Datum: 25. – 28. Juni 2015
Ort: Sittertobel – St. Gallen
Webseite: OpenAir St. Gallen
Traumwetter und top Stimmung
Das Wetter steht beim OpenAir St. Gallen sehr oft im Vordergrund. Petrus ist meistens etwas unberechenbar und verwandelte das Gelände in ein grosses Schlammloch. Aber bei der 39. Ausgabe konnte man sich seit langem wieder einmal auf die musikalischen Darbietungen konzentrieren und die Gummistiefel getrost zu Hause lassen. Einzig am Samstagnachmittag wurden die rund 30’000 Besucher kurz, aber heftig geduscht. An einzelnen Stellen entstanden kleinere Schlammstellen, die aber in keinem Vergleich zu den Vorjahren standen, wo man sich zeitweise mit einem Gummiboot schneller auf dem Gelände fortbewegen konnte, als zu Fuss.
Nun aber zu den musikalischen Höhepunkten. Alle Konzerte zu besuchen ist leider, wegen der Anzahl Bands und den Programmüberschneidungen zwischen der grossen Sitterbühne und der kleineren Sternenbühne, ein Ding der Unmöglichkeit.
Freitag
Money For Rope
Zu Beginn standen nur ein Dutzend Personen vor der Bühne. Durch den coolen, australischen Rock zog es aber dann immer mehr Musikbegeisterte heran. Das Spezielle an ihrem Auftritt war sicher das Doppel Schlagzeug, welches ordentlich für Druck sorgte.
Jack Garratt
Durch die BBC bereits in den Himmel gelobt, konnte er eigentlich nur gut sein. Aber nein, er war nicht nur gut, er war phänomenal. Als One-Man Show verzauberte er das Publikum vom ersten Ton an.
Royal Blood
Als Duo auf der grossen Sitterbühne sahen sie ein bisschen verloren aus. Das kompensierten die beiden aber mit ihrem knackigen Bluesrock und konnten so das Publikum schon ein bisschen vorkochen für den ersten Hauptact.
Rise Against
Auf sie freute ich mich ganz speziell, liefen ihre Platten doch rauf und runter auf meinem iPhone. Zu Beginn war es eher eine Kennenlernen-Phase „Band, Publikum, Band“. Doch spätestens ab dem dritten Song, als Frontmann Tim McIlrath gleich mal ein Bad in der Menge nahm, waren die Berührungsängste dahin geschmolzen. Ein schweisstreibendes Konzert der US-Punkrocker, die im Oktober gleich nochmals Winterthur mit einer Headliner Show beehren wird.
Noel Gallagher’s High Flying Birds
Als Hauptact für den Freitag angekündigt erfüllte er die Erwartungen leider nur teilweise. Die englische Coolness zelebrierte er ein bisschen zu stark. Einzig mit den mitgebrachten Oasis Songs konnte er schlussendlich doch noch etwas Stimmung ins Sittertobel transferieren.
Samstag
Lo & Leduc
Die Berner Mundart Kombo brachten den einzigen, aber wirklich starken Regenguss, mit. Der Stimmung konnte dies jedoch nichts anhaben. Schweizer Bands haben selbstverständlich Heimvorteil. Diesen benötigten sie aber gar nicht, weil der Hinterste und die Letzte vor der Bühne jeden Song von ihnen auswendig kannte.
Itchy Poopzkid
Meine Lieblings Punkrocker aus Deutschland durften dann wieder bei trockenem Wetter auf der Sitterbühne weitermachen. Seit rund 14 Jahren gibt es das Trio und sie haben eine Spielfreude, die seinesgleichen sucht. Nichts wirkt aufgesetzt oder eingeübt. Natürlich durfte der obligate Ritt im Publikum auf dem Gitarrenkasten von Gitarrist Sibbi nicht fehlen. Ein Vollgas Konzert für alle Punkrock Fans.
Stress
Musikalischer Tiefpunkt für mich. Zu laut, zu hektisch und zu „stressig“. Dem Publikum gefiel es trotzdem. Amen.
Mighty Oaks
Die Beruhigungspille für meine Ohren. Sie überzeugten vor allem durch ihren ehrlichen und natürlichen Indie Folk Rock. Gross in Erinnerung blieben sie mir aber trotzdem nicht.
