13. – 14. Juli 2018
Eidberg – Winterthur
Bands: Hathors / The Dues / Max Apollo / The Nozez / Basement Roots / Oakhead / Ginger And The Alchemists / Perkel
Völlig verschwitzt erreichen wir das Festivalgelände oben auf dem Hügel, von wo aus man eine atemberaubende Aussicht auf das Dörfchen Eidberg, umliegende Feld- und Waldlandschaften und die noch immer schneebedeckten Berge geniessen kann. Schon alleine dafür lohnt es sich jedes Jahr, den Aufstieg zum stets wachsenden Gratisopenair auf sich zu nehmen. Schon alleine über die Hinreise liesse sich ein Bericht schreiben – der uralte Drahtschimmel meiner Grossmutter ist mir zwar ein treuer Begleiter, aber für solche Strapazen einfach nicht gemacht. Und so schwer beladen wie an diesem heissen Freitagabend ist die gut halbstündige Fahrradtour, die konsequent bergauf führt, wirklich kein Zuckerschlecken.
Auf dem Weg zum Zeltplatz begegnen uns viele bekannte Gesichter: Das Eidberger Openair hat zwar inzwischen einen solchen Berühmtheitsgrad erlangt, dass auch Menschen von weiter her anreisen, um ein paar Stunden in dieser friedlichen und allzeit fröhlichen Stimmung zu verharren, jedoch finden sich noch immer hauptsächlich Winterthurer und Winterthurerinnen am Eidberger wieder. Auch auf dem Zeltplatz selbst wimmelt es von alten Schulfreundinnen, Nachbarn aus der Kindheit, Arbeitskollegen und Freunden, die man im Verlaufe der Jahre kennen und mögen gelernt hat. Man hilft sich gegenseitig beim Aufstellen der Zelte und bespricht sich schon für das Frühstück am nächsten Morgen, während von der Bühne her der Roots Reggae von Basement Roots hinüber weht.
Jedes Jahr kann das Eidberger Openair, welchs nun schon seit 15 Jahren stattfindet, mehr Besucherzahlen vermelden. Die meisten davon wagen irgendwann nachts wieder den Abstieg nach Winterthur, doch immer mehr schlagen auch ihre Zelte auf der Kuhweide auf. Und das Openair wird auch immer grösser: Immer mehr Stände zieren das Festivalgelände, Helfer und Helferinnen halten die drei geräumigen WC-Wagen sauber, es gibt zwei Duschen, jede Menge grosse Abfalltonnen – inklusive Mülltrennung – ein grosses Zelt spendet schatten auf der Wiese und die Hängemattenlaunch lädt zum Verweilen ein. Für den kleinen und grossen Hunger ist vorgesorgt: Wie immer gibt es den klassischen Eidburger mit Rindfleisch vom Biohof, welcher keine zwei Minuten mit dem Fahrrad hügelabwärts liegt, aber auch gebratene Nudeln und Kaffee und Kuchen wird von den vielen Freiwilligen zubereitet. Im Kiosk gibt’s auch Schleckzeug zu erwerben. Zudem gibt es Met, Crêpes, Glasnudelsalat und Mezze, angeboten von lokalen Bekannten. An der Bar und im Saloon gibt es allerlei Flüssiges.
Es ist kaum zu glauben, wie viel Arbeit jedes Jahr aufs Neue in das Festival gesteckt wird, wie viele Wochen Arbeit vor- und nachher in dieses Herzensprojekt gesteckt werden. Und noch immer ist der Eintritt umsonst und die Preise für Getränke und Essen sind mehr als fair.
Max Apollo ist die zweite Band an diesem Abend. Mit ihren sphärischen Klängen, einem etwas mystischen Touch und doch sehr viel Eingängigkeit ist das Potenzial, eine breite Masse zu begeistern, gross. Das Publikum scheint den Auftritt zu geniessen, wenn auch nur ein Bruchteil der Besucher tatsächlich vor der Bühne Platz findet. Die treffsichere und charmante Stimme des Sängers erreicht jedoch auch die gemütlich auf der Wiese sitzenden, in den Hängematten baumelnden und mit einem Auge die herumtollenden Kinder beobachtenden.
