Datum: 13. September 2009
Website: www.myspace.com/lukejbrafka
Geschrieben von: UPW
Uli: Hallo Luke!
Luke: Hallo Uli.
Uli: Du beschreibst Dein Projekt Das Fortleben als „lyrische Klangexperimente“. Was hat es damit auf sich, was erwartet den Hörer bei dieser Art von sprachlichen Tonversuchen, auf was hat er sich einzustellen?
Luke: Das Fortleben ist in erster Linie als eine Ansammlung von Texten zu sehen, die ich im Laufe meines Lebens verfasst habe. Um diesen Texten die richtige Atmosphäre zu verleihen, wollte ich schon immer gewisse Töne hinzu geben. Da ich allerdings nicht das nötige Equipment hatte bzw. auch keine Musiker fand, die die klanglichen Ideen für mich umsetzen konnten oder wollten, habe ich nun im multimedialen Zeitalter die Chance ergriffen, mich an den PC und mit meinem Synth zu setzen um mich selbst in der Vertonung zu versuchen. Leider ist dies nicht ganz so einfach, da ich nicht wirklich ein Instrument beherrsche und deshalb kann ich auch nicht wirklich von „komponieren“ reden. Somit wird niemals ein richtiger Song aus der Feder von Das Fortleben existieren können. Da das Projekt auch nicht als Musikprojekt zu sehen ist, habe ich das in diesen Fall einfach mal Klangexperimente genannt. Es sind ja in gewisser Weise auch Experimente. Im Vordergrund stehen die Aussage, die Atmosphäre und die Bilder der einzelnen Texte, die ich in jedem Hörer produzieren möchte.
Es kann also gut und gerne auch sein, dass zum Beispiel einfach nur diverse Geräusche im Hintergrund zu hören sind und keine Instrumente. Je nach Gefühl verarbeite ich meine Texte zu Klangexperimenten. Wichtig ist einfach nur für mich, dass alles gut zusammen passt. Der Text, die Musik und die Bilder – in den jeweiligen Köpfen – die ich hervorheben möchte. So zu sagen, die Fantasieanregung des einzelnen Interessierten produzieren möchte.
Uli: Wo liegen die Ursprünge von Das Fortleben? Beschreibe doch bitte mal kurz den künstlerischen Weg, den sowohl Du als auch dieses Projekt bisher genommen hat!
Luke (überlegt eine Zeit): Naja, fangen wir erst einmal bei mir an. Ich lege bereits seit 1986 – zuerst auf Privatpartys, dann irgendwann im Club – als Gothic-DJ auf, habe in genau dieser Zeit etliche Texte bzw. Gedichte geschrieben und irgendwann ab Anfang der 90er auch bei verschiedenen Bands das Mikro in die Hand genommen und gesungen. Da bin ich dann zur Jahrtausendwende bei ESCUCHA hängen geblieben. Nach zwei/drei Veröffentlichungen in Eigenregie und einigen Konzerten in Deutschland und sogar Luxemburg hatten wir allerdings aus privaten Gründen kaum noch Zeit diese Band weiter zu führen und lösten sie dann kurzerhand auf.
Weiterhin habe ich vor dieser Escucha-Zeit auch Artikel für ein Fanzine namens Eclipse verfasst, Kurzgeschichten, Romane etc. geschrieben, die allerdings nie veröffentlicht wurden. Dann irgendwann kam die Zeit der Internetradios. Hier habe ich auch begonnen meine ersten Sendungen aufzunehmen. Das Thema Radio fand ich so interessant, dass ich gar im Lokalfunk eine eigene Sendung produzierte. Interviews führen, CD-Kritiken schreiben etc. – das war schon aufregend. Weiterhin hatte ich dann mit meiner Frau und dem ehemaligen ESCUCHA-Kumpanen ein eigenes, erfolgreiches Internetradio gegründet. Aber wie das Leben dann so wieder spielte, kristallisierte sich schnell heraus, dass die Radiotätigkeit eigentlich ein Full-Time-Job ist und somit keine Freizeit mehr blieb. Aus diesem Grunde und natürlich dem finanziellen Aspekt wurde das Radio dann auch wieder aufgelöst. Es liess sich leider niemand finden, der hätte dieses in voller Verantwortung übernehmen können.
