Was dem Sendeturm Beromünster 2008 widerfahren ist, droht allen UKW Radiosendern im Land. Der Sendebtrieb soll bis 2024 eingestellt werden.
Gemäss der Radiobranche sollen die Radioprogramme bis spätestens 2024 in der ganzen Schweiz digital verbreitet werden. Nach der Umstellung des Fernsehempfangs folgt nun dasselbe beim Radioempfang.
Digital Audio Broadcast, kurz DAB+, ist Europaweit auf dem Vormarsch. Die Schweiz hat bereits heute eine technische Abdeckung der Einwohner_innen von 99.5% erreicht und ist somit führend in Europa. Gleichauf mit Norwegen und dicht gefolgt von Dänemark. Weit abgeschlagen ist Frankreich mit gerade mal 19%.
Seit 2009 sind 2.4 Millionen Empfangsgeräte in der Schweiz verkauft worden. Laut der Statistik von «World DAB» von Ende 2015, wird in der Schweiz die Hälfte der 3.6 Millionen Haushalte erreicht.
Auch in der Automobilindustrie ist eine klare Tendenz da. Zwei von drei Neuwagen in der Schweiz, werden mit DAB+ Radios ausgestattet. Selbst bei den Mobiltelefonen ist etwas am Köcheln. LG hat diesen Frühling ein Gerät mit DAB+ Empfänger auf den Markt gebracht. Damit muss nicht mehr über das Mobile Netz Internet Radio gehört werden, was einen tieferen Datenverbrauch zur Folge hat.
Nebst der internationalen Dachorganisation «World DAB» hat jedes Land in Europa mindestens eine weitere nationale Organisation zur Umsetzung der Digitalstrategie. In der Schweiz sind es deren vier. Die SwissMediaCast (SMC), Romandie Médias SA (RMS), Digris-Limus und natürlich die SRG, welche dafür die MCDT AG, eine 100% Tochterfirma der SRG Gruppe, einsetzt.
Die DAB Technologie besteht bereits seit den 1990er Jahren und wurde kontinuierlich weiterentwickelt. Sie hat den Vorteil, dass eine grössere Anzahl von Programmen in rauschfreier Qualität über- tragen werden kann.
Das Komprimierungssverfah- ren auf DAB+ nennt sich MPEG-4 High Efficiency Advanced Audio Coding (kurz HE-AAC), auch AAC+ v1 respektive v2. Es handelt sich um einen lizenzpflichtigen Audio-Codec der Moving Picture Experts Group (MPEG).
Der Standard liefert bei niedrigen Bitraten vergleichs- weise gute Ergebnisse und eignet sich daher besonders für Live-Streams.
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ARTNOIR konnte Ernst S. Werder von MCDT ein paar Fragen rund um DAB+ stellen. Werder ist seit 2006 Projektleiter für die kommerzielle Einführung von DAB/DAB+ bei der SRG.
Micha: Mit welcher Bitrate werden die DAB+ Inhalte heute übertragen?
Ernst S. Werder: Mit 64 – 96 kbit/s, Audiostandard AAC+
Für Sprache scheint die Übertragungsqualität ausreichend zu sein. Was erwarten Sie bei der Musik? Werden die Hörer_innen von beispielsweise Klassischer Musik diese Qualität akzeptieren?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Einerseits hängt dies von den individuellen Erwartungen der Hörer_innen ab. Bereits hier gibt es unzählige Meinungen, die weit auseinandergehen. Andererseits vom DAB+ Gerät. Hochwertigere Geräte bieten auch eine bessere Musikqualität. Fakt ist, dass die Digitalisierung der Radioverbreitung, analog der Verbreitung von Fernsehprogrammen, nicht aufzuhalten ist.
Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile bei der Umstellung auf DAB+?
Wir sehen eigentlich nur Vorteile. Dazu zählt das grosse und vielfältige Programmangebot. Insgesamt sind 91 DAB+ Sender, je nach Region, empfangbar. Zusätzlich sind diverse sogenannte DAB-only-Programme on air, die über die Luft nur über DAB+, nicht aber über UKW, empfangen werden können.
DAB+ Radios suchen und programmieren die empfangbaren Sender automatisch. Der Empfang ist störungsfrei. Knistern und Rauschen gehören der Vergangenheit an. Weiter ist es möglich Text und Bild zu übertragen. Voraussetzung ist ein DAB+ Radio mit Farbdisplay. Und DAB+ ist wirtschaftlicher und umweltfreundlicher als UKW, weil für die terrestrische Verbreitung weniger Sender betrieben werden müssen.
Die Abdeckung des Strassennetzes in der Schweiz ist bei 99%. Wie geht der Ausbau der Strassentunnel voran?