Farin Urlaub Racing Team
Der Oberarzt der „Ärzte“, Farin und sein Racing Team, überzeugten durch viel Power und direktem Punkrock. Untermauert durch die Background Sängerinnen und die Bläser klang es fast ein bisschen wie die Ärzte Unplugged. Unterhaltsam waren sie allemal, vor allem oder gerade wegen den lustigen Sprüchen von Farin
Placebo
Vor der grossen Sitterbühne gab es keinen freien Millimeter mehr, als sie ihre Show begannen. Wie immer lieferten sie eine perfekte Show ab. Was mich bei ihren Auftritten fasziniert ist, dass man sich wie in einem Traum fühlt. Eingebettet in weicher Watte gleitet man dahin und erwacht erst wieder, wenn der letzte Ton verklungen.
Sonntag
Wanda
Gleich zu Beginn wurde gefragt: „wer von euch hat den die letzte Nacht nicht geschlafen?“ Viele Hände gingen hoch und die Antwort war „Wir auch nicht.“ Dabei stand der Auftritt der sympathischen Österreicher wegen Krankheit bis kurz vor dem Auftritt noch auf der Kippe. Tapfer zauberten sie aber eine gute Show aufs Parkett. Von Müdigkeit, keine Spur.
Kodaline
Vor kurzem spielten die Iren noch in kleineren Locations, wie dem Komplex 457 in Zürich. Nun aber schafften sie es als Sonntagnachmittag Act auf die Hauptbühne. Da passten sie perfekt hin. Verschmuster Pop zum Geniessen, wenn da nicht mitten im Auftritt die PA komplett ausgefallen wäre. Nach einem rund 10 minütigen Unterbruch ging es dann weiter, die Stimmung war trotzdem irgendwie dahin. Ideal um eine Bratwurst essen zu gehen.
AnnenMayKantereit
Ein bisschen fragte ich mich ja schon, als die Band die Sternenbühne betrat, ob sie am richtigen Event sind. So erinnerten sie doch eher an eine Schülerband, als an eine Pop-Rock Band. Doch als der erste Ton von den Lippen des schlaksig wirkenden Frontsängers Henning May mir zu Ohren kam, vergass ich fast zu fotografieren. So etwas habe ich noch selten gehört. Tief, voluminös, ja einfach unbeschreiblich. Das Publikum reagierte prompt mit schallendem Applaus.
Kraftklub
Ich gebe es zu, ich kannte den Bandnamen, das war es dann schon. Darum war es umso überraschender, was die Deutsche Energie Rock Kombo dem müden St. Galler Publikum, als zweitletzte Band, bot. Die Musik, die übrigens gut abging, trat schon fast etwas in den Hintergrund. Das war vielmehr Animationsprogramm. Ein paar Beispiele. Publikum soll sich hinsetzen und Ruderbewegungen machen oder Müll in die Hand nehmen und in die Luft schmeissen oder die „Negativ Slow Motion Laola“. Mitten im Konzert fuhren sie mit einer mobilen Bühne mitten in die Menge, spielten ein Song und schwammen dann via Crowd wieder zurück auf die Bühne. Kraftklub klauten den vielen auftretenden Bands kurzerhand die Show.
Paolo Nutini
Spielte dann als Letzter. Ein sehr schöner Ausklang.
Die 39. Ausgabe des OASG ging wie im Fluge vorbei. Dass Petrus für einmal diesem Festival gut gesonnen war, feuerte die sonst schon immer herrschende Stimmung zusätzlich an. Leider auch noch ein paar Heuballen. Dass das Openair schon so oft stattfand, merkte man auch an der Organisation. Bis auf das sich überschneidende Programm ist alles durchdacht organisiert. Das beginnt beim Einlass, über das bargeldlose Bezahlen bis hin zum Zelt Depot.
Musikalisch fehlte mir dieses Mal der Super-Headliner. Dafür gab es viele neue Bands zu entdecken, die entweder wieder in der Senke verschwinden oder noch ganz gross rauskommen werden. In diesem Sinne Open Air St. Gallen, wir sehen uns.
Text + Bilder: Marcel Schlatter