12. Dezember 2015
Met-Bar – Lenzburg
Bands: Influence X / Surrilium
Eigentlich war der Abend anders geplant. Tolles Nachtessen, eine exquisite Zigarre, ein erstklassiger Whiskey und den Abend vor dem heimischen Kamin ausklingen lassen. Wäre die Met-Bar in Lenzburg nicht zufälligerweise auf dem Nachhauseweg gelegen, so hätte der Abend auch so geendet. Aber so landete man im eben besagtem Lokal, wo die Lokalmatadore Influence X quasi ein Heimspiel abhielten.
Den Abend teilte man sich mit der mir unbekannten Band Surrilium. Was konnte man auf die Schnelle in Erfahrung bringen? Eine deutsche Band aus dem Grossraum Freiburg mit einer Schweizer Sängerin, die gerade ihr neues Album „Sir William“ lanciert haben und offenkundig ganz gut klingen sollen. Die Met Bar ist bekannt als Gastgeber für Musik der härteren Gangart und Frauenstimmen eignen sich nicht immer für Metal und Konsorten. Met Bar Chef und Frontmann von Influence X, Ramin Dänzer gab auch gleich eine Empfehlung für die Vorband ab. Man hätte beim Soundcheck die Kinnlade wieder hochbinden müssen, liess er verlauten. Aber eben, nach Worten lasst Taten folgen.
Früher, also ganz ganz früher, verband man Rock- und Metal-Musiker mit Leder, langen Mähnen, Nieten und dem dazu gehörenden Karsumpel. Einen Blick auf die Bühne gab jedoch ein wesentlich anderes Bild ab. Die Instrumental-Abteilung sah eher nach Baumarkt- und Bankschalter-Mitarbeiter aus als nach Noten-Rocker und stand im krassen Gegensatz zu ihrer Frontfrau, die eher wie ein Paradiesvogel zwischen den unscheinbaren Mitmusikern stand.
Unauffällig unaufdringlich, ja schon fast erschreckend sanft stimmten Surrilium ihren ersten Song „Sir William“ an. Aber die verwöhnten Ohren horchten schon mal aufmerksam auf. Auch die Augen wurden nicht minder verwöhnt. Sängerin Seraina Telli stand selbstbewusst in der Bühnenmitte, in leicht mittelalterlichem Outfit, Side-Cut mit farbenfroh eingefärbtem Haar und überzeugte schon mal mit visuellen Reizen. Schön rausgeputzt – doch nichts genutzt? Vergesst es! Die junge Sängerin wischte herablassende Gedanken schon mit der ersten Gesangspassage weg. Da stand nicht bloss ein auffälliges Püppchen auf der Bühne, sondern eine ausgebildete Sängerin, die jeden Ton fabulös traf und alle Zweifler und Schwarzmaler deftig und zu Recht in die Schranken wies.
Nach dem sanftmütigen musikalischen Einstieg, zeigten die Herren um Sängerin Seraina ihr wahres Können, das makellos und hochgradig professionell war. Was Surrilium dem Publikum boten, war von besonderer Güte. Luftig unbeschwert und mit unverkrampfter Spielfreude spulten sie ihren ersten Song runter, der nicht weniger als 30 Minuten Spiellänge hatte. Das Outro nutzte sie Sängerin um sich das erste Mal umzuziehen, was dem eher statisch wirkenden Bühnenbild wenigstens ein wenig zum Leben verhalf. Die Bühne in der Met Bar ist zugegebenermassen nicht die grösste, aber auch da muss man sich nicht zwangsläufig auf den Boden tuckern lassen. Ergo – ein wenig mehr Bewegung hätte nicht geschadet und Keyboarder Jordan hätte sicher auch stehend eine gute Figur machen können. Egal. Dies schmälerte den Auftritt von Surrilium in keiner Art und Weise. Für Abwechslung sorgte die Band mit ihrer fast erschreckenden Leichtigkeit, wie sie das anspruchsvolle Songmaterial spielen. Sanfte filigrane Passagen gaben sich die Hand mit Prog lastigen Teilen, bei denen auch der Drummer zeigen durfte, dass sein Instrument Schlagzeug und nicht Streichelzeug heisst.
Lange Rede kurzer Sinn. Vier Songs vom neuen Album „Sir William“ (also 80% der CD) und einer vom ersten Silberling und ein Gig ist vollendet. Da waren durchaus Profis am Werk, die sich offenbar von Marillion, Yes oder auch Spocks Beard inspirieren liessen und trotzdem kam das Songmaterial in einem Guss daher. In der Mitte Sängerin Seraina Telli, die eindrucksvoll zeigte, dass auch im Prog lastigen Umfeld Frauenstimmen berechtigt Platz haben.
