Creator-Destructor Records / VÖ: 15. April 2022 / Melodic Hardcore
awilhelmscream.com
Text: David Spring
Nur wenige Bands erwecken in mir ein nostalgisches Gefühl der Vorfreude, wie A Wilhelm Scream, die Melodic-Hardcore-Helden aus Massachusetts. Seit ihrem 2007er-Werk „Career Suicide“ sind sie eine dieser Gruppen, die ich immer wieder hören und etwas Neues entdecken kann. Die Mischung aus hymnischen Melodien, wahnwitzigem Tempo und beinahe prog-artigem spielerischem Können macht sie zu einer einzigartigen Band. Nun erscheint endlich Album Nummer fünf, „Lose Your Delusion“.
Nach einem ungewohnt langen, sphärischen Intro geht es mit „Acushnet Avenue At Night“ krachend los. Nuno Pereiras unvergleichliche Stimme, verzwickte, harmonische Gitarren-Leads und unendlich viel Melodie – A Wilhelm Scream sind zurück. Mit einem komplizierten, polyrhythmischen Intro, durchgeknallten Gitarrenlicks und einem aberwitzigen Basssolo hat das folgende „The Enigma“ in drei Minuten mehr Abwechslung und Dynamik als weitaus längere Prog-Songs. Dabei bleiben A Wilhelm Scream stets eingängig und poppig, die Hook bleibt trotz all den Spielereien sofort in den Gehörgängen stecken.
Der Aufnahme- und Songwriting-Prozess der Platte war von der Pandemie geprägt. Dem Album hört man die angestaute Wut und Energie an, den Songs haftet trotz vieler glorreichen Melodien eine gewisse Melancholie und Aggression an. „…And Big Nasty Was Its Name-O“ zum Beispiel ist waschechter Hardcore, mit Gangshouts und wütenden Breakdowns. Die Vorabsingle „Apocalypse Porn“ wiederum ist das politischste Stück, das die Band je geschrieben hat.
Wie es bei A Wilhelm Scream eigentlich immer der Fall ist, benötigt „Lose Your Delusion“ ein paar Durchgänge, um sich vollends zu entfalten. Es passiert in jedem der maximal dreieinhalbminütigen Songs schlicht zu viel. Dafür wird man mit jedem Durchlauf aufs Neue belohnt.
Nach dem rasanten Titeltrack und dem abschliessenden „Downtown Start II“ fühlt man sich selbst nach einer Spielzeit von nur einer halben Stunde freudig erschöpft und erhaben. A Wilhelm Scream haben einmal mehr ihre Vormachtstellung als abwechslungsreichste, talentierteste und wahnwitzigste Punkband unserer Zeit verteidigt. Hoffentlich dauert es bis zum nächsten Album nicht wieder neun Jahre. Selbst wenn, das Warten wird sich auch dann wieder lohnen.