Aber jetzt mal wieder zurück zum eigentlichen Thema, Das Fortleben. Seitdem ich Gedichte schreibe, hat das Projekt immer Bestand in meinem Kopf gehabt. Zwangsläufig war schnell eine Geschichte aus diesen Texten entstanden und so auch das Projekt.
Im Jahre 2008 bin ich dann mit meiner Familie aus beruflichen Gründen in die Schweiz übergesiedelt und habe auch Das Fortleben wieder energisch angegangen, so dass die ersten Tonaufnahmen entstanden sind. Diese wollte ich natürlich niemanden vorenthalten und habe sie dann auf meiner MySpace-Seite (www.myspace.com/lukejbrafka
) veröffentlicht. Das bisherige Feedback hat mich dann umgehauen und mal sehen wie es weiter gehen wird. Getreu nach dem Motto des verstorbenen Rudi Carell: Lass Dich überraschen…
Uli: „Romantisch — liebevoll — krank.“ Das sind nach Deinem Bekunden die Pfeiler, auf denen Das Fortleben basiert. Erzähl uns bitte mal ein bisschen mehr über die Grundidee und das Konzept, welches dahinter steckt!
Luke: Hmm, das ist schwierig zu erklären. Ich habe ja vornhin schon gesagt, dass ich immer irgendwie Gedichte geschrieben habe. Irgendwann habe ich festgestellt, dass diese Texte irgendwie alle zusammenhängend sind, im Grunde genommen eine Geschichte ergeben. Von da an war halt das Projekt geboren. Romantisch, liebevoll und krank sind die Texte ja auch. Bei Das Fortleben handelt es sich um eine Seele, die mit der Umwelt nicht mehr zurecht kommt. Von der Geburt an über die Zeit bei der Bundeswehr, dann den Krieg, die Liebe, der Hass bis hin nach dem Tode. All dieses durchlebt diese Seele im Laufe der Geschichte, aber mehr kann und möchte ich nicht verraten. Ein wenig Spannung sollte schon bleiben. Und da sind wir wieder bei dem bekannten Holländer und seinem Lied :-).
Uli: Ganz klar und unbestritten stehen bei Das Fortleben natürlich die Texte im Vordergrund. Hast Du da eventuelle Vorbilder in der Literatur oder welche Einflüsse gibt es überhaupt für Dich?
Luke: Nein, Vorbilder gibt es in der Literatur nicht wirklich. Okay, mir gefallen heutzutage diverse Werke von Dirk Bernemann – ich mag es, wie er in Bildern schreibt, ohne je ein Blatt vor dem Mund zu nehmen – oder Stephen King bzw. alles, was irgendwie mit Mystik und Spannung zu tun hat. Einfach eine gesunde Mischung aus Fiktivität und Realität. Aber als Vorbilder sehe ich von den Schreiberlingen niemanden. Ich schreibe einfach das wonach mir ist. Mir hat einmal – und das ist noch nicht so lange her – jemand gesagt, ich würde so gut in Bildern schreiben können und auch sehr erfolgreich damit sein. Was soll ich Dir sagen? Diese Person hatte Recht, zumindest vorerst in einem Punkt. Also, ich versuche einfach den Hörer bzw. Leser dazu zu animieren sich selbst die Bilder zu den Texten vorstellen zu können, so dass sie die unterschiedlichsten Gefühle in sich entdecken können. Ein absolutes Kopfkino in 3D, um mal mit dem Trend zu gehen 🙂
Uli: Wie viel „Luke“ steckt in Das Fortleben? Verarbeitest Du in Deinen Texten persönliche Erfahrungen und Ansichten oder lebst Du eher damit ein fiktives alter ego aus?