Tja, meine Herren von Influence X, wenn ihr euch da mal mit dem Booking eurer Vorband nicht ein Eigentor geschossen habt, denn Surrilium legten die Messlatte ziemlich hoch. Die Mannen um Ramin Dänzer waren in der Tat gefordert und schienen die Herausforderung ernst zu nehmen. Denn mit „Invasion“ legte die Prog-Metal Formation fulminant los und zeigte dem Publikum in der Met Bar, wo besagter Hammer hängt.
Der Dritte Song „Terror Keep On Reign“, der wohl auf einem hoffentlich bald kommenden neuen Album Platz finden wird, zeigte eindrucksvoll die weitere Marschrichtung der CH-Progger und auch, dass man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen will. Genau so stellt man sich kraftvollen und anspruchsvollen Sound vor.
Schade, dass die filigranen Passagen von Gitarrist Rodger Iqbal ein wenig untergingen und auch 6-Saiten-Basser Ralph Zollinger hätte ein wenig mehr PS verdient, denn der Bass war visuell zumindest vorhanden, akustisch leider nicht immer wahrnehmbar. Überhaupt fuhren IX ein ziemliches Brett in dem kleinen Club, was zwar durchaus Spass machte, aber ab und zu schmerzte die Lautstärke schon ein wenig. Was soll’s? Letztendlich spielen die Jungs Prog-Metal und kein Coop-Schwiizergoofe-Gedudel.
Was der Vorband ein wenig fehlte, lieferten Influence X problemlos ab. Kompromisslose Riffs, beeindruckend unterstützt von Drummer Roger Heim liessen die Met Bar fast erzittern und brachten dem Abend die nötige Power. Auch ohne Vocals zeigten Influence X bei Ihrem Instrumental-Song das spielerisch hohe Niveau, das sich mittlerweile auch im internationalen Vergleich durchaus messen kann. Dies hat die Band übrigens im Juli dieses Jahres im Vorprogramm von Dream Theater zeigen dürfen, wo sie trotz ungünstigen (oder eher widerlichen) Rahmenbedingungen eine wirklich gute Leistung zeigten.
Apropos Dream Theater: Das kurze Anspielen von „The Root Of All Evil“ liess aufhorchen und rang dem einen oder andern ein Schmunzeln ab: Ich bin mir sicher, dass Influence X durchaus in der Lage wären, ein DT-Cover adäquat zu spielen. Dies ist aber absolut nicht notwendig, denn das Songmaterial von IX ist ebenfalls hörenswert.
Wenn man bedenkt, dass Sänger Ramin mit seinen Nebenhöhlen Probleme hatte und deswegen sogar in Betracht zog den Gig abzusagen, muss man respektvoll den Hut ziehen, denn man merkte im Publikum wenig, dass er mit einem Handicap zu kämpfen hatte. Vielleicht lag es schlichtweg daran, dass die Band einfach unglaublich Spass daran hatte ihre Songs live zu präsentieren und somit sehr authentisch rüberkam. Meines Erachtens ein Eckpfeiler für einen gelungenen Auftritt.
Nach einem Eishockey-Spiel wird jeweils der beste Spieler gewählt. Für einmal war die Wahl auch wirklich Qual, denn mit beiden Bands standen sehr gute Musiker auf der Bühne, die man eigentlich nicht miteinander vergleichen sollte. The Oscar goes to: Influence X Keyboarder Vito Staedler, der eindrucksvolle Solis präsentierte und zudem zeigte, dass Tastenleute auch Show-technisch etwas zu bieten haben. Das drehbare Keyboard erinnerte zwar ein wenig an Jordan Rudess, aber wieso soll man eine gute Idee nicht applizieren dürfen? Dem Bühnenbild tat es jedenfalls gut, dass sich Staedler bewegte und drehte.
Fazit: Spontan einen Gig besucht und spontan überrascht entscheidet man sich einen Konzertbericht zu schreiben. Es scheint wie beim Sex zu sein: geplant mag zwar schön sein – spontan jedoch ehrlicher und lustvoller.
01 Invasion
02 Existence
03 Terror Keep On Reign
04 Pacman
05 Determined
06 Stranded
07 Voyager
08 Paranoise
Text: Daniel Baratte