Marketing Gag oder Qualitätssteigerung?
Vinyl boomt. Im Vergleich zu früher immer noch bescheiden, ein klarer Trend nach oben ist dennoch festzustellen. Viele Neuauflagen bekannter Alben werben mit dem sogenannten Gütesiegel „Half Speed Mastering“.
Da helfen mir die 4 Semester an der Fachschule für Tontechnik nicht, dachte ich, als mir ein Bekannter die Frage stellte, ob es wirklich hörbar ist oder nur ein weiteres Marketing-Versprechen.
Das schöne bei analoger Technik ist, dass simple Logik funktioniert. Wenn bei der Aufnahme auf Band, dieses doppelt so schnell läuft, wird dem Audio in der gleichen Zeit doppelt so viel Band gegeben. Was zu einer höheren Auflösung führt. Dementsprechend würde beim Vinylschnitt bei halbem Tempo dem Stichel doppelt so viel Zeit gegeben, um das Audio zu schneiden. Was ebenfalls zu einer höheren Auflösung führen müsste.
Zuerst das Grundsätzliche zur Vinylherstellung
Die Original-Aufnahme wird, zum Beispiel ab Band oder ab Computer, im Originaltempo der Schneidmaschine bei Umdrehungen von 33 1/3 rpm oder 45 rpm zugespielt. Dabei wird die Toninformation in einen Plattenrohling aus lackiertem Metall geschnitten. Danach wird die Lackplatte metallisiert und galvanisch mit Kupfer beschichtet. Aus dieser Negativform wird wieder eine metallisierte Positivform erstellt, aus der dann die Pressmatrize gefertigt wird.
Zurück zum Half Speed Mastering
Im beschriebenen Prozess ist es möglich, die Schneidmaschine mit halber Geschwindigkeit laufen zu lassen und die Originalaufnahme ebenso. Dem Stichel wird mehr Zeit gegeben, dieselbe Information abzubilden. Quasi ein Bild mit höherer Auflösung. Wenn nun beide Tempi exakt der Hälfte entsprechen, wird die Geschwindigkeit und die Tonhöhe beim Abspielen wieder dem Original entsprechen. Dieser Prozess führt zu einer besseren Tiefton-Abbildung, verbesserter Transientenwiedergabe und einem grösseren Headroom im Hochtonbereich, da im normalen Plattenschnitt Frequenzen bis ungefähr 15kHz abgebildet werden können, sind es im Half Speed Mastering theoretisch eben 30kHz.
Nichts Neues
Das Half Speed Mastering ist nichts Neues. Vielmehr wurde es bereits in den 1960er Jahren von Plattenfirmen wie Decca angewandt. Diese Technologie fiel jedoch der Marktwirtschaft zum Opfer. Die Entwicklung vom Echtzeitschnitt wurde soweit verbessert, dass er als akzeptierbar durchgewunken wurde. Wenn die Produktivität verdoppelt werden kann mit demselben Personalaufwand …
Zurück zur Frage und zur Antwort
Wenn die RIAA Schneidkennlinie richtig angepasst wird und auch noch viele andere Details stimmen, ist Half Speed Mastering mehr als ein Marketing Gag, sondern tatsächlich eine klangliche Verbesserung.
Text: Micha Loosli