21. März 2019
Exil – Zürich
Bands: FEWS / Annie Taylor
Eine wunderbare Musik-Liebesgeschichte steht hinter den FEWS. Sie überwand einen Ozean, einen Kontinent und dreizehn platonische Jahre bis zum ersten instrumentalen Kuss. Doch dazu später.
Zuerst kidnappte mich die Vorband aus der entspannten, gut gelaunten Crowd im Zürcher Club Exil: Annie Taylor. Schon mit dem ersten Saitenschlag erzählt die Leadgitarre von unbekannten, phantastischen Welten. Die Stimme von Sängerin und Gitarristin Gini Jungi bestätigt selbstbewusst und sanft, dass die Zukunft vielleicht düster, aber durchaus attraktiv aussieht. Zusammen mit den virtuosen Drums und dem melodiösen Bass umarmt mich der Sound wie ein glitzernder, nachtschwarzer Mantel und lässt nur eines nicht zu: Stillstehen. Habe ich etwa mehr als nur Bier konsumiert? Verstört erwache ich kurz aus meinem Rausch, als Jungi für’s Zuhören dankt – diese Menschen kommen tatsächlich auch von hier! Und ich habe mich gerade unsterblich in sie verliebt.
Bald stürmt der Frontmann der FEWS das gut besetzte, aber nicht übervolle Konzertlokal. Er könnte auch ein charmanter, leicht irrer italienischer Physiker sein. Zum Glück hat er sich gegen Reagenzgläser und für die Gitarre entschieden. Der Mann aus San Francisco zieht sie gerne hoch bis zum Kinn, entlockt ihr herrlich klirrende Riffs, um sogleich wieder wild den schwarzen Lockenkopf zu schütteln. Fast vergessen gehen zuerst seine drei etwas ruhigeren, aber nicht minder energiegeladenen schwedischen Mitstreiter. Ihre musikalische Seelenverwandtschaft entdeckten Frontmann David Alexander und Leadgitarrist Fred Rundqvis im Jahr 2000 über die Musikplattform MySpace. Unglaubliche dreizehn Jahre später zog Alexander nach Schweden – und blieb.
Die musikalischen Folgen entzücken. Nicht nur ihr Hit „The Zoo“ vom ersten Album begeistert das Publikum. Sukzessive verzaubern die FEWS mit ihren eigenwilligen, mehrstimmigen Gitarrenläufen, steigern die Intensität mit jedem Song, und bringen zum Schluss die Crowd bis in die hintersten Reihen zum Tanzen – einige ungestüm, andere eher genussvoll in sich versunken. Sie kombinieren beunruhigende Vorahnungen mit sphärischen Höhenflügen, lassen manchmal die Morgensonne irritierend grell scheinen, und strahlen vor allem eines aus: Eine unbändige Freude am Musikmachen – und offensichtlich am Publikum: „You are amazing!“, bedankt sich Alexander zum Schluss schweissüberströmt, jetzt müsse er aber rauchen gehen. Von den zwei Zigaretten, die ihm ein junger Herr am Bühnenrand sofort entgegenstreckt, nimmt er erfreut eine entgegen und mag uns vielleicht sogar noch ein bisschen mehr.
Text: Nicole Müller