aber richtig los. Blastbeats, Tremolo-Picking und ein markerschütternder Schrei der Sängerin J.M.S.R. Man wähnt sich sofort inmitten dunkelster Abgründe und gefürchiger Gefühlen, wahrlich faszinierend.
Abglanz reichern ihren Black-Metal-Sound immer wieder mit Elementen aus der klassischen Musik an, was der dunklen Atmosphäre sehr dienlich ist. Der Sound ist für ein komplett in D.I.Y.-Manier erschaffenes Album verdammt stark und druckvoll. Vor allem die vom Gitarristen und Keyboarder J.V.R. komponierten und arrangierten Klassik-Parts verleihen den Songs den nötigen Pathos und das gewisse Etwas. Ebenfalls positiv zu erwähnen ist der richtig geile Bass, der immer wieder Akzente setzt und glasklar im Mix sitzt. Doch am eindrucksvollsten ist zweifellos der Gesang von J.M.S.R. Ihre Range reicht von theatralisch klaren Klängen bis hin zu furchteinflössend gutturalem Gekeife. Und wie erwähnt sind die meisten Texte in Deutsch gehalten. Freilich versteht man nicht gerade viel davon, doch hilft das dem verstörenden Gesamtbild erst recht.
«Ruinen Einer Haltung» klingt wie aus einem Guss. Mit ein paar klassischen Intermezzos verbinden Abglanz die Songs, die Ebbe und Flut zwischen ruhigen Momenten und glorreichen Sound-Explosionen wird so umso eindrücklicher. Mit 50 Minuten Spielzeit ist das Album zwar eher an der oberen Grenze, doch fällt dies kaum negativ auf, vor allem weil alles wirklich auf höchstem Niveau gespielt ist. Mit dem kolossalen «V» ist das Ende erreicht und Abglanz ziehen nochmals sämtliche Register. So viel Ehrfurcht und Freude hat Black Metal schon lange nicht mehr bereitet – was für ein faszinierendes Debüt.