26. Januar 2018
Rote Fabrik – Zürich
Bands: Hathors / Asbest / Gentle Beast
Die Rote Fabrik nahe des Bahnhofs Wollishofen hätte bereits in den 70er Jahren dem Erdboden gleichgemacht werden sollen. Nach einer Volksabstimmung konnte sich die ehemalige Seidenweberei am Seeufer jedoch gegen die fortschreitende Wirtschaft wehren und wurde zum Kultur- und Begegnungszentrum umfunktioniert. Seit 1980 herrscht nun wieder Leben in der einst stillen Fabrik – so auch diesen Freitagabend mit den Bands Gentle Beast, Asbest und Hathors.
Gentle Beast ist eine fünfköpfige Stoner-Band aus Basel, die sich erst vor knapp einem Jahr zusammengeschlossen hat. Das Publikum ist noch bescheiden in Anzahl und Verhalten – vor der Tür um die Feuerschale wird Bier getrunken und geraucht und im Innern des „Ziegel Oh Lac“, des Restaurantgebäudes, finden sich erste neugierige Hörer und Hörerinnen vor der Bühne ein.
Auch die zweite Band stammt aus Basel. Asbest besteht aus den beiden Frauen Robyn und Judith an Gitarre und Bass und dazwischen Drummer Jonas, der auch bei „Heavy Harvest“ den Takt klopft. Dies ist sein erstes Konzert mit Asbest – was man aber als ahnungsloser Konzertbesucher nicht merkt. Mit Frau am Bass hat das Basler Trio bei mir als Bassistin bereits einiges an Sympathiepunkten eingesammelt – doch auch von dieser Tatsache abgesehen trifft die Musik von Asbest meinen Geschmack. Die sich stark wiederholenden, eingängigen und wummernden Melodien, die doch immer wieder Überraschungen bergen, lassen die Zeit nahezu unbemerkt verstreichen. Und das, obwohl die Uhr geradewegs neben der Eingangstüre hängt und somit kaum zu ignorieren ist.
Hathors aus Winterthur beenden den Abend. Die Band hat unlängst ihr drittes Album, welches den Titel „Panem et Circenses“ („Brot und Spiele“) trägt, veröffentlicht. Gespielt werden nebst Stücken des aktuellen Albums auch Songs der vorhergehenden Werke „Hathors“ und „Brainwash“. Zum zweiten Mal ist heute auch Simeon Thompson, der neue Mann am Bass, mit von der Partie. Mit seiner blonden Prinz-Eisenherz-Frisur zeichnet er sich zwar optisch von den braunhaarigen Bandkollegen ab, musikalisch ist er jedoch bereits optimal integriert worden. Obwohl inzwischen nur noch 33.333% der ursprünglichen Bandbesetzung vertreten ist, weiss die Musik des Trios einen hohen Wiedererkennungswert vorzuweisen und – von minimalen Unsicherheiten abgesehen – lässt das Zusammenspiel des Dreiergespanns nicht erkennen, dass Hathors erst seit kurzem in dieser Konstellation unterwegs ist. Die drei Musiker wissen, wie sie ihre Instrumente einzusetzen haben. Und auch die Langatmigkeit des Sängers Marc Bouffé verdient eine explizite Erwähnung – scheinbar ohne Luft zu holen wird zwischen kratzigem Geschrei, mal kräftigem und mal scheinbar teilnahmslosem Gesang und sonorem Summen gewechselt, wodurch die musikalische Bandbreite des Sets ihre Vollendung erhält.
Hathors machen Musik für Menschen, die unvorhersehbar wechselnde Rhythmen geraden, sich immer gleichbleibenden Takten vorziehen, sich von einem wilden Austausch zwischen schleppendem Aufbau und vulkanartigem Ausbruch nicht aus der Ruhe bringen lassen, Dynamik zu schätzen wissen, nicht bewegungsfaul sind, Wert auf sauber verfasste und inhaltlich korrespondierende Songtexte legen und dabei auch noch die Erwartung haben, emotional angesprochen zu werden. Wer sich die Studioalben anhört, darf durchaus erwarten, live genau das zu hören, was aus den Wohnzimmerboxen erklingt. Stichwort Authentik: Man kauft den drei Musikern nicht nur von A bis Z ab, was sie auf der Bühne leisten; man erlebt auch keine Enttäuschung, da bereits im Studio Wert auf die Energie und die Dynamik der Musik gelegt und auf überproduzierte Specialeffects verzichtet wurde.
So die Brücke vom Konzert im „Ziegel oh Lac“ zu zukünftigen Studioplänen schlagend: Bald schon erwartet uns eine neue Single des Winterthurer Trios. Ende Jahr sind Aufnahmen für Album Nummer vier geplant. Da auch bisher bei Bild und Ton mit internationalen Grössen wie John Agnello (Dinosaur Jr., Sonic Youth), Steve Gullick (Nirvana, Mudhoney, Pearl Jam) oder dem Duo „A Kaleidoscope Of Nothingsness“ zusammengearbeitet wurde, kann ein stimmiges, sitzendes Gesamtpaket erwartet werden, das, wie immer bei Hathors, einfach «verhebed».
Text: Sarah Rutschmann