4. November 2018
Volkshaus – Zürich
Bands: Frank Turner & The Sleeping Souls / PUP / Xylaroo
Was für ein Konzert! Grundsätzlich fühlt sich ja jedes Frank Turner Konzert an wie eine ausgelassene Party im Pub, aber bei manchen springt der Funke so sehr über, dass man nur staunen, lachen und mittanzen kann. Und das an einem Sonntagabend!
Konzert Nummer 2266 ist es, dieses in Zürich. Seit 2004 tourt Frank Turner mit seiner Gitarre und später mit den Sleeping Souls um den Globus. Zum Vergleich: U2 und Metallica haben seit ihren Anfängen 1976 respektive 1982 je rund 1900 bis 2000 Konzerte gespielt. Ein hart arbeitender Musiker also, der Frank. Und man merkt ihm seine Erfahrung an. So gut seine Vorbands jeweils sein mögen, an die Energie und das Charisma von Frank Turner & The Sleeping Souls kommen sie nie ran.
Dabei reflektieren seine jetzigen Vorbands – Xylaroo aus England und PUP aus Kanada – perfekt die zwei Seiten von Frank Turner. Auf der einen Seite mit Xylaroo der ruhige Balladensänger, auf der anderen Seite mit PUP der wilde Punkrocker.
Xylaroo überzeugen mit First Aid Kit-ähnlichen Duetten und einem Red Hot Chili Peppers Cover von „Under The Bridge“, während PUP wie von der Tarantel gestochen loslegen und ohne Pause durch ihren Auftritt preschen. PUP freuen sich über die Resonanz im Publikum; sie seien es gewohnt, in kleinen Kellern mit unangenehmen Gerüchen zu spielen, sagt der Sänger – das Volkshaus sei im Gegensatz dazu doch sehr gediegen.
Und dann Frank Turner & The Sleeping Souls. Ihr siebtes Album „Be More Kind“ wurde im Mai veröffentlicht. Einige Songs sind verhältnismässig poppig geworden; auch Post-Punk-Einflüsse sind zu hören. Das Ganze hat musikalisch etwas weniger Biss als früher – wenn auch die Botschaft die richtige ist.
Wie Turner dieses Jahr in Interviews gesagt hat: „Mit den sozialen Medien haben wir unbeabsichtigt eine Maschine gebaut, die unsere Gegner entmenschlicht. Online schreiben wir Dinge, die wir niemals sagen würden, wenn wir diesen Menschen tatsächlich gegenüber stehen würden. Dass diese Entmenschlichung schreckliche Folgen haben kann, weiss jeder noch so amateurhafte Historiker.“
„Be More Kind“ ist gleich der Einstieg ins Konzert – eine simple aber effektvolle Botschaft der Menschlichkeit. „1933“ bezieht sich natürlich auf das Jahr der Nazi-Machtübernahme und zieht Vergleiche zu heute. Musikalisch gesehen stellt sich raus, dass die neuen Lieder auf der Bühne doch rauer klingen als auf dem Album.
Der Gesamttenor des Konzertes ist auf jeden Fall wild und ausgelassen. Vom fantastischen „Recovery“ über „Get Better“ und „The Next Storm“ bis zu den Gassenhauern „The Road“, „If Ever I Stray“, „Photosynthesis“ und „I Still Believe“ – wir tanzen, pogen, singen und feiern, als wäre es Samstagabend. Hinzu kommt die Schweizer Version der Zuschauerwelle und das Rudern auf dem Boden im Takt mit der Musik – die Band staunt und amüsiert sich.
Frank Turner singt „Eulogy“ auf Schweizerdeutsch, ruft Circle Pits ins Leben und crowdsurft mehrfach über die Menge. The Sleeping Souls spielen präzis und voller Elan. Gitarrist Ben Lloyd und Bassist Tarrant Anderson fegen wie Berserker über die Bühne, Keyboarder Matt Nasir gibt ein Mandolinen-Solo zum Besten, und Schlagzeuger Nigel Powell wirbelt die Schlägel zwischen den Fingern.
„Four Simple Words“ lässt endgültig alle Sorgen vergessen: das Volkshaus bebt, Turner steigt in die Menge, tanzt mit dem Publikum, lässt sich wieder auf Händen nach vorne tragen – es geht so wild zu und her, dass er sich offenbar am Fuss verletzt und den letzten Song „Polaroid Picture“ fast einbeinig singen muss. Sowas nennt man Profi.
Ein sensationelles Konzert.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
1. Be More Kind
2. 1933
3. Get Better
4. Recovery
5. Little Changes
6. The Next Storm
7. Losing Days
8. Blackout
9. Glorious You
10. The Lifeboat
11. Eulogy (in Swiss-German)
12. If Ever I Stray
13. Try This at Home
14. The Road
15. Wessex Boy
Frank Solo:
16. Substitute
17. The Way I Tend to Be
18. The Ballad of Me and My Friends
Full Band:
19. I Knew Prufrock Before He Got Famous
20. Out of Breath
21. Photosynthesis
Encore:
22. Don’t Worry
23. I Still Believe
24. Four Simple Words
25. Polaroid Picture
Text: Anna Wirz
Bilder: Berend Stettler