15. Juni 2019
Greenfield Festival – Interlaken
Bands: Sabaton / Graveyard / Eluveitie / Amaranthe / Within Temptation / Hämatom / At The Gates / The Peacocks / Zebrahead / Hellvetica / TesseracT / Cellar Darling
Mit dem Samstag war bereits auch der letzte Festivaltag angebrochen. Eine gute Zeit also, Bilanz zu ziehen. Über 82’000 Besucher waren über die drei Tage nach Interlaken gepilgert, liess Geschäftsführerin Iris Hugler bei der Pressekonferrenz stolz verlauten. Allgemein sei man bei der Geschäftsleitung sehr zufrieden mit der Jubiläumsausgabe. Das Programm sei vielfältig und ausgewogen gewesen, die Nebenattraktionen hätten sich grosser Beliebtheit erfreut und im Allgemeinen sei die Stimmung grossartig gewesen. Das Greenfield Festival also auch 2019 wieder eine tolle Sache. So weit so gut. Aber noch war das Festival am Samstagmittag ja nicht vorbei. Ganz im Gegenteil: Es standen noch zwei absolute Perlen und Festivalhighlights an.
Beim ersten der beiden handelte es sich um die Djent Band TesseracT aus England. Zu diesem Zeitpunkt brannte die Sonne noch vom Himmel. Das Wetter wollte so gar nicht zur melancholischen Schwere passen, welche die Band auf der Bühne erzeugte. Technisch hoch anspruchsvoll vermochten sie trotzdem, direkt ins Herz zu treffen und das Publikum komplett in ihren Bann zu ziehen. Getragen wurde der Auftritt von der wundervollen Stimme von Sänger Daniel Tompkins. Leider handelte es sich bei TesseracT erst um die zweite Band, welche an diesem Tag auf der grossen Jungfraustage spielen durfte. So war ihr Set viel zu schnell vorbei. Es bleibt aber die Hoffnung, die Band bald einmal wieder mit einem längeren Set und bei weniger Tageslicht sehen zu können.
Nach Tesseract waren auf der Hauptbühne dann die US-Funpunks von Zebrahead an der Reihe. Die Ränge vor der Stage waren schon deutlich besser gefüllt. Kein Wunder, denn wo Zebrahead sind, ist auch die Party. Die Band fühlte sich auch dieses Jahr wieder sichtlich wohl auf der Greenfield-Bühne und hatte eine Menge Spass. An einem Punkt wurde das Publikum zum Beispiel dazu aufgefordert, möglichst viele Crowdsurfer nach vorne zu schicken. Anlass dafür war der vermeintliche Geburtstag einer der Security-Männer vor der Bühne. Dieser hätte sich nichts sehnlicher gewünscht, als möglichst viele Crowdsurfer über die Absperrung heben zu dürfen. Die Aktion war offensichtlich ein Seitenhieb an das Crowdsurf-Verbot, welches vor ein paar Jahren am Greenfield erhoben wurde. Musikalisch wurde sehr viel melodischer Pop Punk geboten, es gab aber auch Thrash Metal Ausbrüche. Das alles war tight gespielt und hat Spass gemacht. Speziell erwähnen möchte ich hierbei auch noch die Schnauz-Frisur von Lead Gitarrist Dan Palmer. Mächtiges Teil!
Wesentlich härtere Klänge schlugen die nächsten Herren an, welche die Mainstage enterten. Es handelte sich dabei um die Melodic Death Metal Legenden von At The Gates. Wenn man sich ansieht, wie einflussreich die Herren aus Göteborg in der Metalszene waren und wie massgeblich ihr melodischer aber trotzdem stets schneller und agressiver Death Metal beispielsweise das Metalcore-Genre beeinflusst hat, hätte man zur Erwartung kommen können, dass der Platz vor der Hauptbühne gepackt voll sein würde. Leider wurde diese Erwartung aber nicht erfüllt. Denn die Menge an Zuschauern war bescheiden und dem Status dieser Band definitiv nicht würdig. Schade, denn die Band spielte ein grossartiges Set aus alten Songs von ihrem legendären Album Slaughter Of Souls und neueren Nummern von ihren späteren Werken. Sänger Tomas „Tompa“ Lindberg hatte trotzdem sichtlich Spass auf der Bühne und schaffte es dann auch, das Publikum zu einem kleinen aber feinen Circle Pit zu animieren. Das Ganze bei bestem Sound und wahnsinnig tight.