Luke: Wie viel Luke steckt in Das Fortleben? Eine gute Frage. Da alles aus meiner Feder stammt, natürlich zu 100% 🙂 Nein, Spass beiseite. So verschieden die Texte auch sind, um so unterschiedlicher ist deren Verarbeitung. Es gibt Texte, mit denen möchte ich wirklich gewisse Dinge, die mich beschäftigen, ausdrücken. „Schöne Zeit“ zum Beispiel ist ein Text, der entstanden ist, als ich mir Gedanken darüber gemacht habe, ob ich zur Bundeswehr gehen soll oder nicht. Und spätestens nach meinem Alptraum, der mich jahrelang immer wieder verfolgt hat, musste ich diesen Traum in Worte fassen und in „Krieg“ wurde er dann zu Papier gebracht. Damit sollte dann auch eindeutig klar sein, dass ich nicht zum Militär gegangen bin und stattdessen verweigert habe. Dazu muss ich noch erwähnen, dass ich an „Krieg“ über ein Jahr geschrieben habe, bis ich ihn so zu Papier gebracht hatte, wie der Traum auch war. Und ich sage Dir – das bleibt aber unter uns – mir läuft heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich den Text lese oder höre. Schon allein, wenn ich darüber rede – so wie jetzt. Diese Bilder vergesse ich nie, als wäre ich selbst dabei gewesen. Naja, irgendwie war ich es ja auch.
Weiterhin gibt es auch Texte, die wirklich aus der Fantasie heraus — weil ich vielleicht einmal einen bestimmten Satz den ich gehört habe, gut fand – entstanden sind. So zum Beispiel „Im Teufelswahn“. Darin geht es um die heutzutage immer wieder auftauchenden Gewaltexzesse gegen Kinder. Ich würde allerdings nicht einmal im Traum daran denken gegen meinen Sohn gewalttätig zu werden. Aber irgendwie ist das ja auch immer wieder ein aktuelles Thema in dieser ach so heilen Welt. Du merkst also, ich bin schon sehr kritisch angehaucht, was das Weltgeschehen betrifft.
„Des Gottes letzter Wille“ ist zum Beispiel auch so ein kritischer Text. Wenn es denn einen Gott gibt, warum lässt er so viel Gewalt, Unheil etc. zu? War die gestohlene Rippe der Anfang vom Ende? In diesem Text beschreibe ich in einer Art Zeitraffer das, was in den letzten Jahren auf der Welt passiert ist bzw. sich immer wieder wiederholt und wir es eigentlich selbst sind, die alles zerstören.
Auch gibt es Texte, die ich verschiedenen Menschen gewidmet habe, die mir sehr nahe stehen oder standen. So vielseitig sehe ich das Projekt.
Uli: Wann können wir Dich live auf der Bühne erleben und welche Ideen hast Du diesbezüglich in Hinblick auf die Livedarbietung? Wirst Du Hilfe von Gastmusikern und Fremdrezitatoren in Anspruch nehmen oder ziehst Du das Ding knallhart solo durch?
Luke Das weiss ich selbst noch nicht so genau. Geplant sind halt keine Konzerte in dem Sinne, aber Lesungen mit Klanexperimenten und Bildaufführungen. Vielleicht kommt es auch vor, dass ich Gastmusiker zu meiner Lesung einlade, die mit mir zusammen auf der Bühne stehen.
Wünschen würde ich mir das schon, eine gewisse Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, ob es Musiker sind, Sprecher, Schauspieler, Maler oder Fotografen. Alles könnte Verwendung finden. Aber da bin ich mir halt wirklich noch nicht sicher, wie das zu bewerkstelligen ist. Erst einmal muss ich ein Programm fertig stellen, welches mir schon im Kopf schwirrt. Es wird liebevoll – romantisch – krank sein, das ist schon mal sicher. Dann muss auch erstmal ein Veranstalter vorhanden sein, der diesem Projekt oder generell jungen, unbekannten Künstlern die Möglichkeit gibt, das Programm einem grösseren Publikum live präsentieren zu können. Mir ist es egal, wo ich meine Aufführung machen könnte, da gibt es genügend Plätze, die mir auf Anhieb einfallen. Eine alte Kirche, ein Friedhof, eine Schlachtbank oder gar ein altes Schlachtfeld. Aber genauso gut könnte ich das Programm in einem Wohnzimmer oder normalen Garten vorführen, wenn sich denn auch die richtige Atmosphäre schaffen lässt. Ich denke solo kann ich das nicht live umsetzen, da müsste ich mich während der Lesung um viel zu viele Dinge gleichzeitig kümmern. Das wäre nur im kleinen Rahmen möglich, aber wie heisst das Sprichwort noch? Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen… oder so ähnlich?
