27. April 2020
Im Gespräch mit: O’Neal Haas (Gitarre und Gesang) von Heavy Harvest.
Frühlingszeit ist Release-Zeit, in Basel freut man sich über „Iron Lung„. Eigentlich. Aber: Noch immer wird unser Alltag von einem unsichtbaren Virus beherrscht, noch immer sind wir weitgehend machtlos dagegen. Das bedeutet auch, dass unzählige Shows und Tourneen auf unbestimmte Zeit verschoben werden mussten – wann und in welcher Form Musik wieder live unters Volk gebracht werden kann, weiss vorerst niemand. Wie O’Neal Haas der Basler Noise- und Stoner-Truppe Heavy Harvest die letzten Wochen erfahren hat und worauf er sich in der Post-Lockdown-Phase am meisten freut, beantwortet er mir à la Home-Office per Mail.
Sarah: Als erste Frage: Wie geht es euch, stimmungsmässig?
O’Neal: Stimmungsmässig ist bei uns alles in Ordnung. Die Menschen haben alle gerade ihre eigenen Schwierigkeiten mit der Situation umzugehen. Manche machen sich Sorgen ums Geld und andere kämpfen einfach mit Langweile. Bei uns sind diese Dinge zum Glück kein Thema.
Was war eure erste Reaktion, als es hiess: Kulturlokale werden und bleiben geschlossen, Grossveranstaltungen sind verboten?
Ich arbeite als Konzert- und Festivalveranstalter von daher war es extrem frustrierend. Ich und die Menschen, mit denen ich arbeite, haben sehr viel Arbeit in diese Zeit investiert, die jetzt zum grössten Teil umsonst war. Ausserdem habe ich mich auch darauf gefreut als Gast an Konzerte zu gehen und an die Eishockey-WM wollte ich auch. Ziemlich besch***.
Was bedeutet die ganze Situation gerade für euch als Band?
In erster Linie heisst es, dass wir keine Konzerte spielen können. Für uns eigentlich der Hauptgrund in einer Band zu sein. Unser letztes Konzert war im Oktober und es fühlt sich an, als wäre es schon eine halbe Ewigkeit her.
Ihr habt ein neues Album am Start – mit Plattentaufe ist aber vorerst nichts. Habt ihr ein Ersatzdatum in Aussicht?
Wir haben provisorisch mal September ins Auge gefasst, aber wer weiss, was noch passiert. Wir versuchen es im Mai wahrscheinlich mal mit einem Stream.
Allgemein: Was könnt ihr mir über euer neues Album erzählen?
Wir haben das Album letztes Jahr mit Serge Morattel im REC Studio in Genf aufgenommen. Wir waren gut eingespielt und die Aufnahmen dauerten dann auch nur drei Tage. Wir sind sehr zufrieden damit. Einer von Aarons Songs (“Needles”) hat es aufs Album geschafft und einen anderen (“Nosebleed”) haben er und ich zusammen geschrieben. Thematisch geht es oft um Mensch, Maschine und Natur. Ich wollte kein Konzeptalbum schreiben, ich habe bei den Texten einfach viel über Dinge wie Knochen, Blut oder Computer nachgedacht. Im Titelsong (“Iron Lung”) geht’s zum Beispiel darum, dass ein Mensch sich in einen Haufen laborgezüchtete Organe und Gewebe verliebt. Bei “Body Hammer” habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, sich langsam in eine Maschine zu verwandeln. Die Vorstellung ist interessant. Ich wäre gerne eine Maschine.
Wie nutzt ihr die Zeit, die ihr gerade nicht im Proberaum oder auf der Bühne verbringen könnt? Gibt es andere Projekte oder Pläne, bei welchen ihr euch kreativ ausleben könnt?
Ich arbeite momentan gerade an vielen neuen Songs für die Band und schreibe Musik für einen Kurzfilm. Ich habe mich auch mit Moritz von der Band Rausch in Verbindung gesetzt, um vielleicht ein Projekt, dass eher in Richtung Industrial und Electronic geht, zu starten. Mal sehen, ob sich da etwas ergibt.
Eure Heimat Basel hat ja einiges zu bieten, was das Kultur- und Nachtleben anbelangt. Da gibt es sicherlich auch so manchen kreativen Kopf, der etwas auf die Beine gestellt hat, um den Lockdown etwas erträglicher zu machen – oder?
Ich verfolge das nicht sehr aufmerksam, aber Dinge wie Livestreams passieren vermehrt. Ziemlich kurz nach Beginn der Krise wurde die Kulturklinik ins Leben gerufen (u.a. von Luca Piazzalonga, der unser Cover gestaltet hat), wo Kulturschaffende Platten, Bücher, Bilder, Sticker etc. kaufen und verkaufen können. Und auch dort gibt,s immer wieder Livestreams, z.B. von Anna Aaron oder Manuel Gagneux von Zeal & Ardor, bei welchem auch gespendet werden konnte.
Habt ihr konkrete Pläne oder aber Wünsche, wie es in den kommenden Wochen weitergehen soll für euch? Und für den Kulturbereich in der Schweiz allgemein?
Die nächsten Wochen werden wohl hart bleiben, aber wir hoffen, dass sich die Situation so entwickelt, dass Kulturlokale endlich ihre Türen wieder öffnen können und auch wir wieder auf einer Bühne stehen können (inklusive Publikum). Wir würden extrem gerne auf Tour gehen.
Worauf freut ihr euch am meisten, wenn das alles irgendwann durchgestanden ist?
Auf’s nicht mehr alleine betrunken sein.
Vielen Dank für eure Zeit und Musik.
Interview: Sarah Rutschmann