Eine Reihe vielbefahrener Stadt- und Autobahntunnel ist bereits mit DAB+ ausgerüstet. Digitalradio ist aktuell in den folgenden Tunnel empfangbar: www.digitalradio.ch/de/auto/tunnel. Für die DAB+ Ausrüstung der Nationalstrassen-Tunnel ist das Bundesamt für Strassen (ASTRA) zuständig. Das ASTRA hat bereits 2015 angekündigt, bis 2018 rund 200 Tunnel mit DAB+ auszurüsten. Dafür investiert der Bund rund 30 Millionen Franken.
Reagieren die DAB+ Autoradios auf die «traffic announcements» der grossen Radiostationen?
Ja, die meisten DAB+ Autoradios reagieren auf die Verkehrsmeldungen.
LG hat diesen Frühling ein Smartphone mit DAB+ Empfänger auf den Markt gebracht. Wie sehen Sie das Potenzial in der Mobiltelefonie? Wird DAB+ künftig standardmässig bei allen Anbietern eingebaut sein?
Das wäre aus unserer Sicht natürlich optimal. Im Moment ist LG aber noch der einzige Hersteller, der DAB+ Radioempfang über Smartphone anbietet. Wir gehen jedoch davon aus, dass andere nachziehen werden. Die Mobiltelefonie bei DAB+ hat noch viel Potential. Wenn DAB+ in Mobiltelefonen verfügbar ist, dann können Radiohörer_innen je nach Netzabdeckung die beste Empfangsmöglichkeit wählen. Vor allem in Gebieten mit dichter Nutzung sind Mobilfunknetze rasch ausgelastet, wenn viele Leute gleichzeitig Radio oder Musik streamen. Bei Grossanlässen oder in Krisensituationen kann die mobile Datenübertragung zudem an ihre Grenzen stossen. Rundfunknetze hingegen versorgen eine unbegrenzte Anzahl von Hörer_innen.
Seit 2009 sind 2.4 Millionen Empfangsgeräte verkauft worden. Laut der Statistik von «World DAB» von Ende 2015, wird in der Schweiz rund die Hälfte der 3.6 Millionen Haushalte erreicht. Was braucht es, um die Akzeptanz zu steigern?
Die Zahl der Digitalradio-Geräte steigt in der Schweiz laufend. Im Herbst 2015 wurden von 100 Radiominuten 49 digital gehört. Der analoge UKW-Empfang verliert weiter an Terrain in allen Landesteilen und Altersklassen. Das zeigen Befragungen zur digitalen Radionutzung.
Zuhause und bei der Arbeit hat Digitalradio das analoge UKW-Radio bereits überholt. Während am Arbeitsplatz leicht mehr Radio über DAB+ gehört wird, konsumieren die Leute zuhause ihre Radioprogramme etwas mehr via Internet. Im Auto nimmt die Nutzung über DAB+ ebenfalls kontinuierlich zu.
Der Bundesrat möchte das UKW Netz ab 2024 einstellen. Ist dieses Ziel realistisch?
Der Bundesrat hat noch keinen konkreten Abschalttermin für UKW festgelegt bzw. kommuniziert. Die Radiobranche skizzierte 2014 zuhanden des Bundesrates einen möglichen Weg von UKW zu DAB+. Demnach sollen Radioprogramme bis spätestens 2024 in der ganzen Schweiz hauptsächlich digital verbreitet und die analogen UKW-Sender ab 2020 schrittweise abgeschaltet werden. Die Branche steht geschlossen hinter diesem Vorgehen, deshalb ist dieses Ziel auch realistisch.
8 Jahre sind ein relativ kurzer Zeitraum für eine solche Umstellung. Was wurde bereits gemacht und wie werden sie die Schweizer Bevölkerung weiter informieren, um sie auf die Umstellung vorzubereiten?
Die SRG klärt seit 2006 über DAB+ Digitalradio auf, seit 2011 intensiv und in Zusammenarbeit mit den Privatradios und der CE Branche.
In den nächsten Jahren sind weitere und noch grössere Informationsaktivitäten geplant. Die Informationskampagnen zielen auf Hörer_innen, Importeure, Verkäufer und die Automobilindustrie ab. Dieses Engagement hat sich bereits ausgezahlt. Der Handel verkauft heute fast ausschliesslich DAB+ Radios.
Die Entwicklung der digitalen Radionutzung wird zudem halbjährlich untersucht. Die Arbeitsgruppe DigiMig hat eine digitale Radionutzung von 68 Prozent als Voraussetzung für eine UKW-Abschaltung definiert.
Ziel aller Beteiligten ist es, dass Radiohörer_innen in allen Schweizer Landesteilen zum Zeitpunkt des Wechsels von UKW auf DAB+ ihre Programme weiterhin empfangen können.
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Die Umstellung von UKW auf DAB+ ist also beschlossene Sache. Nebst den vielen Vorteilen von DAB+ wird sich zeigen, ob die Musikliebhaber_innen dem Medium treu bleiben.
Mehr Informationen zum Thema gibt’s hier www.digitalradio.ch, www.mcdt.ch
Text + Interview: Micha Loosli
Bilder: SRF, Lenco, Panoramio
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