Hathors, die Winterthurer Noiserocktruppe, ist Headliner des Abends. Leider wird es das letzte Konzert mit Drummer Raphael Peter sein, wie kurz vor dem Konzert bekannt gegeben wurde. Vor der Bühne entsteht ein bunter Tanzhaufen, Hathors treffen genau den Nerv der Besucher. So manche kannten die Band noch nicht, verfolgen musikalisch andere Interessen, doch zeigen sich begeistert ab der puren Energie und der geballten Kraft, mit der Gitarrenriffs und Basslines, untermauert von einem starken Drumset, den Festivalbesuchern entgegen geschmettert werden. Jedoch hat sich die Band aus Winterthur auch eine gewisse Fangemeinde erarbeitet im Verlauf der letzten Jahre, wenn auch sie sich momentan mehr auf ausländischen als heimischen Bühnen zu bewegen scheinen. Das Set scheint perfekt zu sitzen, und auch Soundtechnisch gibt es nur wenig auszusetzen. Teilweise geht der Gesang von bei leisen Passagen unter, manchmal gewinnt der Basssound die Überhand – die ausgelassene Stimmung leidet nicht darunter.
Nach diesem letzten Konzert für den ersten Abend leert sich der Raum um die Bühne herum schnell, weiter oben findet im Schuppen noch eine Party statt. Während sich die tanzwütigen dort verausgaben, kann auch noch immer gegessen und getrunken werden, grüppchenweise verteilen sich die Besucher über die grosse Wiese und lassen so den Abend ausklingen.
Am nächsten Morgen wartet ein Frühstücksbuffet die Camper, es wird Kaffee getrunken, Yoga gemacht, die ersten Crêpes verspeist. Wer sich nicht vor einem erneuten Aufstieg fürchtet, fährt mit dem Fahrrad runter auf Sennhof, um sich in der Töss zu erfrischen. Oder man stellt sich im Stundentakt unter die selbst gebaute Dusche auf dem Festivalgelände, um sich auf diese Art etwas Abkühlung zu verschaffen.
Die erste Band beginnt im Verlauf des Nachmittags mit ihrem Programm: Perkel machen mit vielstimmigem Mundartgesang und „Rumpelpop“, wie die Band selbst ihre Musik nennt, gute Laune, während im Schatten Kartenspiele gespielt werden und Hunde neue Freundschaften schliessen. Ginger And The Alchemists können mit sehr poppigem Folk die Freunde softer Musik für sich gewinnen, im Hintergrund ist der Sonnenuntergang zu sehen und alles wirkt beinahe unecht kitschig. Alles andere als kitschig geht es aber mit Oakhead weiter: die drei Jungs an Schlagzeug, Gitarre und Bass geben mächtig Gas und pfeffern mit wilden Riffs um sich, das so mancher ins Staunen gerät. Gesungen wird nicht: das sei nur Verschwendung zwischen den Gittarrensoli. Oakhead machen definitiv keine Musik für Träumer und Fans der einfach zugänglichen Musik, doch musikalisch stellen sie ihre überaus lobenswerten Fingerfertigkeiten unter Beweis.
The Dues knöpfen mit ihrem Bluesrock an den Stil des Trios an. Die drei Winterthurer haben schon so manche lokale Bühne bespielt und sich so einen gewissen Namen gemacht. Auch die Winterthurer Musikfestwochen haben The Dues schon zu sich auf die Steibibühne eingeladen – eine Ehre für jeden und jede der Eulachstadt. The Nozez sind die letzte Band des diesjährigen Openairs und mit ihren Balkan-Vibes haben sie das Publikum sofort gepackt. Zu rassigen Rhytmen wird getanzt, Blechbläser und Gesang hallen über das Areal. Inzwischen ist es dunkel, sowohl vor wie auch neben der Bühne ist es rappelvoll. Die bunten Lichter untermauern die Stimmung, die The Nozez mit ihrem „Gipsy-Jazz-Balkan-Chabbis“, der in starkem Kontrast mit der restlichen Musik des Festivals steht, hinaufbeschwören.
Am Sonntagmorgen herrscht allgemeine Aufbruchstimmung auf dem Zeltplatz. Manche leiden unter den Folgen der Afterparty im Schuppen, andere sind Putzmunter, da sie den ganzen vergangenen Abend noch mit der Erholung der ersten Nacht beschäftigt gewesen sind. Vor dem Frühstücksbuffet hat sich eine ansehnliche Schlange gebildet, überall tummeln sich zufrieden essende Gäste mit Kaffee und Tee und lassen das Openair so ausklingen. Der Zeltplatz lichtet sich, denn die meisten wollen das Abbauen hinter sich gebracht haben, bevor die Sonne zu unerträglich wird. Die Heimreise ist deutlich angenehmer, als der Aufstieg: Bergab, durch die ruhigen Dörfer, mit Aussicht auf das Näherkommende Winterthur, dabei ständig einen angenehmen Fahrtwind im Gesicht.
Text und Bilder: Sarah Rutschmann