Eigenveröffentlichung / VÖ: 1. November 2024 / Pop-Punk
seventhfloorband.com
Text: David Spring
Am 18. November 2003 veröffentlichten blink-182 ihr selbstbetiteltes Album und versanken für mich damit sofort in der Kiste des «ugh, zu soft, also langweilig» Urteils. Wie konnten sie es wagen, mit ihrem Sound zu experimentieren und sich weiterzuentwickeln? Für mich kleinen Teenie-Punk unverzeihbar. Doch Geschmäcker ändern sich bekanntlich und heute kann ich diesen archetypischen Pop-Punk der frühen 2000er durchaus goutieren.
Das ist gut, denn sonst hätten Seventh Floor bei mir einen schweren Stand. Deren erstes Album «Chronicle» klingt nämlich genau nach dieser Zeit – so sehr so, dass man mit aufgesetzter Nostalgie-Brille durchaus meinen könnte, Mark Hoppus höchstpersönlich sänge mit. Der Opener «Tried & True» fällt gutgelaunt und schrammelig zur Tür hinein, ein paar vertrackte Rhythmen, sympathischer Gesang und cooler Drive. Das macht augenblicklich Laune. Das folgende «Lonlier» ist dann vielleicht einen Zacken zu lieblich, doch das tolle, energetische und unverschämt eingängige «Robin’s Song» macht etwaige Schwächen umgehend wieder wett und ab da stimmt alles.
Wer ist Robin, fragst du dich nun vielleicht? Nun, Seventh Floor haben ihr ganzes Album um das Leben dieses fiktiven Robins gebaut und es ist sein musikalisches Tagebuch, dem wir hier lauschen. Entsprechend nachfühlbar und allgemeingültig sind die Songs, von rebellischen Gedanken in der Jugend, über das erste Verliebtsein bis hin zu Verlusten aller Art und darauffolgender Heilung – die Themen auf «Chronicle» berühren und sind universell gültig. Es ist ein mutiges Konzept, denn solche inhaltlichen Ansätze können schnell entweder überkompliziert oder zu platt herauskommen. Doch Seventh Floor gelingt es, nie zu kitschig oder pathetisch zu werden. Jeder der elf Songs funktioniert auch alleinstehend gut und die Story ist meilenweit von irgendwelchem belanglosen Hollywood-Mist entfernt.
Musikalisch könnte das Album kaum abwechslungsreicher sein. Wie erwähnt sind da viele blink-182 Referenzen zu finden, aber auch The Menzingers, Spanish Love Songs oder gar The Cure können im vielschichtigen Sound von Seventh Floor gefunden werden. Aus diesen Einflüssen, gepaart mit viel Kreativität und Spielfreude, entstanden tolle Indie-Punkperlen wie das zackige «One Way Ticket», das gemütliche «0711» oder die beiden Highlights «Tongue Tied» und «Healing», welche beide vorzüglich nach vorne ziehen. Vielleicht am ambitioniertesten ist das abschliessende «Pursuit Of Identity», das mit den dazugehörigen «Prologue» und «Epilogue» auf über acht Minuten Spielzeit kommt. Nicht nur ist dieser Song ein kleines Meisterwerk in sich selbst, er fasst auch perfekt die ganze musikalische Welt zusammen, die Seventh Floor hier geschaffen haben. Wahrlich beachtlich.
«Chronicles» ist ein vorzügliches, mutiges Debüt einer talentierten, sympathischen Band, die genau weiss, wo die eigenen Stärken liegen. Mit einem fantastischen Gespür für tolle Melodien, kreatives Songwriting und die stets passenden Worte machen Seventh Floor alles richtig. Nicht jeder Band gelingt es, ein solch starkes Konzeptalbum zu erschaffen, das auf allen Ebenen funktioniert und überzeugt. Hut ab dafür und stets weiter so!