Uli: Mit welchen Dingen beschäftigst Du Dich in Deinem Privatleben, wenn Du nicht als Protagonist von Das Fortleben tätig bist?
Luke: Oh, jetzt wird’s intim 🙂
Zu aller erst gehe ich natürlich einem normalen Beruf nach. Da bin ich schon mal 8-10 Stunden mit beschäftigt, einschl. Hin- und Rückfahrt durch den überfluteten Gubrist-Tunnel von Zürich raus. Da geht schon viel Zeit am Tag drauf, die ich viel lieber bei meiner Familie verbringen würde.
Deshalb freue mich auch immer wieder wenn ich vom Stau geplagt zu Hause ankomme. Oft ist es sogar so, dass ich mein Rückentraining fallen lasse, nur um schneller bei meiner Familie zu sein. Es ist so wunderschön zu sehen, wie Kinder aufwachsen. Und noch schöner ist es, zu wissen, da ist jemand der auf dich wartet.
Ansonsten beschäftige ich mit allen möglichen Dingen. Gehe neben meinem Rückentraining am Wochenende joggen, spiele sogar ein Onlinefussballgame, das macht riesigen Spass. Mein Team heisst übrigens Fortuna Fortleben. Wie passend oder… die Göttin und Gevatter Tod, könnte man auch sagen :-). Übrigens schreibe ich auch für ein Onlinemagazin, dass Du sicherlich nicht kennst 🙂 (a.d.Chefin: ja ja meine lieben Redakteure, da hetzt man Euch mal gegenseitig aufeinander und schon wird rumgealbert 🙂 ). Na, was gibt es sonst noch? Ach ja, auch hier in der Schweiz lege ich weiterhin als DJ auf, aber nicht mehr so regelmässig, wie einst in Deutschland. Naja, ich glaube das war es auch schon.
Uli: Was können wir in Zukunft von Das Fortleben erwarten? Wird es Veröffentlichungen als CDs oder Bücher geben oder wirst Du Deine Sachen weiterhin per Internet veröffentlichen?
Luke: Ja, das ist natürlich eine berechtigte Frage. Da bohrst du gerade in ein wundes Herz. Es ist heutzutage eh schon schwierig genug, als Musiker ein Label und als Schriftsteller einen Verlag zu finden und ich benötige eigentlich gleich beides. Ich habe vor die Geschichte „Die Biographie einer Seele“ als Buch und Hörbuch zu veröffentlichen. In dem Buch sollen zur Anhebung der Atmosphäre noch Bilder zu den einzelnen Texten gedruckt werden. Ob es sich hier dann um Fotografien oder Zeichnungen handelt ist völlig offen. Wie bereits erwähnt, wünsche ich mir schon gerne eine gewisse Zusammenarbeit mit diversen Künstlern. Da könnten interessante Dinge bei heraus kommen. Für das Hörbuch sind dann wieder die Klangexperimente ausschlaggebend um die Stimmung weiter anzuheben. Aber wann und wie das wirklich kommen wird, weiss auch ich noch nicht. Sicher ist auf jeden Fall, dass weiterhin Vös im Internet zu finden sein werden.
Uli: Ich danke Dir für Deine bereitwilligen Antworten und wünsche Dir und dem Projekt alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft!
Luke: Na, Uli — ich habe mich zu bedanken, dass Du Dir die Zeit genommen hast um den Lesern das Projekt Das Fortleben näher vorzustellen. Vielleicht ist jetzt manch einer durch dieses Interview erst auf mein Projekt aufmerksam geworden und möchte mehr erfahren, wer weiss und wenn nicht ist es halt nur Interview.
Ich bedanke mich auch bei allen Leuten, die mich bisher unterstützt haben und auch weiterhin unterstützen werden… vielen Dank Euch allen…