Nach At The Gates ging es mal wieder kurz zurück ins Camp. Dort traf ich aber auf besorgte Gesichter. Es sei eine Unwetterwarnung herausgegeben worden, in welcher die Festivalbesucher gebten wurden, das Gelände zu verlassen und in parkenden Autos Unterschlupf zu suchen. Kurz darauf kam auch eine Security-Frau zu uns und forderte uns auf, uns auf den Weg in Richtung Ausgänge zu machen. Keine Sekunde zu spät, denn plötzlich fing es wie aus Eimern zu schütten an. Wir konnten uns gerade noch in ein Auto retten, dann hiess es warten. Glücklicherweise war das Unwetter zwar heftig, dafür aber auch kurz. Nach einer halben Stunde war der Spuk auch wieder vorbei und um 18:00 Uhr wurde schliesslich auch der Festivalbetrieb wieder aufgenommen. Fast alle Bands erhielten neue Spielzeiten. Leider gehörte die Metalcore Band Our Last Night nicht dazu. Dafür ging es auf der Jungfraustage planmässig mit Within Tempation und danach Eluveitie weiter.
Ziemlich spät am Abend, um 23:20 Uhr um genau zu sein, folgte dann auch noch das zweite, am Anfang erwähnte Festival-Highlight: Graveyard! Die Blues- und Psychedelic Rock Band aus Schweden wirkte noch etwas unmotiviert, als sie die Bühne betraten. Vermutlich hatten sie auch mit dem Unwetter zu kämpfen gehabt. Fast nicht geschafft hätten sie es ans Greenfield. Zum Glück nur fast, denn das anwesende Publikum, welches im Verlaufe des Auftritts immer zahlreicher wurde, bekam ordentlich was auf die Ohren. Neben Brettern wie „it Ain’t Over Yet“ von ihrem letztjährigen Album „Peace“ schlug die Band auch oft ruhigere Töne an. Dies gab dem Auftritt Platz sich zu entfalten, und die verspielten, bluesigen Riffs und Solos brannten sich tief in die Gehörgänge der Anwesenden. Das Publikum hatten die Jungs von Graveyard komplett im Bann. So fühlte sich die Stunde Spielzeit definitiv viel kürzer an und es wurde lautstark nach einer Zugabe verlangt. Die Band schien nicht damit gerechnet zu haben, liess es sich aber trotzdem nicht nehmen, nochmals für einen Song auf die Bühne zu kommen. Was für ein Abschluss auf der kleineren Eigerstage!
Mich nicht überzeugen konnte der Samstags-Headliner Sabaton. Die gross inszenierte Bühne mit Schützengrabenoptik etc. zusammen mit dem kitschigen Power Metal Sound der Band war einfach etwas too much. Zum Glück stand ich mit dieser Ansicht aber wohl eher alleine da, denn der Platz war erneut proppenvoll und dem restlichen Publikum schien das Ganze Spektakel zu gefallen.
Und dann war das Festival auch schon wieder vorbei. Auch 2019 hat es sich wieder gelohnt nach Interlaken zu fahren. Gute Bands, gute Auftritte und eine sehr ausgelassene, fröhliche Stimmung. Ich bin mir sicher: 2019 wird nicht das letzte Jahr gewesen sein, an welchem ich Mitte Juni ins Berner Oberland reise.
Text: Ivo Arztmann
Bilder: Kathrin Hirzel und Berend Stettler