Band: The Menzingers
Album: Hello Exile
Genre: Rock
Label: Epitaph
VÖ: 4. Oktober 2019
Webseite: themenzingers.com
Es ist tatsächlich schon wieder 2.5 Jahre her, seitdem das tolle „After The Party“ von The Menzingers erschien und uns alle mit einem etwas erwachseneren und selbst-reflektierenden Ton überraschte. Nun aber hat das Warten ein Ende, mit „Hello Exile“ erschien das neuste Werk der vier Jungs aus Pennsylvania.
Das Album beginnt mit einem Paukenschlag, „America (You’re Freaking Me Out)“ zieht einem mit dem simplen, aber effektiven Hauptriff und dem treibenden Drumbeat sofort in seinen Bann. Der Text tut dann sein Übriges, „what kind of monsters did our parents vote for?“, fragt Sänger Greg Barnett – eine Frage, die man auch ausserhalb der USA nur allzu gut mitfühlen kann. Wirklich starker Opener. Weiter geht es mit „Anna“, welches musikalisch genau da anzuknüpfen scheint, wo „America“ aufhörte, bombastische Drums, fröhliche Gitarrenriffs und eingängige, mitsingbare Melodien. Der übertrieben kitschige Text kann leider aber bei Weitem nicht mit dem ersten Lied mithalten, „this place ain’t the same without you, Anna“, hat man nun schon oft genug gehört.
Hier ist es auch schon, dass sich ein paar Probleme mit „Hello Exile“ für mich offenbaren. Das folgende „High School Friends“ macht nach wie vor alles richtig, was die Songstruktur und Melodie anbelangt, aber der Text ist zu kitschig und zu einfach. Ein Lied darüber, wie man sich wundert, was mit all den guten Zeiten, zu denen man noch mit seinen Freunden feiern ging, passiert ist, ist meiner Meinung nach schlicht zu simpel. Ja, The Menzingers waren nie als politische Band bekannt, immer viel mehr dafür, persönliche und nachvollziehbare Geschichten aus dem Leben zu erzählen. Aber dass sie das können, das wissen wir. Was den Opener so gut macht, ist, dass auch da der persönliche Touch nicht verloren geht, die Thematik des Songs aber viel grösser, viel bedeutender, viel schwerwiegender ist. Nicht nur ein Kommentar über das Leben in der kleinen Welt von Greg, sondern über das Leben in der Welt, in der wir alle im Jahr 2019 zu (über-)leben haben.
Auch der country-lastige Titeltrack und das musikalisch richtig gute „Strangers Forever“ fallen in diese Kategorie. Klar werden hier Geschichten über vergangene Liebe und das Älterwerden erzählt, die jede*r nachvollziehen und sich damit identifizieren kann, aber es sind auch Geschichten, die wir schon 1000-mal gehört haben, sowohl von The Menzingers, aber auch von so gut wie jeder anderen Band. Vielleicht fällt mir das auf „Hello Exile“ auch einfach noch stärker auf, weil der Sound des Albums viel mehr Americana, Folk und Country als Rock oder gar Punk orientiert ist, als man es sich von The Menzingers gewohnt ist. Viele der Lieder sind Mid-Tempo, mit cleanen Gitarren und viel Hall auf dem Gesang, es fehlt mir der nötige Biss. Man fühlt sich ein wenig, als ob die Band nicht nur erwachsen geworden ist, sondern auch müde. Was auf „After The Party“ noch nach *okay wir sind jetzt dreissig, das Leben kann nicht mehr nur Partymachen sein und das ist gut so“ tönte, scheint mir hier viel eher danach, als ob das Leben ohne diese Party nicht mehr viel zu bieten hat, man hat resigniert, „ja wir sind jetzt erwachsen, the party is over“. Das melancholische Country-Lied „I Can’t Stop Drinking“ zum Beispiel ist sehr bezeichnend dafür, es mäandriert vor sich hin, man kann förmlich die Handylichter im Publikum fühlen, das Gefühl, dass die Band oder zumindest der Protagonist mit dem Älterwerden nicht klarkommt ist stärker denn je.
Vielleicht bin ich auch zu hart in meinem Urteil, weil mir der Rock etwas fehlt auf dieser Platte, denn es ist bei weitem nicht alles schlecht hier. Mit „Strawberry Mansion“ zum Beispiel zeigen The Menzingers, dass sie durchaus nach wie vor in der Lage sind, zu rocken. Was bei diesem Track jedoch besonders positiv auffällt, ist der Text, denn das Thema ist dieses Lieds ist der Klimawandel und es wird sofort wieder klar, dass die Band am besten ist, wenn sie Weltthemen besingen, das Auge nicht nur auf die eigene grauer werdende Reflektion im Spiegel sondern auf die Welt und ihre Probleme als Ganzes gerichtet. Und selbst das folgende „London Drugs“ funktioniert gut, das Lied ist peppig und treibend, der Text persönlich, aber nicht kitschig. Das abschliessende „Farewell Youth“ fällt dann textlich wieder mehr in die „ach wie traurig, wir sind nicht mehr 20“ Kiste, es werden nochmals sämtliche Klischees ausgepackt und ich, der ich selbst auch über 30 bin, frage mich erneut, wie man als erfolgreiche Band im besten Alter so resigniert tönen kann.
Ja, alles in allem bin ich leider nicht restlos überzeugt von „Hello Exile“. Ich will nicht sagen, dass es kein gutes Album ist, bei weitem nicht, denn ich bin sicher, dass ganz viele Leute und Fans von The Menzingers Freude daran haben werden, und das zu Recht. Für mich persönlich fehlt der Biss etwas, die ziemlich intimen Texte können zwar durchaus gut mitgefühlt werden, aber sie sind mir etwas zu kitschig und schon zu oft gehört. Dies vor allem auch, weil sie mit „America“ und „Strawberry Mansion“ eindrucksvoll zeigen, was für grossartige Texte und Songs sie schreiben können. Ich hoffe, dass das Album trotz aller Resignations-Gefühle kein Abschied ist, sondern dass sich The Menzingers ihre Wut und das Unverständnis für so viele Dinge auf der Welt beibehalten werden und darauf aufbauen, denn wütend und dabei verständlicherweise genauso verloren im grossen Ganzen der Welt, wie wir alle, steht ihnen so viel besser zu Gesicht, als kitschige Sentimentalität und romantische Reminiszenzen an vergangene Tage.
Tracklist:
1. America (You’re Freaking Me Out)
2. Anna
3. High School Friend
4. Last To Know
5. Strangers Forever
6. Hello Exile
7. Portland
8. Strain Your Memory
9. I Can’t Stop Drinking
10. Strawberry Mansion
11. London Drugs
12. Farewell Youth
Bandmitglieder:
Greg Barnett – Gesang und Gitarre
Tom May – Gesang und Gitarre
Eric Keen – Bass
Joe Godino – Schlagzeug
Gründung:
2006
Text: David Spring